Ramona Hofmeister: "Ich habe das Glück, im Paradies zu leben"

AZ-Interview mit Ramona Hofmeister: Die 26-Jährige aus Bischofswiesen im Berchtesgadener Land ist aktuell Deutschlands erfolgreichste Snowboarderin.
AZ: Frau Hofmeister, die meisten Lifte in Deutschland haben längst geschlossen: Fehlt Ihnen schon etwas, oder ist es der aktuell weltbesten Snowboarderin auch mal ganz recht, wenn Sie keinen Schnee unterm Brett hat?
RAMONA HOFMEISTER: (lacht) Nach so einer langen Saison bin ich nicht böse, wenn ich mein Brett eine Zeit lang in die Ecke stellen kann. Außerdem bin ich jetzt ja wieder bei der bayerischen Polizei im Dienst. Ich gehöre dort zur sogenannten Spitzensportgruppe und da ist es üblich, dass man nach der Saison eine Hospitation auf einer Dienststelle macht. Da bin ich also ganz gut aufgehoben.
Was sind dort Ihre Aufgaben?
Ich mache hier auf der Heimatdienststelle eigentlich ganz normalen Streifendienst.
Wer in Bad Reichenhall in den nächsten Wochen falsch parkt, könnte also ein Autogramm von Ramona Hofmeister bekommen?
(lacht) Ja, theoretisch schon. Danach hospitiere ich aber noch für drei Wochen bei der Kriminalpolizei in Traunstein.
"Yoga hilft mir, mich zu fokussieren"
Klingt spannend. Mal abgesehen von der Verbrecherjagd - was machen Sie eigentlich, um von dem Wettkampfstress und der andauernden Anspannung während der Saison abzuschalten?
Vor allem Yoga, weil es mir sehr hilft, mich zu fokussieren. Außerdem stricke ich und spiele Klavier - und, na ja, ich backe!
Ein Guglhupf zur Entspannung?
Ja, so in der Art. Ich erzähle immer gerne die Geschichte, als ich 2018 nach Pyeongchang zu meinen ersten Olympischen Spielen geflogen bin. Da wurden unsere Koffer von der Team-Einkleidung ja direkt hingeschickt. Zwei Wochen danach sind wir dann selbst hingereist und ich wusste gar nicht, was ich noch einpacken soll und was jetzt schon in den Koffern drin ist. Da war ich so überfordert, dass ich erstmal alles beiseitegelegt und etwas gebacken habe. (lacht)
Was gab's denn?
Eine Schokoladentorte mit Himbeeren.
Das klingt schon deutlich anspruchsvoller als ein schnöder Guglhupf. . .
Den gibt's bei mir aber auch gerne mal. Ich probiere schon gerne Neues aus, aber ich liebe auch traditionelle Rezepte, solche, die ich von meiner Familie vererbt bekommen habe - besonders, weil ich ja beim Kochen und Backen bevorzugt regionale Produkte verwende. Bei mir muss es schon Gemüse aus dem eigenen Hochbeet, Wasser von Alpenquellen oder Berchtesgadener Bauernbutter vom heimischen Milchwerk sein.
"Stricken hat bei uns eine lange Familientradition"
Und neben dem Kochen und Backen wird noch kräftig gestrickt?
Ja, Stricken hat bei uns eine lange Familientradition, ich habe es auch von Großmutter und Mutter gelernt. Stricken ist für mich die pure Entspannung. Vor allem bei Weltcups und Reisen. Zwei Nadeln und ein Knäuel - mehr braucht es nicht.

Socken, Mützen, Schals: Was stricken Sie denn so?
Eigentlich alles - ich liebe es, individuelle Sachen zu machen, wie einen eleganten Cardigan oder eine gemütliche Strickjacke - Mützen und Schals sind ein Standardprogramm für ein fesches Outfit, wenn ich mal auf den Pisten ohne Training unterwegs bin. Auf diesem Weg helfe ich auch jedes Jahr einem Projekt der Samariter "Weihnachten im Schuhkarton", das ich mit meinen selbst gestrickten Sachen unterstütze.
Und am liebsten stricken Sie mit heimischer Wolle?
Bevorzugt nehme ich hochwertige Garne, mit denen man eben auch etwas Anspruchsvolles entwickeln kann.
Apropos anspruchsvoll: Sie sind frischgebackene dreifache Gesamtweltcup-Siegerin, das hat vor Ihnen noch keine deutsche Wintersportlerin geschafft. Aber - um im Bild zu bleiben - die Kirsche auf der Torte fehlt Ihnen noch. . .
(lacht) Sie meinen eine Goldmedaille bei Olympia?
"Der Lebenstraum ist natürlich der Olympiasieg"
Sie sind ja heuer als große Favoritin zu den Spielen nach Peking gereist, dann aber früh gescheitert. Wurmt Sie das noch?
Nein, denn ich hatte ja das Glück, schon 2018 eine Medaille (Bronze, Anm. d. Red.) zu gewinnen. In Peking war es nicht mein Tag - es ist immer schwierig, wenn man nur diese eine Chance hat. Wir Snowboarder haben im Parallel-Riesenslalom ja nicht wie andere Wintersportler noch einen zweiten Wettkampftag, sondern bei uns geht es dann erst in vier Jahren wieder weiter.
Das wären dann die Spiele 2026 in Mailand und Cortina d'Ampezzo, werden Sie dort wieder an den Start gehen?
Auf jeden Fall! Ich möchte auch zum vierten Mal hintereinander den Gesamtweltcup nach Berchtesgaden holen. Aber der Lebenstraum ist natürlich der Olympiasieg.
Haben Sie es eigentlich nie mit zwei Brettern probiert?
Doch, schon. Es gibt sogar Fotos von mir beim Skikurs. Aber meine beiden älteren Schwester sind beide Snowboard gefahren, deswegen wollte ich auch so früh damit starten und dann bin ich das erste Mal mit viereinhalb auf dem Snowboard gestanden.
Wenn Sie in Ihrer Freizeit mal nicht gerade stricken, backen oder Klavier spielen, fahren Sie im Berchtesgadener Land mit dem Mountainbike die Berge runter. Ohne ein bisserl Action geht's bei Ihnen offenbar nicht, oder?
Ach, das beschränkt sich nicht nur auf Mountainbiking. Ich habe das Glück, im Paradies zu leben. Es gibt ja dieses berühmte Ganghofer -Zitat: "Wen Gott liebhat, lässt er fallen in dieses Land" - ich fühle das so. Das Berchtesgadener Land bietet unter dem Watzmann-Massiv eben eine unvergleichliche Alpenlandschaft für Wanderer, Kletterer und Mountainbiker.