Petkovic: "Manchmal denke ich, mein Herz setzt aus"

Zoran Petkovic, Vater von Wimbledon-Hoffnung Andrea, spricht über seine Leiden auf der Tribüne, seine Ängste – und die Tänzchen seiner Tochter
von  Interview: Jörg Allmeroth

AZ: Herr Petkovic, Ihre Tochter steht erstmals in der dritten Wimbledon-Runde. Doch trotz aller Erfolge wirkt sie in diesen Tagen sehr angespannt.

ZORAN PETKOVIC: Ich sehe auch, dass bei ihr ein Stück dieser Leichtigkeit und Unbeschwertheit verloren gegangen ist. Sie setzt sich gewaltig unter Druck, will unbedingt noch ganz schnell weiter in der Weltrangliste vorrücken.

Täuscht der Eindruck, dass der ganze Rummel der letzten Wochen allmählich an die Nerven geht?

Es war nicht einfach für Andrea, das wegzustecken. Plötzlich zerren alle an dir, wollen dies und jenes – da ist sie schnell an ihre Grenzen gekommen, konnte nicht mehr für jeden jederzeit zur Verfügung stehen. Ich sage ihr nun immer wieder: ,Denk’ daran, wo du sportlich vor einem Jahr gestanden hast. Denk’ daran, was du jetzt schon alles erreicht hast.’ Sie muss sich mal zurücklehnen und Freude über das Erreichte, sie muss ihre Erfolge einfach genießen. Genießen und noch mal genießen.

Will sie zu viel in zu kurzer Zeit?

Sie kann ihren Ehrgeiz nicht einfach so abschütteln. Sonst wäre sie ja nie so weit gekommen im Tennis. Aber für mich ist es egal, ob sie nun in ein paar Tagen oder in ein paar Wochen in die Top Ten einzieht. Meine Güte, diese Saison war fantastisch bisher. Zwei Grand Slam-Viertelfinals, ein Turniersieg, diese unglaubliche Stabilität – das müsste sie für sich selbst einfach mehr würdigen. Sie war für meinen Geschmack die konstanteste Spielerin überhaupt im ersten Halbjahr. Und sie hat ihre Ranglistenpunkte bei den großen Turnieren gewonnen, da, wo es zählt.

Ihr Spiel erscheint gerade in Wimbledon sehr aufwendig, sehr kraftraubend – so, als wolle sie die Erfolge erzwingen...

So kann sie nicht jede Woche spielen, das ist klar. Mit mehr Lockerheit spielt sie 30 bis 40 Prozent besser. Ich hoffe, dass sie bald zu einer besseren Balance finden wird.

Dieses ganze Nervenspiel auf der großen Grand-Slam-Bühne ist eine Herausforderung für alle Petkovics, oder?

Es ist ein wahnsinniger Stress, für Andrea sowieso, weil sie nun eben auch so im Mittelpunkt steht, als Mitfavoritin gehandelt wird. Ich hab’ den Eindruck, dass sie ständig von allen möglichen Leuten, ob nun Presse oder Gegnerinnen, fixiert wird. Auch für mich ist es eine neue Belastung. Ich habe zum ersten Mal, seit ich im Tennis unterwegs bin, eine gewisse Angst. Die Angst, etwas falsch zu machen, etwas, das Konsequenzen für Andrea hat.

"Ich bin schon der Orientierungspunkt"

Das Team rund um Ihre Tochter ist stark angewachsen, mit Physiotherapeutin und Tourcoach. Es gibt auch noch einen Mental- und einen Fitnesstrainer. Welche Rolle spielen Sie selbst?

Ich bin an allererster Stelle Andreas Vater. Und dann bin ich, wie Andrea sagt, ihr Lebenszeittrainer. Bei den großen Turnieren ist es wichtig für sie, wenn ich dabei bin. Wenn sie in einem Match raufschaut zur Tribüne, dann schaut sie zu mir. Ich bin schon der Orientierungspunkt.

Sie bleiben auch in turbulenten Spielen sehr ruhig und gelassen. Ist das der wahre Zoran Petkovic?

Nein, ganz und gar nicht. Ich muss mich schon sehr verstellen. Die umkämpften Matches setzen mir gewaltig zu, da muss ich echt Schauspieler sein und meine Nervosität verstecken. Manchmal denke ich, mein Herz setzt aus, zum Beispiel am Mittwoch, beim Spiel gegen Dubois. Aber ich darf der Andrea das so nicht zeigen, auf keinen Fall.

Sie haben sich oft mit Ihrer Tochter gestritten, ob der Weg ins Profitennis überhaupt der richtige ist.

Ihr standen alle Türen offen mit diesem Super-Abitur. Das war mein Einwand. Und meine Frage: Warum Tennis? Sie hat mir inzwischen die Antwort gegeben – als eine der besten Spielerinnen der Welt. Trotzdem bin ich froh, dass sie nebenher ihr Studium so ernsthaft betreibt. Es ist wichtig, um den Horizont zu erweitern. Und so denkt sie nicht dauernd darüber nach, welches Detail sie hier und da im Tennis noch verbessern muss.

Andrea hat ja den Anschub-Impuls für die Erfolge im deutschen Frauentennis gegeben. Wie sehen Sie dieses viel beschworene Fräuleinwunder?

Ich Freude mich über diesen Aufschwung, darauf haben wir alle lange gewartet. Und ich Freude mich noch mehr, wie toll die Mädchen miteinander umgehen. Da gibt es wirklich keine Missgunst oder Zickigkeiten. Solange jede selbst am Limit spielt, das Maximale herausholt, muss man der anderen auch nichts neiden.

Wir haben inzwischen den Petko-Dance, den Moonwalk und den Hula-Hoop von Ihrer Tochter gesehen. Nach dem zweiten Wimbledonsieg am Mittwoch sahen wir nichts – zu Ihrer Freude, oder?

Meine Frau hat der Andrea gesagt: Lass’ es lieber sein, mach etwas, wenn etwas Besonderes passiert ist. Und da kann ich ihr nur zustimmen.


merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.