Post aus Wimbledon: Prinzessin der Herzen

Wie Sabine Lisicki AZ-Kolumnist Gunther Beth beeindruckte - und warum ihn der neue Star am deutschen Tennis-Himmel an Uwe Seeler und an Schalke erinnert.
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Gunther Beth
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Wie Sabine Lisicki AZ-Kolumnist Gunther Beth beeindruckte - und warum ihn der neue Star am deutschen Tennis-Himmel an Uwe Seeler und an Schalke erinnert.

Auf der Tennis-Anlage von Rot-Weiß Köln beim sogenannten „Jüngsten Cup“, den 1980 die 11jährige Steffi Graf gewann, stand vor 5 Jahren eine kesse Göre namens Sabine Lisicki im U14-Finale, verlor allerdings gegen die Russin Volha Havartsova, was ihren Ehrgeiz aber nur noch mehr anstachelte. Deswegen verliess sie ihren Heimatort Troisdorf, zog mit den Eltern nach Berlin und von dort nach Florida ins Tennis-Camp von Nick Bolletieri.

Nun stand sie im Viertelfinale von Wimbledon, verlor gegen die Russin Dinara Safina, was ihr aber enorme Sympathien eingebracht hat. Nach ihrer starken, aber unglücklichen Vorstellung (7:6, 4:6, 1:6) sagte sie in der Pressekonferenz über ihre vergebenen Chancen „Ich kam mir vor wie ein Weihnachtsmann, der Geschenke verteilt“. Und sie, das „gnadenlose Fräulein Bum Bum“, die selbsterklärte „baldige Nummer 1“ sagte das mit einem so leisen, kleinlauten Lächeln, das ich nicht vergessen werde.

Ich musste unwillkürlich an einen der bewegendsten, ehrlichsten Momente Wimbledons denken, den ich erlebt habe: Nach der Niederlage gegen Steffi Graf im Finale 1997 hatte die Tschechin Jana Novotna bei der Siegerehrung plötzlich ihren Kopf auf die Schulter der Herzogin von Kent gelegt und heulte hemmungslos Rotz und Wasser. Ihre Tränen hörten einfach nicht mehr auf und verwischten das gesamte Protokoll.

Selten konnte man so sehr nachempfinden, wie unglücklich sich jemand fühlt, dessen grosser Traum soeben zerplatzt war. Sie war im dritten Satz fast uneinholbar in Führung gewesen, hatte aber leider das Nervenkostüm eines Grashüpfers. Und in diesem Moment sah die an sich ja ziemlich herbe Novotna in ihrem Leid richtig schön aus.

So wie Uwe Seeler damals nach dem verlorenen Wembley-Finale 1966 gegen England - und die Spieler von Schalke 04 nach dem „Sekunden-Tod“ im Fernduell mit Bayern München. Menschlich gesehen sind Verlierer manchmal ergiebiger als Gewinner.

„Irgendwas bleibt“ heisst der neueste Hit von „Silbermond“ - und das was von Sabine Lisicki in Wimbledon 2009 bleibt, ist: Mit ihr haben wir nicht nur eine aufregend gute Tennisspielerin kennengelernt, sondern auch eine ganz liebenswerte Persönlichkeit. Und ich glaube, sie hat das Format, beides miteinander zu vereinen.

Gunther Beth, Schauspieler & Komödien-Autor (u.a. „Der Neurosen-Kavalier“, „Trau keinem über 60!“), lebt in München. Seit 2004 ist er Wimbledon-Kolumnist der AZ.

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