Interview

Rebensburg: "Ich kannte meine Berge im Winter nicht"

Im Herbst hat Olympiasiegerin Viktoria Rebensburg ihre Rennlaufkarriere beendet, kommentiert nun für Eurosport und kommt jetzt endlich mal dazu, mit Tourenskiern die Gipfel ihrer Heimat zu erkunden.
von  Thomas Becker
Die 31-jährige Tegernseerin Viktoria Rebensburg gewann Olympia-Gold, zwei Mal WM-Silber und 19 Weltcup-Rennen.
Die 31-jährige Tegernseerin Viktoria Rebensburg gewann Olympia-Gold, zwei Mal WM-Silber und 19 Weltcup-Rennen. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa/Archivbild

AZ: Frau Rebensburg, am Wochenende stehen in Garmisch-Partenkirchen zwei Super-G an. Die Abfahrt muss wetterbedingt entfallen. In Ihrer 14-jährigen Weltcup-Karriere haben Sie dort nur zwei Abfahrten bestritten. Wie kommt's?
VIKTORIA REBENSBURG: In Garmisch hab' ich ab und zu die Abfahrt ausgelassen und den Fokus mehr auf den Super-G gelegt.

Rebensburg über ihren Sturz auf der Kandahar

Dabei ging's auf der Kandahar so gut los: zwei Mal Gold bei der Junioren-WM 2009. Das vergangene Jahr hielt dann ein ganz spezielles Wochenende bereit: erster Abfahrtssieg am Samstag, kapitaler Sturz am Sonntag. Welche Erinnerungen haben Sie an dieses Himmel-Hölle-Wochenende?
Durchaus positive. Trotz des Sturzes war das so ein energiegeladenes und emotionales Wochenende! Ich habe meine erste Abfahrt gewonnen und war im Super-G bei schweren Verhältnissen sehr gut unterwegs gewesen, bin dann leider ausgeschieden. Bei dem Sturz habe ich mich zum Glück nicht ganz so schwer verletzt.

Na ja, die Knieverletzung bedeutete das Saison-Aus. Und die Fahrt auf der Kandahar war die letzte Ihrer Weltcup-Karriere.
Aber es waren nur sieben Wochen Pause - im Vergleich zu sieben Monaten, die man bei anderen Verletzungen und Stürzen bei dem Tempo erleiden kann. Das hielt sich schon in Grenzen.

Poppen dieser spezielle Sieg und dieser Sturz immer mal wieder auf bei Ihnen?
Nicht so häufig. Aber jetzt wo es Richtung Garmisch-Wochenende geht, werde ich wieder daran erinnert und denke öfter daran, was da alles passiert ist.

Zeit nach aktiver Karriere im Wintersport

Am 1. September vergangenen Jahres haben Sie Ihre aktive Karriere beendet. Wie ging's Ihnen danach?
Ich war einfach erleichtert und befreit. Man trägt das ja mit sich herum - und muss es dann auch allen Beteiligten erklären: Verband, Sponsoren, Team, Familie, Freunden. Da sind so viele Leute, die mich auf meinem Weg begleitet haben, die ich persönlich darüber informieren wollte. Das war der eine Tag: alle anrufen. Und am nächsten Tag es dann öffentlich machen. Das waren anstrengende Tage. Wenn man sein Leben nach dem Skisport richtet und seit man drei Jahre ist, sozusagen nichts anderes kennt, dann ist es unglaublich schwer, das Kapitel zu beenden. Ich bin froh, dass ich das nicht nochmal miterleben muss. Einmal hat mir gereicht. Aber es gehört halt zum Leistungssport dazu.

Wie fühlt sich das Leben danach nun an? Endlich ausschlafen statt um vier aufzustehen, um zeitig auf dem Gletscher zu sein? Mussten Sie Ihren Biorhythmus umstellen?
Das frühe Aufstehen empfand ich nur im Sommer als mühsam, da ich da auch später ins Bett bin. Aber klar: Mein Leben ist jetzt definitiv um ein Vielfaches stressfreier. Ich hab' endlich mal Zeit, den Winter daheim zu genießen und ihn in all seinen Facetten in meiner Heimat kennenzulernen. Meistens hab' ich den Winter in vielen anderen Orten gesehen, nur punktuell mal daheim, aber so auf Dauer. . . Es ist jedenfalls wahnsinnig schön, dass es so viel geschneit hat und ich Skitouren machen kann. Ich kenne meine Berge im Winter gar nicht! Mehr als drei Skitouren bin ich zwischen den Rennen nie gegangen - da probiert man nichts aus, sondern geht das, was man kennt.

