Interview

René Rast über DTM-Saison: "Es war viel emotionaler, als ich es erwartet hatte"

Mit dem Sieg in Hockenheim hat René Rast seine dritte Meisterschaft in der DTM geholt - das hat zu einem echten Gefühlschaos geführt. Im AZ-Interview spricht der Rennfahrer über eine bewegte Saison.
von  Johannes Schnabl
Rennfahrer René Rast holte 2020 den DTM-Titel. (Archivbild)
Rennfahrer René Rast holte 2020 den DTM-Titel. (Archivbild) © dpa

München - AZ-Interview mit René Rast: Der 34-jährige Rennpilot fährt seit 2016 in der DTM und holte dabei drei Mal die Meisterschaft. Seit diesem Sommer fährt er für Audi auch in der Formel E.

AZ: Herr Rast, herzlichen Glückwunsch noch von unserer Seite, am vergangenen Sonntag haben Sie Ihren dritten Titel in der DTM eingefahren, einen sicher sehr emotionalen Titel. Wie geht es Ihnen mittlerweile?
RENÉ RAST: Sehr, sehr gut. Wir haben zwar wegen der Corona-Beschränkungen nicht groß feiern können, aber ich bin gleich nach Hause zu meiner Familie und habe da noch auf den Erfolg angestoßen. Jetzt genieße ich einfach die Tage, lasse das Wochenende Revue passieren. Denn es stimmt, es war ein sehr emotionaler Titel. Viel emotionaler, als ich es erwartet hatte.

Beschreiben Sie uns doch mal die Emotionen, die da in Ihnen hochkamen.
Da kamen viele Dinge zusammen. Schauen Sie, vergangenes Jahr, als ich am Nürburgring meinen zweiten Titel gewonnen habe, war ich irgendwie nicht zufrieden mit mir. Ich habe das Rennen selbst nicht gewonnen und konnte mich nicht so recht freuen. Dieses Jahr war alles anders. Es war ein verdammt schweres Jahr. Zwischendurch habe ich den Titel schon abgeschrieben. Aber innerhalb von vier Wochen die ganze Saison zu drehen, Nico Müller (Marken-Kollege und Titelrivale, Anm. d. Red.) noch zu überholen und die Meisterschaft im letzten Rennen zu gewinnen - ist was ganz besonderes. Noch dazu bin ich nach dem Sieg am Sonntag der erfolgreichste Audi-Pilot der DTM-Geschichte und mit Klaus Ludwig zusammen der zweiterfolgreichste Fahrer überhaupt nach Bernd Schneider, was die Titel angeht.

Rast sieht sich noch nicht als DTM-Legende

Jetzt sind Sie quasi selbst eine DTM-Legende.
(lacht) Nein, so weit ist es noch nicht. Da bin ich gefühlt noch zu jung. Für mich sind Legenden immer ein wenig reifer und älter. In 15, 20 Jahren, wenn ich alt und grau bin, darf man mich gerne so nennen. Nein, Spaß beiseite: Ich fühle mich nicht als Legende, auch wenn ich laut Statistik mit einigen gleichgezogen bin.

Waren am Sonntag auch noch andere Gefühle dabei, Wehmut etwa?
Klar, es war ja das letzte Rennen mit den Class-One-Autos. Da geht schon eine Ära zu Ende. Es war also in jeder Hinsicht ein sehr emotionales Wochenende.

Ein enges Rennen, nicht nur in dieser Szene: René Rast (v., r.) setzt sich am Ende der Saison gegen Marken-Rivale Nico Müller (l.) durch.
Ein enges Rennen, nicht nur in dieser Szene: René Rast (v., r.) setzt sich am Ende der Saison gegen Marken-Rivale Nico Müller (l.) durch. © dpa

Das ganze Jahr dürfte nicht einfach gewesen sein. Erst Corona, dann die Bekanntgabe des Audi-Ausstiegs aus der DTM, die Ungewissheit über die Saison und die Zukunft der Rennserie. . .
Das waren wirklich ganz schwierige Zeiten. Als die Corona-Pandemie kam, wussten wir gar nicht, ob wir fahren können, wie viele Rennen es überhaupt werden. Dann der Audi-Ausstieg. Alles stand auf der Kippe. Ich wollte unbedingt nochmal mit dem Werksteam um Titel fahren - und vor Zuschauern starten. Das ist gelungen, auch wenn das mit den Fans nur bei ein paar Rennen geklappt hat. Leider war das beim Saisonfinale nicht der Fall, aber man muss wirklich sagen, dass da die Gesundheit und Sicherheit der Menschen vorgeht. Wir sind froh und dankbar, dass wir überhaupt fahren konnten.

