Regina Halmich: "Das Frauenboxen bekommt endlich die Anerkennung, die es verdient"
AZ: Frau Halmich, in der Nacht auf Sonntag kommt es in New York im legendären Madison Square Garden zum größten Frauen-Boxkampf aller Zeiten. Die Superstars Katie Taylor und Amanda Serrano kämpfen um die Box-Krone. Mit welchen Emotionen verfolgen Sie, die ehemalige Box-Queen, dieses Mega-Event?
Regina Halmich: Mit ganz viel Freude, ein bisschen Stolz und auch Genugtuung, dass es endlich so weit ist. Erstmals in der 140-jährigen Historie des Madison Square Garden, der so voller Boxgeschichte steckt, wo Granden wie Muhammad Ali, Joe Frazier, aber auch Wladimir Klitschko einige ihrer legendären Fights ausgetragen haben, ist nun ein Frauen-Fight der Hauptkampf. Jetzt treffen die Besten der Besten aufeinander. Beide Boxerinnen sind Legenden und Aushängeschilder. Taylor war Olympiasiegerin, fünf Mal Weltmeisterin bei den Amateuren, sie ist Weltmeisterin bei den Profis. Und Serrano ist die einzige Kämpferin der Welt, die in sieben Gewichtsklassen Weltmeisterin geworden ist. Sieben! Das muss man sich erst mal vorstellen. Vollkommen zu Recht ist es der Hauptkampf und es ist auch völlig richtig, dass beide Kämpferinnen einen siebenstelligen Betrag als Börse erhalten. Auch da sind die Frauen endlich da angekommen, wo sie hingehören, und was bei den Männern schon lange, lange normal ist.

Regina Halmich - eine Wegbereiterin
Ein bisschen sind Sie mit Ihrer illustren Karriere ja auch eine Wegbereiterin dieser Entwicklung im Frauenboxen gewesen.
Ein kleines Bisschen. Man muss schon sagen, dass der Boxstall Universum mit seinem Chef Klaus-Peter Kohl als erste mit auf Frauenboxen gesetzt haben. Klar, da war auch noch keine hundertprozentige Überzeugung dabei, das war mehr ein Experiment. So, nach dem Motto, die kleine Regina kostet nicht viel. Aber trotzdem: Kohl hat mir die Chance gegeben, mich und meinen Sport einem breiten Publikum zu zeigen. Da hat man mit der Zeit gesehen, dass auch eine Frau, die Massen beim Boxen bewegt, dass sie Quote macht und Hallen füllen kann. So hat Kohl Pionierarbeit geleistet und ein klein bisschen hat meine Wenigkeit auch zu der Entwicklung beigetragen. Frauenboxen ist längst ein weltweites Phänomen - nur in Deutschland hat das noch keiner richtig realisiert.
Die großen Promoter setzen jetzt alle auf Frauenboxen.
Es wird ja gerade viel von Zeitenwende gesprochen, die gibt es auch im Boxen. Ein gewisser Generationenwechsel hat bei den Promotern eingesetzt. Die neuen jungen Promoter, wie Eddie Hearn, wie Oscar de la Hoya, Roy Jones jr. stehen voll zu und hinter Frauenboxen. Das Niveau ist auch großartig.
Trauerspiel in Deutschland
Nur nicht in Deutschland...
Das ist ein Trauerspiel. Nicht nur bei den Frauen, auch bei den Männern. Wer heute in Deutschland Boxen zum Beruf machen, wer damit Geld verdienen will, dem kann ich nur raten: Geh ins Ausland, klopf bei Eddie Hearn an. Es sagt ja schon alles, dass der WM-Kampf von Nina Meinke....
...dem Patenkind von Sven Ottke.
Dass so ein Fight in Deutschland nicht zu sehen ist, sagt alles. Dabei haben wir gute Kämpferinnen. Etwa Sophie Alisch. Box-Superstar Anthony Joshua hat sie gerade unter Vertrag genommen. Sie wird ihren Weg gehen, weil sie auch über den Tellerrand blickt. Aber sie wird ihren Weg nicht in Deutschland gehen können.
Bettelbriefe an die Promoter
Auch Sie mussten zu Ihrer Anfangszeit Bettelbriefe an die Promoter schreiben, damit Sie eine Chance bekamen.
Es war hart. Und ich bin froh, dass die Boxerinnen heute Gott sei dank nicht mehr die Dinge erleben müssen, die ich am Anfang erfahren habe. Auf der anderen Seite habe ich eben auch die goldene Zeit des Boxens in Deutschland miterlebt. Dieses Glück werden die Boxerinnen jetzt nicht haben.
Ein weiter Weg von der ehemaligen Ministrantin zur Boxerin, die in die Ruhmeshalle aufgenommen wird.
(lacht) Stimmt. Meine Eltern sind sehr gläubig, daher musste ich als Kind immer mit in die Kirche. Da habe ich mir gedacht: Wenn ich schon hinmuss, will ich zumindest irgendwas tun, dann werde ich Ministrantin, da kann ich immerhin die Klingel betätigen. Aber nach einem Dreivierteljahr hatte meine Mutter ein Einsehen. Sie meinte: Ich habe überhaupt keine innere Andacht, wenn du da vorne rumturnst - und das war es mit der Ministranten-Karriere. Dass ich in die Ruhmeshalle aufgenommen werde, ist für mich als Boxerin das Größte überhaupt. Speziell, wenn man eben sieht, wie alles angefangen hat.
Dumme Sprüche zum Karrierestart
Was waren die dümmsten Sprüche, die Sie sich zu Beginn anhören mussten?
Da gab es so viele, suchen Sie sich einen aus (lacht). Ich wurde so oft gefragt, ob ich mich auch im Leben dauernd prügle, das war selten dämlich. Oder ob ich keinen anständigen Beruf gelernt hätte. Auch ob man beim Boxen auf die Brüste schlägt, war eine dieser dummen Standardfragen. Es gab so vieles, was stupid und respektlos war. Ich selber konnte damit ganz gut umgehen, auch, wenn ich die Anfeindungen, nie recht verstanden habe, aber was mich wirklich geärgert hat, war, wenn meine Eltern mitreingezogen wurden. Wenn es so ungefähr hieß, was ist bei der in der Kindheit schief gelaufen, dass sie so geworden ist? Was haben die in der Erziehung falsch gemacht? Das kam ja nicht nur aus der Öffentlichkeit, sondern auch aus dem Freundeskreis. Das tat dann schon weh, wenn meine Eltern sowas mitmachen mussten.
Amanda Serrano vs. Katie Taylor
Zurück zum Kampf: Wer ist ihre Favoritin?
Taylor ist die bessere Technikerin. Die Frage ist, kann sie dem Druck, den Serrano ausüben wird, standhalten? Ich weiß, wie schwer es ist, eine Gegnerin, die dauernd nach vorne marschiert, einen ganzen Fight lang zu kontrollieren. Serrano wird genau das tun, fighten. Sie wird dauerschlagen und sie hat ein Pfund in der Faust. Sie wird nicht eine Sekunde vom Gaspedal gehen. Wenn geboxt wird, kann Taylor gewinnen, wenn es ein Fight wird, setzt sich Serrano durch. Aber egal wie, es wird ein Super-Kampf.

Und auch Sie geben ein Comeback - als Expertin bei DAZN.
Stimmt. Ich freue mich riesig. Boxen ist und bleibt meine Passion. Es ist ein Kampf, da muss man - anders als bei so manchem Fight früher in Deutschland - nichts schönreden. Das ist ein Kampf, auf den man als Box-Fan hinfiebert. Egal, ob Mann oder Frau.
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