Ratlos auf der Radltour

Nach dem 0:3 gegen den SC Freiburg: 1860-Vize-Präsident Karsten Wettberg stellt fest, dass die Löwen endgültig ihren Kredit verspielt haben.
MÜNCHEN Bestimmt hat sich Cheftrainer Marco Kurz etwas dabei gedacht, als er seine 0:3-Verlierer am Tag nach dem Zweitliga-Spiel gegen den SC Freiburg nicht auf den Platz geschickt hat, sondern an die Isar. Auf den neuen Mountainbikes, die die Löwen neulich von einem Sponsor bekommen haben. „Das kommt gut an bei uns“, sagt 1860-Torjäger Berkant Göktan, „das ist eine andere Art von Belastung, mir macht das Spaß.“
Ihren Fans haben die Löwen zuletzt nur noch selten Spaß gemacht. Immerhin, dass die Mannschaft auf Radltour geht, statt Fußball zu üben, hat am Samstag bei einigen Gästen an der Grünwalder Straße Schmunzeln hervorgerufen. Die Traditions-Löwen um Ex-Torjäger Bernhard Winkler, die ihre Saisoneröffnung mit einem Weißwurst-Frühstück im Löwen-Stüberl feierten, registrierten die besondere Trainingseinheit zum Teil belustigt, zum Teil verwundert.
Freilich würde es die Altstars Freude, wenn Kurz die Löwen wieder flott bekommt. Notfalls eben auch mit Radlfahren. Tatsächlich wirkten die Profis zuletzt auf dem Rasen kraftlos, ideenlos und konzeptlos. Und der 38-jährige Trainer vermittelte mitunter einen ratlosen Eindruck. „Wir wissen, dass unsere Qualität größer ist, als wir im Moment zeigen“, hat Marco Kurz gesagt. Wie sie ihren Ansprüchen wieder gerecht werden können, haben die Löwen nicht gezeigt.
Die weiß-blaue Bilanz 2008 ist schauderhaft. Mit nur elf Punkten aus 14 Spielen ist 1860 mit Abstand die schlechteste Zweitliga-Mannschaft des Jahres. „Wir haben den Kredit, den wir uns in der Vorrunde aufgebaut haben, zerstört. Das ist keine Polemik, sondern eine reine Feststellung“, sagte Vize-Präsident Karsten Wettberg der AZ: „Im Fußball zählen halt mal in erster Linie Ergebnisse.“
Und die Ergebnisse stimmen beim Zweitliga-Zehnten seit Monaten nicht mehr: Nur ganze zwei Siege gab es im Kalenderjahr 2008, darunter der glückliche Last-Minute-Erfolg in Lautern (2:1). Die Offensivabteilung um Göktan, di Salvo & Co. schwächelt: Mit nur zehn Rückrunden-Toren steht 1860 auch hier auf dem letzten Platz. Womöglich müssen die Löwen am Dienstag in Paderborn (18 Uhr, Premiere live) auch noch auf ihren effektivsten Angreifer verzichten. Berkant Göktan (neun Saisontreffer) macht ein Ödem am rechten Spann zu schaffen. „Das sind unglaubliche Schmerzen“, sagt Göktan, „aber wenn’s irgendwie geht, dann will ich spielen.“
Karsten Wettberg, der 1860-Vize, bekommt die Enttäuschung der Anhänger in diesen Tagen besonders zu spüren: „Die Fans haben Angst um 1860. Ich bekomme E-Mails, Anrufe oder werde im Stadion angesprochen, dass es so nicht weitergehen kann, dass wir Verstärkungen brauchen.“
Dem Trainer gibt Wettberg allerdings die geringste Schuld für die sportliche Entwicklung. „Der Marco Kurz“, sagt der Vize-Boss, „der ist doch der ärmste Hund. Ich kann von ihm nicht Dinge verlangen, die mit diesem Kader nicht möglich sind.“ Wettberg weiter: „Ich kann einen Trainer erst messen, wenn er einen entsprechenden Kader zur Verfügung hat, und der ist im Moment einfach nicht gegeben.“
Es dürfte ein trauriger Saisonausklang werden. Oliver Griss