Wie wichtig sind denn Fans überhaupt für einen Rennfahrer? Im Auto kommt die Atmosphäre ja kaum an.
Natürlich bekommt man es nicht so extrem mit, aber doch immer wieder. Ich kann mich zum Beispiel an das Saisonfinale 2018 erinnern, als in der letzten Kurve die Mitarbeiter von Audi saßen. Da sah man die ganzen roten Kappen, die Fahnen - und immer als ich in die Kurve rein bin, stand die Tribüne. Das bekommt man schon mit und es vermittelt einem ein super Gefühl. Ganz abgesehen davon fehlt einfach die Fannähe, die ganze Atmosphäre, die Autogrammstunden - obwohl damit auch die Termine weniger werden. (lacht) Aber wenn ich es mir aussuchen könnte, hätte ich die Fans in Zukunft gerne wieder dabei.

Apropos Zukunft: Wie geht es für Sie weiter? Sind Sie in der neuen DTM-Saison im GT3-Format wieder mit dabei?
Das steht noch nicht fest. Zur Zeit ist für mich nur die Formel E fixiert. Das ist mein Hauptprogramm. Wir müssen
abwarten, ob sich die Kalender beider Formate überschneiden. Wenn nicht, würde ich sehr gerne in beiden Rennserien fahren. Aber das mit der Planungssicherheit ist derzeit sowieso eine ganz andere Geschichte. Keiner weiß, wie lange Corona noch dauert, ob Rennen verschoben werden müssen und auf wann. Dann könnten sich wieder die Termine überschneiden. . . Ich glaube, zwei Serien in Corona-Zeiten zu kombinieren, wird sehr, sehr schwer.

Kann die neue DTM ohne die PS-starken Class-One-Autos überhaupt noch so gut werden wie bisher?
Die DTM beweist seit 20 Jahren - egal mit welchen Autos -, dass sie die Motorsport-Klasse Nummer eins in Europa ist. Gerade das neue Fünf-Säulen-Konzept, das nun präsentiert wurde, mit der DTM selbst, der DTM-Trophy für Talente, Esport, Classic und bald auch der DTM Electric ist schon sehr beeindruckend. Das hat alles Hand und Fuß und lässt auf eine langfristige Zukunft hoffen. Und GT3-Autos sind auch keine schlechten Autos. Das Gute dabei ist, dass es eine große Markenvielfalt gibt, weil viele Hersteller derartige Autos haben, von Ferrari über Audi - bis zu Aston Martin. Das ist doch auch das, was der Fan will: viele verschiedene Autos mit unterschiedlichem Sound. Da dürfen die Rundenzeiten dann auch ein wenig langsamer sein. Ich glaube, wenn die großen Namen der DTM-Fahrer dabei bleiben, dass dann auch der Fan begeistert sein wird.

Rast: Formel E eine der härtesten Meisterschaften

Und wie begeistert sind Sie selber mittlerweile von der Formel E? Im Frühjahr äußerten sie sich noch leicht skeptisch über die voll-elektrische Rennserie. Wie ist es nun, da sie dort schon ein paar Rennen gefahren sind?
Ich muss sagen, die Formel E ist eine der härtesten Meisterschaften, in der ich je gefahren bin. Mit vielen ehemaligen Formel-1-Fahrern ist das Level dort verdammt hoch, es gibt viele gute Teams und Hersteller. Die Konkurrenz ist brutal, klare Favoriten gibt es nicht. Und das Fahren mit den Formel-E-Autos ist auch sehr anspruchsvoll.

Was ist der Unterschied zum Rennen mit Verbrennungsmotoren?
Man muss tatsächlich zwei verschiedene Fahrstile an den Tag legen. Im Qualifying fahren wir mit voller Leistung, holen alles aus dem Auto raus, um die schnellste Runde zu fahren. Im Rennen geht es dagegen um Effizienz, manchmal rollt man nur noch, um so viel Energie wie möglich zu sparen. Da kommt es dann auf die Intelligenz an. Aber das ist es auch, was mir Spaß macht.

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