Rebensburg: "Aktuell genieße ich den Winter"

Eine große Leere ist also nicht über Sie gekommen?
Nein, weil ich viele Projekte und Ideen im Kopf habe. Klar gibt es Phasen, in denen man sich selber erst mal finden muss in der neuen Rolle. Das ist ja auch wichtig, sich intensiv Gedanken zu machen, welches die Ziele im neuen Lebensabschnitt sind. Das ist ein Prozess und passiert nicht von jetzt auf gleich. Es ist schön, wenn ich mir jetzt viele Dinge anschauen kann, um zu entscheiden, in welche Richtung es künftig geht. Das Problem daran ist derzeit Corona. Das bremst vieles. Aber ich gebe mein Bestes, um mir Einblicke zu verschaffen. Aktuell genieße ich auch den Winter und freue mich, dass ich die Zeit und die Ruhe habe, draußen sein zu können. Das wird nicht immer so sein.

Waren Sie schon mal beim Heli-Skiing?
Nein, noch nie. Ich würde das liebend gern einmal versuchen. Es soll ja ein richtig cooles Erlebnis sein.

"Ich hätte nichts dagegen, mal wieder durch einen Riesenslalom zu fahren"

Das ist es in der Tat. Haben Sie noch Kontakt zu Ex-Kolleginnen aus dem Weltcup?
Ja, gerade zur deutschen Speed-Mannschaft, insbesondere zu Kira Weidle. Da bekomme ich einiges mit von den Mädels. Aber auch international gibt es Freundschaften.

Wie sehr vermissen Sie den Rennlauf? Kitzelt das nicht, wenn Sie für Eurosport kommentieren, so wie vergangenes Wochenende am Kronplatz, wo Sie 2018 noch gewonnen haben?
Ich hätte nichts dagegen, mal wieder durch einen Riesenslalom zu fahren. Durch einen schönen Riesenslalom, wo die Piste passt. Das würde sicher Spaß machen. Aber bis jetzt war es bei keinem Rennen so, dass ich mir gedacht habe: ‚Boah, da würde ich jetzt so gerne runterfahren! Warum sitze ich vorm Bildschirm, um das zu kommentieren?' Das war zum Glück noch nie der Fall, und das zeigt mir, dass es die richtige Entscheidung war. Ich weiß einfach zu gut, was alles dazugehört, dass man sich nicht einfach mal draufstellt und runterfährt, sondern dass da unglaublich viel Vorbereitung drinsteckt. Deswegen ist es gut so, wie es ist. Ich bin nach wie vor ein Riesen-Fan dieses Sports - eigentlich fast noch mehr, weil ich das Ganze jetzt aus einem anderen Blickwinkel betrachte. Schön, dass es jetzt so ist, weil ich auch nicht wusste, wie sich das anfühlen würde.

Chancen des DSV-Teams in Garmisch und in Cortina

Haben Sie noch Rennskier im Keller?
Ich hab' schon noch welche da, aber nicht mehr das Modell, das ich zuletzt gefahren bin. Da muss ich mal mit Stöckli reden, dass ich ein Paar davon im Keller hab'. So schlecht sind die ja nicht gegangen.

Ein Blick auf das DSV-Rumpfteam: Was trauen Sie Kira Weidle in Garmisch und bei der WM in Cortina zu?
Kira hat nach dem Trainingssturz in Val d'Isère noch immer mit ein paar körperlichen Wehwehchen zu kämpfen, obwohl sie sich dort beim zweiten Rennen mit Platz 5 sensationell zurückgemeldet hat. Auch in Crans-Montana hat sie im ersten Rennen eine gute Leistung gezeigt, zumal sie die Strecke eigentlich gar nicht so mag. Ich bin gespannt, welche Leistung sie in Garmisch zeigen wird. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, dass sie noch nicht aufs Podest gefahren ist. Dann sind die Erwartungen auf eine Medaille in Cortina nicht gleich so überzogen. Im Riesenslalom konnte sich bislang nur Andrea Filser einmal für den zweiten Durchgang qualifizieren. Da sieht es im Slalom zwar etwas besser aus, aber es wäre vermessen, in den beiden Disziplinen eine Medaille zu erwarten.

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