Radprofi Emanuel Buchmanns letzte Chance

Seine Auftritte bei der Tour de France vor drei Jahren machten Lust auf mehr – mittlerweile aber steht der deutsche Radprofi vom Bora-Team am Scheideweg. Sein Chef Aldag sagt: "Wir glauben weiter an ihn".
Ruben Stark
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Volle Attacke für die große Schleife: Emanuel Buchmann.
Volle Attacke für die große Schleife: Emanuel Buchmann. © IMAGO/BEAUTIFUL SPORTS/Nagel (www.imago-images.de)

Die enthusiastischen Anhänger standen dicht an dicht, es blieb nur ein schmales Spalier für die besten Kletterer der Szene inmitten eines Orkans aus Lärm, Schweiß und Adrenalin. Rad an Rad, sich belauernd, Meter um Meter näher am Ziel, am Limit. Der Gipfel des mythischen Col du Tourmalet war nicht mehr weit entfernt an diesem traumhaften Sommertag. Einer der entscheidenden Abschnitte bei der Tour de France 2019, die Belastung maximal.

Und plötzlich löste sich Emanuel Buchmann aus dem Windschatten der Konkurrenten, sprintete an die Spitze, ging ins Risiko und versetzte die Fachwelt in Staunen. "Es hilft, sich bewusst zu machen, wie gut man schon einmal war", erinnert sich Buchmann jetzt im Winter-Trainingslager auf Mallorca an seinen vielleicht strahlendsten Moment auf dem Rad.

Ganz knapp am Traum vorbei, und am Podest

Der Ravensburger hatte an diesem 20. Juli die versammelte Elite an ihre Leistungsgrenze geführt, er distanzierte den Titelverteidiger Geraint Thomas, er zeigte so viel Mut und Klasse wie vielleicht nie zuvor in seiner Karriere - auch wenn er die Pyrenäen-Etappe nicht gewann.

Gesamtvierter war Buchmann schließlich am Ende der 106. Ausgabe des größten Radrennens der Welt, nur 25 Sekunden trennten ihn in Paris vom Podium, nicht einmal zwei Minuten von Triumphator Egan Bernal. Die drei Wochen bei der Tour 2019 waren das Erweckungserlebnis seiner Laufbahn, das beste deutsche Ergebnis seit der vom Doping überschatteten Ära von Jan Ullrich und Andreas Klöden - und vor allem in den letzten Tagen fieberten Millionen in Deutschland mit.

Es hätte zugleich der Ausgangspunkt des Aufstiegs einer neuen Tour-Hoffnung sein können: des stillen, bedächtigen und den öffentlichen Rummel eher scheuenden Kletterkünstlers Emanuel Buchmann, den die Tage im Rampenlicht aber damals durchaus auch selbstsicherer werden ließen.

Am Scheideweg

Es kam anders. Im Winter 2022 steht Buchmann - inzwischen 30 Jahre alt - am Scheideweg seiner Karriere. Die Träume vom Podium bei einer dreiwöchigen Landesrundfahrt haben sich bisher nicht erfüllt, neue Konkurrenten sind erwachsen - im eigenen Team Bora-hansgrohe wie auch insgesamt. Dazu könnten der dänische Tour-Champion Jonas Vingegaard und sein slowenischer Rivale Tadej Pogacar auch 2023 übermächtig für den Rest sein.

Und Buchmann? Der will zur nächsten Frankreich-Rundfahrt, deren Profil ihm liegt, die nur ein und dazu eher bergiges Einzelzeitfahren enthält. Der Oberschwabe will es noch einmal wissen, es soll das Jahr werden, in dem er sich zurückmeldet. "Das Jahr wird sehr wichtig und es wäre nicht das erste Mal, dass einer mit 30 auf dem Podium steht", sagt er.

Ansage fürs neue Jahr: "Ich komme wieder"

Aber dafür muss sich einiges ändern. Buchmann braucht mindestens die Form von damals, er braucht wieder viel Mut und er braucht das Glück, das ihn seither fast durchweg verlassen hat. Stürze, Krankheiten, Stürze, Krankheiten, der deutsche Meister von 2015 wurde häufig ausgebremst. "Ich hatte die letzten drei Jahre ganz schön viel Pech", findet Buchmann und gibt zu, dass er manchmal hadert. Die letzten drei Jahre haben ihm auch mental viel abverlangt. "Es war schon frustrierend und ein bisschen zum Verzweifeln."

Aber es war auch nicht alles schlecht. Es reichte etwa im Mai 2022 zu einem sehr guten siebten Rang beim Giro d'Italia, den sein Teamkollege Jai Hindley aus Australien gewann. Zu viel mehr jedoch nicht. Immer wieder standen "DNF" (did not finish) oder ein unbefriedigendes Resultat in den Ranglisten oder auch mal "DNS" (did not start), wenn so wie bei der Vuelta in diesem Jahr eine Erkrankung die Pläne durchkreuzte.

Erfolgsplan führt steil bergauf

Sein neuer Plan zurück zum Erfolg ist weitgehend klar, Ende Februar startet Buchmann bei der UAE-Tour in die Saison, danach folgt auf Teneriffa das erste Höhentrainingslager, danach die Baskenland-Rundfahrt, dann wieder Training in dünner Luft, dann das Criterium du Dauphiné, dann nochmal Höhenluft und dann in Bestform die Tour. Wenn alles ideal läuft. "Ich will mich richtig gut vorbereiten", sagt er, "wenn mir das gelingt, bin ich optimistisch."

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Dennoch wird Bora nicht alles auf die Karte Buchmann setzen, dafür hat er nicht genug gezeigt zuletzt. Sportchef Rolf Aldag sagt aber auch: "Er wird seine Chancen bekommen und wir glauben weiter an ihn." Damit im Juli ein neues Tour-Märchen gelingt, obwohl der Tourmalet diesmal fehlt.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.