Interview

Peter Gojowczyk: "Jemand zum Abklatschen wäre schon cool gewesen"

Bei den US Open machte Peter Gojowczyk (33) der Schiedsrichterin klar, wie er richtig heißt - und mit starken Leistungen auch der Welt. Im AZ-Interview spricht der Münchner über Erfolg und Belastung.
von  Thomas Becker
In der Bundesliga für Großhesselohe aktiv: Peter Gojowczyk.
In der Bundesliga für Großhesselohe aktiv: Peter Gojowczyk. © imago images/Philippe Ruiz

München - AZ-Interview mit Peter Gojowczyk Der 33-jährige Tennis-Profi aus München ließ bei den US Open mit dem Einzug ins Achtelfinale aufhorchen. Er rückte auf Weltranglistenplatz 85 vor.

AZ: Herr Gojowczyk, mit dem Masters in Indian Wells ist das letzte große Turnier des Jahres vorüber. Zeit für Urlaub, oder?
PETER GOJOWCZYK: Nee, so schnell hab' ich keinen Urlaub. Ich spiele noch in Antwerpen, Wien, Paris und Stockholm - falls ich in die Quali rein rutsche. Und dann wäre im November ja noch der Davis Cup. Aber dazu habe ich noch keine Info, ob ich spiele oder nicht. Dann hab' ich vielleicht zehn freie Tage, bis die Vorbereitung für die Australian Open beginnt. Da geht's ja vor allem um die Beinarbeit, aber da bin ich mit meinem Fitnesstrainer Patrick Herzog aus Ismaning ja gut aufgestellt.

Ohne Begleitung bei US Open

Bei Ihrem bislang erfolgreichsten Grand Slam, den US Open, waren Sie ohne Coach, ohne Physio, ohne Begleiter - und haben es als Nummer 141 der Welt trotzdem fast ins Viertelfinale geschafft.
Krass, ne? Ich hatte schon drei Wochen in Newport, Mexiko und Atlanta allein gespielt, kam zurück, um für Großhesselohe Bundesliga zu spielen, auf Sand, aber im Team - ich mag es ja nicht, komplett alleine zu spielen! Aber dann ging's doch wieder allein zur Vorbereitung nach New York...

...wo in Runde eins der Qualifikation schon fast Schluss war: 7:5 hieß es im dritten Satz gegen den Tschechen Lukas Rosol.
Da war ich 3:5 hinten: ein toughes Spiel! Es ist einfach alles so eng bei uns! Nächstes Match gegen Robin Haase war auch nicht einfach: Der war mal Nummer 33 der Welt. Quali-Finale war dann gegen meinen Großhesseloher Teamkollegen Juan Manuel Cherundolo. Mit dem hatte ich immer trainiert, mich mit ihm eingeschlagen - und dann spielst du am Schluss gegeneinander um den Einzug in die US Open!

Wenn der Nachname zum Problem wird

Da kamen dann noch ein paar Spiele dazu. Und eine Schiedsrichterin, die Ihren Namen einfach nicht aussprechen konnte!
Das war krass. Tausend Varianten von meinem Namen! Schon beim Einschlagen hat sie ihn falsch ausgesprochen, und ich dachte: Soll ich was sagen, bevor es losgeht? Hab' ich erst mal nichts gesagt - aber es war natürlich voll in meinem Kopf drin! Den ersten Satz habe ich in 15 Minuten verloren - ich war so beschäftigt mit meinem Namen. Bei 1:5 habe ich ihr zugerufen: ‚Wen meinst du überhaupt? Diese Person gibt es gar nicht auf dem Platz!' Nach dem ersten Satz habe ich ihr noch mal klipp und klar gesagt, wie ich heiße. Und dass ich ihr das jetzt bei jedem Seitenwechsel sagen werde. Ich glaube, jetzt weiß sie's.

Gegen den jungen Spanier Carlos Alcaraz ging es im Achtelfinale wieder über fünf Sätze.
Bis dahin hatte ich sieben Sätze in der Quali gespielt, dann drei Mal fünf und einmal vier Sätze: insgesamt 26! Krämpfe hatte ich immer, lag dennoch 2:1 Sätze und Break vorn, Viertelfinale in Reichweite! Dabei war es im ersten Match der Quali fast schon vorbei!

Der Kölner Oscar Otte hatte einen ähnlichen Lauf, schaffte es ebenfalls bis ins Achtelfinale.
Der musste in der Quali sogar zwei Matchbälle abwehren - da sieht man wieder, wie verrückt das alles ist! Ich war immer einen Tag vor ihm dran und sagte zu ihm: ‚Ich lege vor, und du ziehst nach, okay?'

Keine Zeit zum Feiern

Viel Zeit zum Feiern blieb Ihnen nie. Mit wem auch? Es war ja niemand da.
Richtig. Wäre schon cool gewesen, jemanden zum Abklatschen zu haben.

Heißt: Sie gehen nach all diesen aufwühlenden Matches heim, machen die Hoteltür zu und fertig?
Ich habe unheimlich viele Text-Nachrichten bekommen, insofern bist du da nicht allein. Aber es ist schon sehr speziell. Vielleicht war das aber auch ganz gut, dass du ganz bei dir bist.

Gojowczyk: "Ausruhen ist nicht drin"

265.000 Dollar gab es für den Einzug ins Achtelfinale - in 15 Profi-Jahren haben sie 3,2 Millionen Dollar Preisgeld gewonnen. Hatte es denn finanzielle Gründe, dass Sie keinen Coach und keinen Physiotherapeuten dabei hatten?
Nein, aber es war schwierig, jemanden mitzunehmen. Die Tage dort sind lang, die Wege weit, auch wenn es einen Fahrdienst zum Hotel nach Manhattan gibt. Auch mal interessant: New York ohne Touristen! Da ist man dann in 20 Minuten in Flushing Meadows.

Vom Big Apple ging's ins beschauliche Metz, Ihr Lieblingsturnier, das Sie 2017 gewonnen haben, Ihr bislang einziger ATP-Titel. Diesmal ging Ihr Weg bis ins Halbfinale. Eine tolle Serie - und dennoch müssen Sie als Nummer 85 der Welt hoffen, dass Sie in die Quali für ein 250er-Turnier rutschen.
In Stockholm liegt der Cut für das Hauptfeld bei 37: unglaublich! Es sind weniger Turniere, und es spielen halt alle. Challenger-Turniere kannst du noch spielen. Aber da musst du fast gewinnen, um Punkte gut zu machen. Ausruhen ist jedenfalls nicht drin.

Debüt bei den BMW Open 2010

2010 gaben Sie Ihr ATP-Debüt gegen Marcos Baghdatis, bei den BMW Open. Wie ist der Peter Gojowczyk des Jahres 2021 im Vergleich zu dem von damals?
Älter, viel älter (lacht).

Wie kommen Sie morgens aus dem Bett?
Boah, krass. Man merkt seinen Körper schon extrem. Wir rutschen ja in die Bälle rein, auch auf Hardcourt - das ist schon eine harte Belastung für den Körper. Deswegen gehört da auch viel Pflege dazu. Schon eine Kleinigkeit kann matchentscheidend sein.

 

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