Revolte abgeschmettert: Federer bremst die Jungen Wilden

Er war fast schon abgeschrieben nach seiner Schwächephase in der letzten Saison wegen einer schweren Erkrankung (Pfeiffersches Drüsenfieber). Doch bei den Autralian Open, dem ersten Grand Slam Turnier der neuen Spielzeit, meldet sich Roger Federer eindrucksvoll zurück, erreichte als erster das Finale.
von  Abendzeitung
Andy Roddick (r.) gratuliert seinem Bezwinger Roger Federer.
Andy Roddick (r.) gratuliert seinem Bezwinger Roger Federer. © AP

MELBOURNE - Er war fast schon abgeschrieben nach seiner Schwächephase in der letzten Saison wegen einer schweren Erkrankung (Pfeiffersches Drüsenfieber). Doch bei den Autralian Open, dem ersten Grand Slam Turnier der neuen Spielzeit, meldet sich Roger Federer eindrucksvoll zurück, erreichte als erster das Finale.

Um zu wissen, was sich bei den Australian Open abspielt, muss man dieser Tage nur einen Blick auf britische Sportseiten werfen. Eine gewisse Laura Robson spielt da in der Not eine wesentliche Rolle in der Berichterstattung, die äusserst vielversprechende Juniorin. Oder Heather Watson, ein junges 16-jähriges Mädchen, das auch im Talentwettbewerb von Melbourne mitspielt. Es wäre eigentlich die hohe Zeit gewesen für Andy Murray, den großen Hoffnungsträger, den Melbourne-Favoriten der Buchmacher nicht nur auf der Insel. Doch im schillernden Pokalfight ist der coole Schotte längst nicht mehr dabei, und dieses Schicksal teilt er mit den anderen Top Guns aus der Generation der jungen stürmischen Herausforder – mit dem Argentinier Juan Martin del Potro, dem Letten Ernests Gulbis, dem Kroaten Marin Cilic und dem Japaner Kei Nishikori.

Geblieben sind die beiden spanischen Halbfinalisten, der Nummer 1-Mann Rafael Nadal und sein formstarker Freund Fernando Verdasco. Und geblieben ist im Rampenlicht vor allem er, der erste feststehende Endspielteilnehmer, der alte,neue König des Dschungels, der zweite Alpha-Mann der Branche– Roger Federer. Was als Jahr der neuen Uneindeutigkeit gehandelt wurde, dieses Tennisjahr 2009, beginnt in Wahrheit mit vertrauten Gesichtern in den wirklich wichtigen Matches, mit einer vorläufigen Bestätigung der alten Hackordnung. „Ein bisschen viel Wirbel“ sei um die neuen Gesichter gemacht worden, sagte der Ranglistenzweite Federer nach seinem sonnenklaren 6:2, 7:5, 7:5-Erfolg über den alten Weggefährten Andy Roddick im Halbfinale, „noch stehen Rafael und ich ein gutes Stück vor dem Rest des Feldes. Selbst vor Novak Djokovic.“

Viel anders sieht es auch im Damenwettbewerb nicht aus, in dem die schon dreimalige Melbourne-Championesse Serena Williams am Samstag im Finale gegen Dinara Safina (Russland) spielt, also die Nummer 2 gegen die Nummer 3. Williams, die Überlebenskünstlerin, hatte zuvor wieder einmal Jelena Dementiewa bezwungen, mit 6:3 und 6:4. Safina gewann mit 6:3 und 7:6 gegen Landsfrau Wera Swonerewa. Am Samstagabend (9.30 Uhr MEZ) geht es zwischen den beiden dann auch darum, wer ab nächster Woche die Nummer 1 sein wird.

Im Herrenrevier blieb nach anderthalb Wochen in Sturm und Hitze die Frage: War das wirklich was? War da eine Rebellion der Jungen Wilden, ein Angriff aufs Establishment? In Melbourne ist, auch und wegen der extrem komplizierten Bedingungen, nicht viel übriggeblieben vom Sturm und Drang der Teenager-Truppe. Stattdessen thront ziemlich weit oben erst mal wieder Federer, der gut erholte, wieder eisern zupackende Eidgenosse. Sein ganz persönliches Turnier hier in Melbourne folgt alten Erfolgsgeschichten und –ritualen: Ein paar mühelose Auftaktrunden, ein überstandener Thriller mittendrin im Grand Slam-Spektakel (hier gegen Berdych) – und dann beschleunigte Fahrt mindestens bis ins Endspiel, wenn nicht gar zum Titel. „Psst! Genie bei der Arbeit“ steht auf den Plakaten, die die Australier in der zweiten Woche wieder mitbringen zu den Federer-Spielen – anfangs hatten sie sich die ironische Verehrung gar nicht recht getraut.

Bei Federer, dem erfolgreichsten Spieler der Gegenwart, passt wieder zusammen, was zusammen gehört. Der Respekt der Gegner, das eigene Selbstbewusstsein, die Fitneß. Und auch ein bisschen das Glück, etwa der Umstand, die letzten Matches stets in veträglichen Verhältnissen bestreiten zu können – jeweils in der etwas laueren, ruhigeren Abendluft. Für einen exzellenten Techniker wie ihn war es ein nicht zu unterschätzender Vorteil, womöglich dann auch noch einmal im Nachtfinale gegen Nadal. Roddick, der alte Weggefährte, konnte den Schweizer jedenfalls nicht stoppen, zum 16. Mal im nun 18. Duell blieb der Ami bloß zweiter Sieger und trat die Heimreise an.

Federer hat nun 72 Stunden Arbeitspause, bis er mal wieder - als Schreck der Bilanzhalter - die Rekordbücher seines Sports umschreiben kann. Am Sonntagabend hat Federer vor allem die verlockende Chance, in seinem 18. Grand Slam-Endspiel den Allzeit-Rekord von Pete Sampras einzustellen, den Rekord von 14 Major-Titeln. Seinem Rendezvous mit der Ewigkeit als Bester unten den Besten wäre der Basler damit ein gutes Stück näher gekommen – wer weiss schliesslich schon, was die Zukunft bringen wird. „Er will mitnehmen, was er kriegen kann“, sagt Australiens früherer Heros Pat Cash. Sein Landsmann Pat Rafter sieht Federer inzwischen wieder als „klarsten Favoriten, selbst gegen Nadal im Endspiel“: „Wenn es überhaupt jemals eine Krise gab, dann ist er wieder raus aus ihr.“

Jörg Allmeroth

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