Sagnol, der Abgerutschte

MÜNCHEN - Verletzungen, Enttäuschungen, Unsicherheiten. Es ist ein Seuchenjahr für den Franzosen. Steht Willy Sagnol vor dem Abschied bei den Bayern? Seine Perspektiven jedenfalls haben sich verändert.
Irgendwie symptomatisch. Auf dem Spielberichtsbogen am Mittwoch in Frankfurt stand hinter dem Namen Willy Sagnol noch das „C“ – für Kapitän. Doch auf dem Spielfeld sah das ganz anders aus: In Abwesenheit des angeschlagenen Keepers Oliver Kahn trug beim 3:1 nicht der Franzose die Binde, sondern Verteidiger Lucio. Sagnol, der Vize-Weltmeister, ist weit abgerutscht in Bayerns Hierarchie.
Tags zuvor war der 31–Jährige gefragt worden, ob er sich denn am Saisonende über die ganzen Titel freuen werde? Er, der schon so viel gewonnen hat mit dem FC Bayern: Weltpokal, Champions League, vier Meisterschaften und drei Mal den Pokal. Kann so einen ein Triple zufriedenstellen, zu dem er kaum etwas beitragen konnte?
Nur sechs Liga-Einsätze
„Ich bin froh, überhaupt wieder auf dem Platz zu sein. Diese Titel wären wichtig für mich“, sagte Sagnol, „auch wenn ich nicht viele Spiele in dieser Saison gemacht habe.“ Lediglich fünf im Uefa-Cup, zwei im DFB-Pokal und – inklusive Frankfurt – sechs in der Bundesliga. Am Mittwoch durfte Sagnol, bis er kurz vor Ende wieder angeschlagen vom Platz musste, wenigstens wieder auf rechts in der Viererkette ran. Davor gegen Dortmund musste er im rechten Mittelfeld aushelfen. „Dort ist Willy nicht ständig in Zweikämpfe und Laufduelle verwickelt“, begründete Trainer Ottmar Hitzfeld die Maßnahme, „es fehlt ihm noch an der Fitness und an der Schnelligkeit.“
Da sind sie einer Meinung. Was nicht immer der Fall war in dieser, Sagnols achter Saison beim FC Bayern. Im April 2007 hatte der Franzose einen Knorpelschaden am rechten Knie erlitten und musste operiert werden. Es folgte eine siebenmonatige Leidenszeit, erst im November konnte er wieder mit dem Team trainieren. Spielen wollte er schon früher. Hitzfeld jedoch ließ Sagnol zwei Mal in der Regionalliga testen. In Oggersheim und im Grünwalder gegen Burghausen.
Alles schien eine gute Wendung zu nehmen
Aufgewühlt und mit Tränen in den Augen sprach Sagnol davon, dass er den Verein noch in der Winterpause verlassen wolle. Er fürchtete um seine EM-Teilnahme. Doch als klar war, dass Hitzfeld nicht über das Saisonende hinaus Bayern- Trainer und Jürgen Klinsmann sein Nachfolger werden würde, änderte er seine Meinung und kündigte im März an: „Ich habe noch zwei Jahre Vertrag bei Bayern und werde meine Karriere hier beenden.“ Alles schien eine gute Wendung zu nehmen in Sagnols Seuchenjahr, das er selbst als „eine schwere Zeit, meine schwierigste Saison“ bezeichnet.
Doch im März setzte ihn ein Bandscheibenvorfall vier Wochen außer Gefecht, auf rechts etablierte sich Lell, sonst verteidigte dort Lahm. So wurden Klinsmann die Alternativen vorgeführt, Spiel für Spiel. Sagnol ist nicht mehr unentbehrlich nach all den Jahren, aufgrund seiner Verletzungen. Sieht das auch Klinsmann so? Er habe mit ihm gesprochen, sagte Sagnol, „aber nicht so viel“. Doch er werde „noch mal sprechen“. Über seinen Abschied? „Wir wissen nicht, was passiert“, sagte Sagnol traurig, „ich habe keine Gedanken, zu gehen.“
Natürlich nicht. sein Vertrag läuft bis 2010, ist sehr gut dotiert. Aber soll Sagnol ihn erfüllen? Dazu sagte er: „Das ist kein Thema jetzt, ich will es am Ende der Saison nochmal mit euch besprechen.“ Es klang nach Abschied.
Patrick Strasser