Post aus Wimbledon: Endstation Eiffelturm

Mit 37 ist Fabrice Santoro der älteste Tennis-Profi in Wimbledon. "Seit er hier zum erstenmal angetreten ist, hat er mit Thatcher, Blair und Major schon drei Premierminister überlebt und unzählige Gegner auf dem Platz - überwiegend deutscher Herkunft", schreibt Gunther Beth. Teil 6 seiner Kolumne.
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Ärgert vor allem die deutschen Profis: Fabrice Santoro.
AP 2 Ärgert vor allem die deutschen Profis: Fabrice Santoro.
Gunther Beth
az 2 Gunther Beth

Mit 37 ist Fabrice Santoro der älteste Tennis-Profi in Wimbledon. "Seit er hier zum erstenmal angetreten ist, hat er mit Thatcher, Blair und Major schon drei Premierminister überlebt und unzählige Gegner auf dem Platz - überwiegend deutscher Herkunft", schreibt Gunther Beth. Teil 6 seiner Kolumne.

Wer nach Paris reist, kommt am Eiffelturm nicht vorbei, wer Wimbledon besucht, nicht an Fabrice Santoro. Der ist zwar noch nicht ganz so alt wie das berühmte Wahrzeichen (Baujahr1889), aber mit seinen 37 der Senior im Herreneinzel. Seit er hier zum erstenmal angetreten ist, hat er mit Maggie Thatcher, Tony Blair und John Major schon drei Premierminister überlebt und unzählige Gegner auf dem Platz - überwiegend deutscher Herkunft. Jetzt bei seinem 68. Grand-Slam-Turnier (Weltrekord!) mußte mit Nicolas Kiefer wieder einer dran glauben - in der 10.Begegnung der beiden schon der 7.Sieg des Franzosen: 6:4, 6:2. 6:2.

Im Januar bei den Australian Open war Philipp Kohlschreiber an der Reihe, der sich danach als ganz schlechter Verlierer erwies. Naja, Schwamm drüber! Aber die „Katze vom Eiffelturm“ (Pete Sampras 2002 nach seiner Niederlage in Indian Wells) lässt das Mausen nicht, „Kiwi“ hat ihr wieder Appetit gemacht. Der hingegen wirkte während des gesamten Matches so , als hätte er nicht auf Gras gebaut, sondern Gras geraucht.

Warum nur beissen sich so viele gestandene Cracks an Santoro die Zähne aus? Wenn man das Spiel des geschmeidigen, nur 1 Meter 77 grossen Franzosen betrachtet, sieht man alle Schläge, die es im Tennis gibt und einige, die es vorher noch nie gab - und mit denen bringt der charmante Favoritenschreck seine Kontrahenten schier um den Verstand. Er agiert, wie kein Profi es heute wagen würde, mit beidhändiger Vorhand. Und was er auch unternimmt: Lob oder Stopp, Spin oder Slice - es sieht total anders aus als bei jedem anderen. Und wenn ihm einer seiner unorthodoxen Tricks gelingt, lächelt er selig wie ein Kind bei der Weihnachtsbescherung und zwinkert ins Publikum - jedes Mal in eine andere Richtung, so dass man den Eindruck hat, er kennt hier jeden einzelnen Zuschauer. Über 900 Matches hat er mittlerweile bestritten. Summa summarum stehen allerdings nicht mehr als 6 Turniersiege zu Buch, aber „unglaubliche persönliche Erfolgserlebnisse, die ich mir niemals hätte erträu men können“.

Zum Beispiel der Sieg gegen seinen Landsmann Arnaud Clément im längsten Match der Grand-Slam-Historie: 6:4, 6:3, 6:7, 3:6, 16:14 in 6 Stunden und 33 Minuten über 2 Tage am 24. und 25.Mai 2004 bei den French Open vor heimischem Publikum in Paris. Und schon zehn Mal hat er Weltranglisten-Erste entzaubert. Der nächste Deutsche, der es mit Santoro zu tun haben könnte, ist Benjamin Becker. Also: Vorausgesetzt, dass der bis ins Viertelfinale vorstösst und dort Andy Murray bezwingt. Und vorausgesetzt, dass Fabrice ebenfalls ins Viertelfinale vorstösst und dort Andy Roddick bezwingt. Also: Rein theoretisch...

Gunther Beth, Schauspieler & Komödien-Autor (u.a. „Der Neurosen-Kavalier“, „Trau keinem über 60!“), lebt in München. Seit 2004 ist er Wimbledon-Kolumnist der AZ

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