Post aus Wimbledon: Skandale auf der grünen Wiese

Skandal in Wimbledon - und ein Deutscher mittendrin! Der Oberschiedsrichter der All England Championships hat gegen Victor Hanescu zwei Geldstrafen in Höhe von 22 200 Euro verhängt - für unsportliches Verhalten in Tateinheit mit absichtlichem Verlieren.
Der Rumäne hatte das Match gegen Daniel Brands aus Deggendorf beim Stand von 0:3 im 4.Satz wegen „muskulärer Probleme“ aufgegeben. Kurz zuvor hatte er eine Verwarnung erhalten: Er soll Zuschauer beleidigt und in ihre Richtung gespuckt haben. Der französische WM-Rebell Nicolas Anelka läßt grüßen...
Hanescu hatte nach dem 3.Satz eine Behandlungspause genommen und den Wunsch geäußert, das Match wegen Dunkelheit abzubrechen. Das wurde abgelehnt. Brands gelang dann sofort ein Break und eine schnelle 2:0-Führung. Im anschließenden Aufschlagspiel unterliefen seinem Gegner zwei Doppelfehler durch Fußfehler. Einen dritten Doppelfehler provozierte er durch einen absichtlichen Fußfehler. Anschließend gab er die Partie nach dem 0:3 überraschend auf. Offenbar aber war der Sünder von deutschen Fans beleidigt worden und mußte sich den Satz: „Ich hoffe deine Mutter stirbt!“ anhören. Zinedine Zidane's italienischer WM-Provokateur Marco Materazzi läßt grüßen... „Sowas hab ich noch nicht erlebt“, sagte Daniel Brands, der die Nerven behielt, als sein Gegner sie verlor. Bis dahin hatte der 22-jährige Niederbayer übrigens schon vier Matchbälle abgewehrt. Gestern im Achtelfinale sah er sich nur einem Matchball gegenüber. Den hatte der Tscheche Tomas Berdych - und der verwandelte ihn zu seinem 4:6, 7:6 7:5 6:3 -Sieg.
Auch wenn in der „grünen Kathedrale des Tennis“ ja nur echte Ladies and Gentlemen erwartet werden, ist es im Laufe von 133 Jahren leider nicht immer zu vermeiden gewesen, dass sich auf der edlen Anlage auch Schwarzmarkthändler, Garderoben-Einbrecher und Nacktflitzer herumgetrieben haben und auf den Plätzen Psyche und Racket gelegentlich aus dem Takt kamen. Schlimmer noch als Victor Hanescu gebärdete sich ein Landsmann: Die Engländer haben Greg Rusedski, den in Kanada geborenen Briten, nie besonders gemocht. Aber nach seinem verbalen Ausrasten am 26.6.2003 auf dem Centre Court war er forever untendurch. Er pöbelte in einer derart obszönen Art, wie sie in Wimbledon noch nie öffentlich zu vernehmen war. Die BBC, die alles zur besten Sendezeit live übertragen hatte, bat noch am selben Abend die Nation offiziell um Verzeihung. Rusedskis Geldbuße war allerdings gegen die Bestrafung von Jeff Tarango nur ein Trinkgeld. Der US-Amerikaner hatte 1995 umgerechnet fast 50.000 Euro blechen müssen, weil er während des Spiels gegen den Kölner Alexander Mronz („Schwager“ von Guido Westerwelle) den französischen Star-Schiedsrichter Bruno Rebeuh als „korrupteste Sau“ im ganzen Tennis beschimpft hatte. Als Zugabe verpaßte Ehefrau Benedicte Tarango dem Unparteiischen noch eine schallende Backpfeife.
Es gibt auch einen Fall, wo die Liebe zum Gras eindeutig zu weit ging: Ein einheimischer Schiedsrichter mit dem typisch englischen Namen Roque Consuelo wurde von einer Sicherheitsbeamtin mit 5 Gramm Cannabis erwischt. Der Kiffer war verantwortlich für die korrekte Einstellung des „Hawk Eye“, der Kamera, die genau sieht, ob ein Ball im Aus gelandet ist oder nicht - ein Job also, der höchste Konzentration und Augenmaß erfordert. Tja, Mister Consuelo - Hasch-ta-luego!
Auch Tennis-Queen Martina Navratilova gehört in diese kleine „Chronique scandaleuse“. Als sie hier 1994 ihr letztes Einzel gegen Conchita Martinez verlor, wußte sie, daß das ihr letzter Auftritt auf dem Centre Court sein würde und rupfte zum Abschied ein Büschel Gras aus dem „Heiligen Rasen“. Für die Herren des Kommitees ist das ungefähr so schlimm, als wenn man auf den Platz pinkeln würde. Aber „Magic Martina“ hat man es verziehen. Wimbledon und sie gehören nun mal zusammen wie Erdbeeren mit Schlagsahne..
Und dann ist da ja auch noch der Skandal, zu dem es leider nicht gekommen ist und der auch nicht in Wimbledon stattgefunden hätte, sondern ein paar Meilen weiter in Wembley: Stefan Kuntz erzielte 1996 im EM-Halbfinale gegen England das 1:0 und spielte auch im Finale gegen Tschechien. Danach wäre er beinahe weltberühmt geworden - er hatte nämlich angekündigt, bei der Pokalübergabe englische Queen zu küssen. Das hatte er sich zusammen mit Mehmet Scholl ausgedacht. Und warum hat er es dann doch nicht getan? „Naja“, sagt er heute, „Man muß auch im richtigen Moment die Kuh im Dorf lassen.können...“
Gunther Beth