Retro bei den Blauen

„Ich bin nicht mehr der Jüngste“, sagt Benny Lauth– und deshalb will sich der Rückkehrer nicht mehr lange mit 1860 in der Zweiten Liga aufhalten. „Wir wollen einfach Freude machen“, sagte Cheftrainer Marco Kurz.
Grünwalder Straße 114, Montag, 10 Uhr: Trainingsstart beim Zweitligisten TSV 1860, Münchens selbst ernannter „großer Liebe“. Auf zu neuen Ufern? Auf zu Heldentaten? Auf, die furchtbare Rückrunde vergessen zu machen? Der AZ-Report vom Auftakt der Blauen.
Der Auftritt
Gelassen. Entspannt. Locker. Die Spieler kommen aus der Kabine, ganz unten im selben Gebäude gelegen wie die Geschäftsstelle. Vorbei an den Wasserhähnen, an denen sie später ihre Schuhe putzen müssen. Im Hintergrund hängt ein Plakat: „Das Restaurant Da Tom wünscht eine erfolgreiche Saison.“ Der Italiener, direkt hinterm Haus gelegen. Die neue Runde kann ja auch nur besser werden für Gregg Berhalter, Mustafa Kucukovic und wie sie alle heißen. Applaus brandet auf, als Benny Lauth, der wieder gefundene Sohn, in Richtung Trainingsplatz geht. Der Fischbachauer lächelt. Trainiert wird dann übrigens nicht vorne, sondern hinten – auf Kunstrasen. Wieso auch immer. Die Trainingsklamotten sind neu, das aktuelle Trikot präsentiert der Ausrüster erst am heutigen Dienstag um 10 Uhr.
Das Publikum
Gut 400 Neugierige sind da. Vorwiegend Männer mittleren und fortgeschrittenen Alters. In blau. Kreischende Teenies gibt es an der Grünwalder 114 nicht. Man geht mal hinter, schaut den ersten Sprints zu, um sich dann zurück in Richtung Löwenstü-berl zu bewegen. Die Sonnenschirme sind aufgespannt. Wirtin Christl Estermann hat aus der kleinen Terrasse einen Biergarten gemacht. Ausnahmsweise steht draußen ein Grill. Thüringer oder Polnische in der Semmel gibt’s. Für drei Euro. Alle Tische sind besetzt. Die Christl, zum Auftakt in 1860-Tracht gekleidet, hat für jeden ein freundliches Wort. Man kennt sich, man fühlt sich zu Hause. Alles wie immer – bestens.
Die Stars
Berkant Göktan („Ich bin super erholt“) ist auch da, aber eigentlich gibt’s nur einen Star: Benjamin Lauth. „Der Benny“, wie ihn alle nennen. Er selbst sagt über sich: „Der Jüngste bin ich ja nicht mehr.“ Im August wird er 27. Im ersten Training hat er kein Tor geschossen. Macht nichts. Mit Lauth kehrt die erfolgreiche Vergangenheit nach Giesing zurück. Retro mit Zukunft? „Ich bin froh, dass ich wieder hier bin“, sagt der Stürmer, „es sind ja noch einige von damals da.“ Mit Torben Hoffmann und Michael Hofmann habe er weiter Kontakt gehabt. Nach Daniel Bierofka und Markus Schroth ist Lauth der dritte Ex-Löwen-Star aus Bundesliga-Zeiten, der den Weg zurück findet. Nein, ein Abstieg sei dies nicht, versucht Lauth die Rückkehr zu erklären. Wenn einer daran zweifelt, ruft sofort ein Zuhörer: „Lass’ den Benny in Ruh’.“ Dennoch: Lauth hat in den vergangenen Jahren – 2004 war er für 4,3 Millionen Euro als Nationalspieler zum HSV gewechselt – keinen Fuß auf den Boden bekommen. Nicht in Hamburg, nicht beim VfB Stuttgart, und sein letzter Klub, Hannover 96, hat ihn ablösefrei ziehen lassen. Einst war Lauth eine große deutsche Sturmhoffnung, bildete mit Kuranyi, Friedrich und Hinkel die „Nutella-Boys“. Hinkel und Lauth schmierten ab, auf ihren Plätzen sitzen jetzt Borowski und Jansen. Zwei vom FC Bayern. „Druck mache ich mir nicht“, sagt Lauth, der nach dem Duschen in Dolce & Gabbana-Sneakern locker dasteht, „aber ich will mich nicht allzu lange in der Zweiten Liga aufhalten.“ Will der TSV seit vier Jahren nicht.
Das Personal
Marco Kurz ist da, der Cheftrainer. Günter Gorenzel-Simonitsch, der Fitnessguru mit der Pfeife selbstverständlich auch, ebenso wie Torwart-Trainer Jürgen Wittmann. Co-Trainer Uwe Wolf ist neu – und auch wieder nicht. Zuletzt hat der 39-Jährige nämlich die U23 des TSV in der Regionalliga betreut. Ganz neu im Trainer-Team ist aber Alfred Böswald – der Mental-Coach. Er soll „Vertrauensperson für die Spieler“ (Kurz) sein. Kurz weiter: „Bei anderen sind noch mehr zugange. Auf der anderen Straßenseite zum Beispiel.“ Grüße an die Roten.
Der Plan
Einfach anfangen. Kurz und Sportdirektor Stefan Reuter üben sich, wie im Vorjahr, in Bescheidenheit. „Wir wollen einfach Freude machen“, sagt Kurz. Oben mitspielen, vom Aufstieg nicht reden, wehren würde man sich aber auch nicht dagegen. Es kann losgehen.
J.Schlosser, T.Klein