Rettig: "Das Kreuzband ist schnell gerissen"

Ein hochkarätig besetztes Expertenpodium diskutierte in der Bayerischen Akademie für Werbung und Marketing in München über die Vermarktung von Profisportlern, ihren Ausbildungsweg und Risiken nach der Karriere.
von  Matthias Eicher / Sport / FC Bayern
BAW-Leiter Matthias Lung, Markus Hörwick, Moderator Peter Ehm, Verena Bentele, Claus Gröbner, Christian Ortlepp und Andreas Rettig.
BAW-Leiter Matthias Lung, Markus Hörwick, Moderator Peter Ehm, Verena Bentele, Claus Gröbner, Christian Ortlepp und Andreas Rettig. © BAW

Ein hochkarätig besetztes Expertenpodium diskutierte in der Bayerischen Akademie für Werbung und Marketing in München über die Vermarktung von Profisportlern, ihren Ausbildungsweg und Risiken nach der Karriere.

München - Zahlreiche Experten um Mediendirektor Markus Hörwick vom FC Bayern und der zwölffachen Paralympics-Olympiasiegerin Verena Bentele sprachen in einem Konferenzraum der BAW in der Orleansstraße über Tendenzen im Spitzensport.

Hauptproblematik: Die ungleiche Verteilung von Aufmerksamkeit und damit der finanziellen Mittel unter den Sportarten sowie die Karriereplanung der Sportler selbst. „Die Dominanz des Fußballs macht es allen anderen Sportarten schwerer“, sagte Claus Gröbner, Consultant für Sportmanagement und Marketing. Somit müssen sowohl Profisportler „kleinerer“ Sportarten, als auch Fußballspieler, die nicht zu den Großverdienern gehören, die Karriere als Leistungssportler dementsprechend planen.

„Nur zirka 15% aller Leistungssportler brauchen kein Marketing, um finanziell ausgesorgt zu haben“, wusste DFL-Vorstand Andreas Rettig. Alle anderen der relativ konstanten Zahl von 1100 Profisportlern in Deutschland müssen sich um ihre Karriere nach der Karriere kümmern, sonst droht ein harter Existenzkampf. „20 bis 25 Prozent der Sportler sind absehbare Zeit nach ihrem Karriereende entweder pleite oder kurz vor dem Ruin“, sagte Christian Ortlepp, Chefreporter des Fernsehsenders Sport1.

Das gilt es zu verhindern. Rettig kündigte ein neues Konzept des Verbandes zur psychologischen und pädagogischen Unterstützung heranwachsender Leistungssportler an, um schon in jungen Jahren den Grundstein zur Erhaltung einer gewissen Selbstständigkeit im Beruf des Profisportlers zu legen. Außerdem gebe es keine Alternative zu einer guten Schulbildung, so Rettig: „Das Schienbein ist schnell gebrochen und das Kreuzband schnell gerissen“.

Der FC Bayern trifft bereits Maßnahmen, um den Worst Case zu verhindern. So gebe es Zulassungsvoraussetzungen für Leistungszentren und auch die Möglichkeit, in Kooperation mit der BAW zu studieren. Die Kosten dafür übernehme laut Mediendirektor Markus Hörwick der Verein. Zwei aktuelle Nationalspielerinnen des FC Bayern seien in der Warteschleife der BAW und haben den Studiengang aufgrund des Engagements in der Nationalmannschaft bei der EM in Schweden verschieben müssen.

Die Bayern kämen auch als Arbeitgeber nach der aktiven Karriere in Frage. Hörwick: „Ich kenne keinen Klub, bei dem so viele ehemalige Spieler im Verein sind“. Besonders in der Pflicht: die Berater der Sportler. „Man darf einen Sportler nicht auspressen wie eine Zitrone und dann mit 34 wird die Zitrone fallengelassen“, warnte Ortlepp. Leider seien aber die Berater oft nur am eigenen Profit interessiert, bemängelt Hörwick. Gute Sponsorendeals und Transfers vor ehrlichen Ratschlägen und Unterstützung bei der Karriereplanung? Zu oft gängie Praxis.

Daher rief die zwölf-fache Paralympics Olympiasiegerin Verena Bentele alle Leistungssportler zur Selbstständigkeit auf. Sie sei früh dazu erzogen worden und habe im Laufe ihrer Karriere davon profitiert. Im Behindertensport konnte sie in Sachen Marketing zwar keine großen Sprünge machen, könne aber „Wissen und Persönlichkeit zur Verfügung stellen.“

Ganz andere Dimensionen nimmt die Vermarktung von Spitzensportlern im Fußball an, denkt man an die Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung von Bayern-Neuzugang Mario Götze. Dort gab es Zoff wegen Götzes Auftritt im Nike-Shirt, da der FC Bayern mit Adidas kooperiert und nicht mit Götzes Ausrüster und direktem Konkurrenten auf dem Sportartikelmarkt.. Hörwick dazu: „Ab jetzt habe ich für alle Spieler ein neutrales T-Shirt dabei!“

Rettig fordert, die Vermarktungsstrategien strikt zu hinterfragen: „Wir dürfen nicht jeden Blödsinn mitmachen in der Vermarktung. Der Fan lässt sich nicht so gerne berieseln, sondern will sein Fußbal-Erlebnis genießen.“ Ginge es nach Hörwick, dürfte es auch weniger spektakulär zugehen in dieser Thematik. Aber: „ Die Fans wollen Spieler wie Ribéry, Schweinsteiger und Robben sehen. Das Marketing ist notwendig, um das Spektakel zu finanzieren.“

 

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