Pusten wie John Wayne

Zu Besuch in den Royal Artillery Barracks im Osten Londons bei den Skeetschützen. Es kracht und raucht am Himmel, doch Debütant Ralf Buchheim verpasst das Finale – wegen vier Fehlschüssen.
Oliver Trust |
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Tontaubenschütze Ralf Buchheim.
AP Tontaubenschütze Ralf Buchheim.

London - Olympia ist nicht immer schön. In dem Moment ist es grausam. Für Ralf Buchheim jedenfalls. Sein Gewehr hängt aufgeklappt über seiner Schulter, seine Lippen beginnen zu zittern und die Tränen laufen seine Wangen herunter. Es ist der Moment, in dem klar ist: Er wird das Finale der Skeet- oder Wurfscheibenschützen verpassen, obwohl er eben jede dieser orangefarbenen Scheiben getroffen hat, die dann platzen und eine kleine Rauchfahne am Himmel hinterlassen, damit auch die Zuschauer sehen, wenn einer getroffen hat. „Ich werde mir heute Nachmittag das Finale anschauen”, sagt er und sucht Trost in den Armen seiner Freundin Katja Dieckow, einer Wasserspringerin.

Es ist still. Ungewöhnlich still für eine Schießanlage wie die an den Royal Artillery Barracks. Sie liegen weit im Osten Londons, als habe man sie versteckt. Jeder, der sich vor zu den Schießplätzen wagt, bekommt Ohrstöpsel in die Hand gedrückt.

Dabei ist Schießen nicht unbedingt unpopulär im Vereinigten Königreich. Die britischen Soldaten, die hier Dienst tun, nutzen jede Pause, um selbst auf der Tribüne zu sitzen und zu schauen. Die britische Regierung hat eine 50-Cent-Münze auflegen lassen, auf der ein Skeetschütze zu sehen ist. Militär hat Tradition, die Sportschützen sind willkommene Gäste. „Oh, schau dir die an”, sagt ein Soldat am Checkpoint, „hab’ ich noch nie gesehen, großartig.”

Skeet hat was von Freiheit und Abenteuer und ist für viele die einzig wahre Disziplin. Keine Halle, kein Dach, es wird draußen geschossen – bei Wind und Wetter, das kann zum Problem werden. In London auf alle Fälle. Es weht zwar kaum Wind, aber es regnet. Am Himmel stehen dicke Wolken. Das Licht wechselt.

Für die Schützen ein Graus. Leicht in die Knie gegangen stehen sie da, als hätten sie auf der Pirsch ein Geräusch aus einem Busch gehört. Statt des Hasen rast eine Wurfscheibe aus einem kastenartigen Häuschen. Mal eine, mal zwei, die dann von verschiedenen Seiten. Es sind Sekundenbruchteile, die dazwischen liegen. Um die 70 Stundenkilometer haben sie drauf. Rechts, links. Bumm, bumm. Es kracht und raucht am Himmel. Der Signalrauch, wenn es gut geht.

Bei Olympia-Debütant Buchheim war es am Vortag nicht gut gegangen. Der Mann von der SGI Frankfurt/Oder hatte sich vier Fehlschüsse geleistet. Ideal ist bei Skeetschießen eine natürliche Umgebung. Weil das nicht immer geht und keiner beim Einkaufen rund um die weitläufigen Artillery Barracks eine böse Überraschung erleben soll, gibt es ein Schutznetz. Im Halbkreis zwischen den beiden Häuschen, aus denen Wurfscheiben kommen, wird von verschiedenen Positionen geschossen. Einer nach dem anderen. Wie an der Supermarkt-Kasse stehen die Schützen hintereinander.

In der Rotte von Buchheim ist Weltmeister Georgios Achilleos. In seiner Heimat Zypern gibt es jede Menge Platz zum Skeet-Schießen. Sonst sind Skandinavier, US-Amerikaner, Australier und Araber Skeet-Fans. In London aber machen auch sie mehr Fehler. Das Licht. Fehler verzeiht der Präzisionssport Skeet nicht. Oft reicht eine „Fahrkarte” – und das Finale ist verpasst.
„Up!”, ruft Buchheim und eine Wurfscheibe saust aus dem kleinen rechteckigen Loch der Holzwand. Der Deutsche duckt sich, legt an und schießt, wirft die leeren Patronenhülsen in einen Sack, klappt sein Gewehr auf und, tatsächlich, pustet den Pulver-Dampf aus dem Rohr – wie John Wayne im Western. Nur dass der beim letzten Shoot-Out nie gefehlt hat.

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