Riesch: "Das ist schon Wahnsinn"
WHISTLER - Wie Maria Riesch ihre Goldmedaille feierte. Ein Report aus dem Deutschen Haus in Whistler.
Der Herr Verteidigungsminister gratulierte dann auch. Karl-Theodor zu Guttenberg war bei einem Empfang im Deutschen Haus, als am Abend noch Maria Riesch vorbei schaute. Die neue Olympiasiegerin in der Kombination, der es an diesem Tag gar nicht um Abwehrmaßnahmen und Defensivstrategien ging. Sondern die nur volle Attacke kannte. Auf dem Weg zum ersten Gold von Vancouver. Ein Gold, mit dem sie aufgestiegen war in den Olymp.
Bei der Siegerehrung auf der Medal's Plaza streckte sie die Arme nach oben, und als die Fahnen aufgzogen wurden, die amerikanische für Julia Mancuso, die schwedische für Anja Pärson und in der Mitte die deutsche für sie, da sang sie dann den Text der Hymne ganz sicher mit. "Ein Moment, auf den ich ewig gewartet habe", sagte sie, "ein Moment, der ruhig hätte länger dauern dürfen. Das ging alles so schnell vorbei, ich wollte das einfach nur aufsaugen. Es war schade, dass es nicht länger gedauert hat." Aber die Zeremonienmeister spielten die Hymne eben nicht noch einmal und noch einmal, und außerdem musste Riesch eh weiter. Um im Deutschen Haus noch einmal über den Tag zu sprechen, ihre Karriere zu reflektieren und zu sinnieren, was dieser Titel denn nun bedeutet. "Olympiasiegerin", sagte sie, "das ist schon Wahnsinn."
Tags davor noch die Enttäuschung über Platz 8 in der Abfahrt, und dann zu allem Überfluss auch noch der Rüffel vom Trainer Matthias Berthold. "Ein bisserl ranzig" sei der geworden, berichtete Alpin-Chef Wolfgang Maier, und Riesch selbst sagte: "Das hat schon weh getan, als er mit dem Holzhammer noch einen draufgesetzt hat." Doch die Schläge schienen Wirkung zu zeigen, genau wie ein entspanntes Abendessen am Mittwoch mit den Skicrossern. Und dann war auch die Stimmung wieder besser, wie Alpinchef Wolfgang Maier sagte: "Alle haben gesagt, don't worry, denk dir nix, das wird schon wieder, es war eine ganz positive Stimmung." Und es wurde dann ja auch wieder, tags darauf.
"Ich bin schon ganz anders aufgewacht", sagte Riesch, "ich wusste, heute kann dein Tag werden." Dann kam erst noch ein grober Schnitzer in der Kombi-Abfahrt, den Riesch so schlilderte: "Ich dachte mir, jetzt ist die Medaille weg. Aber dann hab' ich mir gesagt: Wurscht, einfach nur drauf." Und das brachte auch den Erfolg.
Und die Erleichterung, dass es nicht wieder eine Zitterpartie wurde wie vor einem Jahr in Val d'Isére, als Riesch in den ersten vier Wettbewerben patzte, bevor sie im Slalom dann doch noch Gold holte. "Diese Woche damals", sagte Berthold, "war mit ein Schlüssel zum Erfolg. Da hat sie wahnsinnig viel gelernt." Und das sagte am Abend auch Riesch: "Ich habe oft darüber nachgedacht, diese WM in Val d'Isére hat mir sehr geholfen, zu sehen, wie ich aus Niederlagen wieder hochkommen kann." Eine Weltmeisterschaft als Reifeprozess auf dem Weg zum Olympia-Gold.
Wie sehr dieser Sieg ihr Leben verändern wird, wusste Riesch selbst noch nicht einzuschätzen., "Das kann ich nicht sagen, nach dem WM-Titel habe ich mir das auch nicht gedacht, dass das Interesse an mir so steigt"; sagte sie, "aber dann haben sie mich plötztlich auch in norddeutschen Städten auf der Straße erkannt, das war bis dahin nicht so." Jetzt geht der Bekanntheitsgrad vielleicht noch über die Landesgrenzen hinaus.
Klarer die Ansage von Wolfgang Maier: "Ihr Leben wird das nicht verändern", sagte er, "sie ist mental so stark, die wird damit schon gut umgehen können, ich sehe das nicht als Problem." Auch Riesch gab am Abend, bevor sie sich zu Franziska van Almsick im Kufenstüberl an den Tisch setzte, noch eine eher nüchterne Einschätzung. Wobei sie eh nicht groß feiern konnte, Samstag steht schon der Super-G an. "Ich genieße den Rummel", sagte sie, "aber ich weiß, dass es schnell gehen kann, dass man erst groß gefeiert wird und dann wieder schnell fallen gelassen, wenn es nicht mehr läuft." Und was, wenn wieder Berthold mit dem Holzhammer kommt? Dann wurscht, einfach nur drauf. Don't worry.
Florian Kinast