Raphael Holzdeppe: Hallodri, Wunderkind, Weltmeister

Der Münchner Stabhochspringer Raphael Holzdeppe feiert seinen WM-Triumph. „Seine Zukunft sieht rosig aus, er kann einige Titel holen”
von  Matthias Kerber

MOSKAU Wer sich zum Besten der Welt gekürt hat, wer den Sport-Olymp ersprungen ist, der muss auch feiern können. So avancierte Stabhochsprung-Weltmeister Raphael Holzdeppe an der Bar seines Hotels in Moskau zum Feierbiest. Feucht, fröhlich, weltmeisterlich ging es zu. „Wir sind versackt”, sagte der 23-Jährige, „ich habe das erste Mal um fünf Uhr früh auf die Uhr geschaut. Da sind wir aber noch nicht gegangen.”

Historische Triumphe – Holzdeppe ist der erste deutsche Stabhochsprung-Weltmeister überhaupt – müssen entsprechend begangen werden. Die Feier war lang, die Nacht kurz für den 23-Jährigen, der seit einem Jahr in München lebt und in der Gruppe des Erfolgscoaches Chauncey Johnson trainiert. Auch bei seinem Heimatverein in Zweibrücken wurde der- 5,89-Meter-Goldsatz ausgiebig gefeiert. „Wir haben einen Autokorso durch die Stadt organisiert”, sagte der Vereinsvorsitzende Bernhard Brenner. „Ich kenne Raphael seit er mit der Leichtathletik angefangen hat, da war er so neun. Es war schnell klar, dass er was Besonderes leisten kann.”

Sogar was Weltmeisterliches. „Das war großartig, ich habe Raphi gleich eine SMS geschickt und gratuliert”, sagte das frühere Stabhochsprung-Ass Danny Ecker, der zusammen mit Tim Lobinger der einzige Deutsche ist, der je die sechs Meter überquerte, der AZ. „Seine Zukunft sieht rosig aus. Er kann einige Titel holen. Ich weiß nicht, wo er diese mentale Härte hernimmt. Wenn man Raphi so sieht, wirkt er klein, schüchtern. Er sagt nicht viel, wirkt fast abwesend. Aber nur bis zum Wettkampf. Dann wandelt er sich.”

Schon früh galt Holzdeppe als Wunderkind. Er stellte den Junioren-Weltrekord ein, war 2008 Junioren-Weltmeister, sprang als Schüler bei Olympia in Peking auf Platz acht, machte nebenbei das Abitur (schriftliche Prüfungen in Sport, Englisch und Physik).

Doch danach fehlten die Erfolge, Holzdeppe galt als kleiner Hallodri, der das Leben noch mehr genoss als den Sport. „Irgendwann habe ich festgestellt, dass es nicht gut für mich ist, drei Mal die Woche feiern zu gehen”, gesteht Holzdeppe. Erst mit dem Wechsel nach München zu Johnson kam der Erfolg zurück. 2012 bei der EM und bei Olympia in London holte er je Bronze – und jetzt WM-Gold.

München als Karrieresprung. „Ich fühle mich hier sehr wohl. Ich bin ein chilliger Typ, der gerne mal eine Pizza bestellt, der mit Freunde im Englischen Garten abhängt”, sagt Holzdeppe und redet dabei sehr langsam. „Meine Lehrer waren erstaunt, dass ich so schnell laufen kann. Ich gehe langsam, rede langsam, sitze lieber, als dass ich gehe.”

Geschwindigkeit kennt der Single nur bei zwei Dingen, auf der Autobahn („ich fahre gerne schnell”) und beim Anlauf zum Sprung. „Da kommt keiner in der Welt ran”, sagt Ecker, „aber es sieht komisch aus, Mit seinen krummen Beinen sieht es so aus, als gebe es gleich einen Unfall. Aber er macht das, zieht sein Ding durch, ist ein Sturkopf, wenn er will.” Ein Sturkopf, der seine Meinung sagt. Dass er dem Dauerkonkurrenten Renaud Lavillenie die Goldene weggeschnappt hat, sieht er als „Genugtuung”. „Er ist schon arrogant und musste sich überwinden, mir zu gratulieren. Man merkt schon, dass er denkt, dass er viel besser ist als alle anderen. Hoffentlich setzt sich jetzt in seinem Kopf fest, dass er schlagbar ist.”

Wortkarg wird er nur, wenn es um seine Herkunft geht. Der dunkelhäutige Athlet wurde im Alter von zweieinhalb Monaten von einem deutschen Ehepaar in Kaiserslautern adoptiert. „Ich weiß nicht, wer meine leiblichen Eltern sind, aber ich will darüber nicht weiter sprechen. Für mich hat das nie eine Rolle gespielt.”

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