Petkovic "Ich war selbstsüchtig"
Andrea Petkovic fliegt bei den US Open in Runde eins aus dem Turnier – frustriert stellt sie ihr gesamtes Wirken als Tennisprofi in Frage. Auch Sabine Lisicki und Julia Görges sind schon draußen
NEW YORK Es war kein Tag für Träumereien und auch kein Tag für Tänzchen. Als Andrea Petkovic um 17.40 Uhr Ortszeit an diesem ernüchternden US-Open-Montag eine letzte Vorhand ins Netz hämmerte und damit ihre 2:6, 5:7-Niederlage gegen die Schweizerin Romina Oprandi besiegelte, schaute sie mit weit aufgerissenen Augen herüber zu ihrem Trainer Petar Popovic.
Sie sprach die bittere Frage aus und gab sich auch gleich die Antwort: „Du schüttelst den Kopf und denkst: Wie kannst du gegen diese Spielerinnen verlieren”, sagte Petkovic, „und dann realisierst du erst: Das wird noch eine ganz lange Zeit so gehen. Wochen und Monate.”
Von Januar bis Ende August hatte Petkovic sich mit üblen Verletzungen herumschlagen müssen, in endlosen Rehastunden um ihre Rückkehr in den Tourbetrieb gekämpft. Erst litt sie unter einem Ermüdungsbruch im Rücken, dann an einem doppelten Bänderriss im rechten Knöchel. Die Blessuren sind verheilt, Petkovic ist medizinisch wieder gesund.
Doch der Befund, den sie sich an diesem 27. August 2012 stellte, war von schonungsloser Klarheit: „Ich fühle mich hilflos, etwa so, als müsste ich noch einmal meine Karriere ganz von vorne beginnen – wie damals mit 16 Jahren.” Alle Automatismen seien verloren gegangen, alles Selbstbewusstsein und alle Sicherheit dazu: „Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer werden würde”, sagte sie, „da war schon die Hoffnung, dass man auf dem Fundament des letzten Jahres aufbauen könnte.”
Das Match selbst war eine Reise zwischen Himmel und Hölle, eine emotionale Achterbahnfahrt mit extremen Ausschlägen. „Mehr Gelassenheit” hatte sie sich verordnet, „einen kühlen Kopf” wollte sie bewahren bei der Rückkehr auf die große Grand Slam-Bühne, doch dann brach das reinste Chaos aus. Was es nicht gab, waren Stabilität und Rhythmus im Spiel. „Ich weiß, dass das alles noch nicht da sein kann. Und trotzdem ärgere ich mich furchtbar darüber”, sagte Petkovic, „da gab es Augenblicke, wo ich nur voller Wut war.” Seine Tochter sei eine „sehr impulsive Person”, sagte Vater und Trainer Zoran Petkovic später, „das ist sehr charmant, aber im Sport eben auch manchmal sehr schwierig.” Nun gelte es, „Anspruch und Wirklichkeit” wieder zueinander zu bringen.
Petkovic bleibt realistisch: „Für jeden Tag, den ich verletzt und draußen war, werde ich einen Tag zum Neuaufbau brauchen.” Es wird eine Reise voller Ängste und Zweifel werden, aber es wird die Reise einer Athletin sein, die aus den Fehlern der Vergangenheit auch gelernt hat, nicht zuletzt aus den Fehlern und Charakterschwächen, die vor einem Jahr hier in New York für alle Welt zu besichtigen waren.
Die Andrea Petkovic des Jahres 2011 müsse sie hinter sich lassen, sagte Petkovic auch noch an diesem Montag der großen Bekenntnisse, „ich war viel zu egozentrisch, zu selbstsüchtig damals. Ich habe nur noch Tennis, Tennis, Tennis im Kopf gehabt und viele Menschen verletzt dadurch.” Sicher habe sie noch „sehr viel vor im Tennis”, so Petkovic, „aber ich muss eine gesunde Balance finden.”
Neben Petkovic schieden auch Sabine Lisicki und Julia Görges in der ersten Runde aus – genauso wie Florian Mayer. Der 28-Jährige litt an Schwindelgefühlen. „Ich konnte den Ball nicht mehr richtig sehen. Mir war schwindelig, die Beine waren schwer. Auch eine Tablette brachte keine Besserung. Ich werde mich untersuchen lassen.”