Reiten: "Schööön mit vielen Ös"
LONDON - Der königliche Nachwuchs sah gut aus. Die Prinzen William und Harry hatten Herzogin Kate in die Mitte genommen und strahlten auf der Tribüne im Greenwich Park um die Wette, nur ein paar Meter neben Camilla und Prinzessin Anne. Wegen deren Tochter waren sie alle da: Zara Philipps, Vielseitigkeitsreiterin und zurzeit an 14.Stelle der Thronfolge. Royals-Experte Rolf Seelmann-Eggebert meinte: „Das ist eine Familienangelegenheit.”
Die Queen, zurzeit auf Urlaub im schottischen Balmoral Castle, war aber sicher not amused, als ihr das Ergebnis der Mannschaftswertung hinterbracht wurde: Großbritannien zwei, Deutschland eins. Darauf erst mal einen Gin!
Die deutschen Vielseitigkeitsreiter haben in London die erste Goldmedaille für Team Germany gewonnen. Schon vor dem letzten Ritt im abschließenden Springen stand die Equipe als Sieger fest und wiederholte ihren Triumph von vor vier Jahren in China – bereits die vierte olympische Goldmedaille für deutsche Vielseitigkeitsreiter.
Mit seinem fehlerfreien Ritt auf Sam machte Welt- und Europameister Michael Jung an seinem 30. Geburtstag den Olympiasieg vorzeitig perfekt. Die neun Strafpunkte von Schlussreiterin Ingrid Klimke aus Münster mit Abraxxas fielen nicht mehr ins Gewicht. So siegten die Deutschen mit 133,70 Strafpunkten vor den Briten (138,20) und Neuseeland (148,50).
Außer Jung waren auch Sandra Auffarth (Ganderkesee) mit Opgun Louvo und Dirk Schrade (Sprockhövel) mit King Artus jeweils ohne Abwürfe geblieben. Bei Peter Thomsen (Lindewitt) mit Barny waren zwei Stangen gefallen. „Diese drei Nullfehlerritte waren super für uns”, sagte Bundestrainer Hans Melzer. Er hatte Jung vor dessen Ritt nicht gesagt, dass er schon die Goldmedaille sichern könnte. Deshalb wusste der Ausnahmereiter aus Horb zunächst auch nicht, was seine Glanzvorstellung bedeutete. „Ich musste erst noch einmal nachfragen”, verriet er, „das ist fantastisch. Die Anspannung war schon groß.” Und Kollege Schrade jubelte: „Das ist supergut. Das ist schön mit ganz vielen ööös.”
Die große Stärke der deutschen Vielseitigkeitsreiter ist der Zusammenhalt. Wie stark der ist, bewies nach dem Team-Gold Ingrid Klimke. Nach ihrem verpatzten Ritt im Springparcours verzichtete sie zugunsten von Schrade auf ihren Startplatz im Einzelwettbewerb (bei Redaktionsschluss dieser Asugabe noch nicht beendet). „Dirk hat noch ein reelle Chance auf eine weitere Nullrunde”, sagte die 44-Jährige, die schon 2008 dabei war. Dabei hatte Klimke, Tochter des sechsfachen Goldmedaillengewinners Reiner Klimke, nach Dressur und Geländeprüfung geführt und lag auch vor der Springrunde als Achte zwei Plätze vor ihrem Teamkollegen. Jung als Zweiter und Auffarth als Fünfte hatten noch gute Chancen auf Einzelmedaillen.
Zu den Besonderheiten des deutschen Teams gehört die Lockerheit. Nach jedem Wettkampf-Tag trafen sich Reiter und mitgereiste Angehörigen in einem Pub. Später am Abend gab es im Olympischen Dorf noch ein letztes Bier. „Der Teamchef hat irgendwo im Keller etwas versteckt und stellt dann ein Sixpack auf den Tisch”, verriet Klimke. „Mehr als eins für jeden gibt es aber nicht.” Nach der Goldmedaille nun vielleicht doch. tbc
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