Russische Schwimmer unter Dopingverdacht - Verband dementiert

London/Köln - Nach der Leichtathletik wird auch der russische Schwimmsport laut einem Bericht der Zeitung "The Times" von einem gigantischen Dopingskandal erschüttert. Eine "Schande" überschreibt das englische Blatt am Mittwoch seinen Artikel, der auf umfangreichen Recherchen beruhe. Es gebe Beweise für eine "organisierte Drogenkultur" im russischen Schwimmsport in den vergangenen zehn Jahren.
Die "Times" enthüllte unter anderem Betrug durch einen bereits in Ungnade gefallenen Mediziner, mit illegalen Drogenlaboren und vertuschten Dopingtests. So soll Sergej Portugalow, Chefmediziner der seit vier Monaten suspendierten russischen Leichtathleten, auch den Schwimmern leistungssteigernde Mittel verabreicht haben.
Inzwischen hat der russische Schwimmverband dementiert den beschuldigen Arzt beschäftigt zu haben.
Ihm sei der Inhalt der Recherchen nicht bekannt, sagte Vizepräsident Viktor Awdinenko am Mittwoch der Agentur Tass. "Den Schwimmverband bedrohen sie nicht, weil wir mit dem Arzt Sergej Portugalow nicht zusammenarbeiten", sagte er. Zu Zeiten der Sowjetunion sei dieser zwar Teil des Stabs gewesen, habe jedoch nie in der Nationalmannschaft gearbeitet.
DSV-Cheftrainer fordert Konsequenzen
Diese Enthüllungen und ein erneuter positiver Test der Weltmeisterin Julija Jefimowa ärgern den deutschen Bundestrainer Henning Lambertz. Er fordert drastische Konsequenzen. "Wenn alle Fakten dafür sprechen, dann kann ich nur befürworten, eine ganze Nation zu sperren", sagte Lambertz dem sid, "auch wenn dann auch der eine oder andere saubere Athlet betroffen wäre."
Er sei "definitiv" davon überzeugt, dass es in Russland im Schwimmen ebenso "von staatlichen Stellen toleriertes flächendeckendes Doping" gebe wie in der Leichtathletik: "Die Sportarten sind verwandt, ich kann mir nicht vorstellen, dass es sich nur auf die Leichtathletik erstreckt". Die russischen Leichtathleten sind derzeit vom Weltverband IAAF wegen systematischen Dopings ausgeschlossen, über ein Olympia-Aus soll im Mai entschieden werden.
Karriereende für Jefimowa?
Für Jefimowa, die positiv auf die seit Jahresbeginn verbotene Substanz Meldonium getestet wurde, forderte Lambertz das Ende der Karriere. "Wenn sie nach ihrem zweiten Verstoß nicht lebenslang gesperrt würde, wäre das ein Schlag mitten ins Gesicht für uns alle", sagte er. Jefimowa war bereits im Oktober 2013 mit einem anabolen Steroid erwischt und für 16 Monate gesperrt worden.
"Es fällt unheimlich schwer, russischen Sportlern noch mit Respekt und Achtung entgegenzutreten", sagte Lambertz weiter und fragte: "Wie soll ich einem Marco Koch oder Paul Biedermann sagen: Versucht, gegen die anzuschwimmen?"
Die englische Tageszeitung The Times hatte am Mittwoch weitere Hinweise auf systematisches Doping im russischen Schwimmsport vorgelegt. Demnach soll Sergej Portugalow, einer der vermeintlichen Drahtzieher im Skandal um die russischen Leichtathleten, auch im Schwimmen tätig gewesen sein und das Nationalteam aufgefordert haben, ein systematisches Dopingprogramm einzuführen. Zudem seien zwei positive Tests vertuscht worden.