"Peking war der Tiefpunkt, jetzt geht es aufwärts!"

Zehnkampf-Legende Busemann freut sich bei der WM auf Jungstars wie Friedrich – und über ertappte Doper. Da schmeißt er immer eine Fete.
von  Abendzeitung
Sie will am Donnerstag in einer Woche in Berlin wieder jubeln: Hochspringerin Ariane Friederich gilt als Topfavoritin.
Sie will am Donnerstag in einer Woche in Berlin wieder jubeln: Hochspringerin Ariane Friederich gilt als Topfavoritin. © dpa

Zehnkampf-Legende Busemann freut sich bei der WM auf Jungstars wie Friedrich – und über ertappte Doper. Da schmeißt er immer eine Fete.

AZ: Herr Busemann, haben Sie ein Jahr nach Olympia in Peking Ihren großen Erfolg schon mental verarbeitet?

FRANK BUSEMANN: Äh, welchen Erfolg denn?

Na, dass Sie als Einzelperson mit Silber bei Olympia 1996 erfolgreicher waren, als die gesamten deutschen Leichtathleten in Peking, die nur eine Bronzene abstaubten.

Jau, das stimmt ja. Mann, bin ich gut! Aber Spaß beiseite: Es ist ein echter Tiefpunkt, wenn eine 80-Millionen-Nation nur einen dritten Platz erreicht.

Warum sollte bei der WM in Berlin alles besser werden?

Peking war die extreme Umbruchphase, die Altinternationalen wie Lars Riedel, die immer noch für eine Medaille gut waren, waren nicht mehr dabei. Und die Jungen hatten noch nicht die nötige Wettkampfhärte. Peking war der Tiefpunkt, dort ging alles in die Hose. Und als Jungvater kenne ich mich mit der Materie bestens aus. Mit zehn vierten Plätzen hatten wir auch kein Glück und dann hielt sich das Pech nicht ans Hausverbot. Aber in Berlin haben wir Heimrecht, da kommt das Pech nicht rein. Ich bin da Optimist: Jetzt geht’s aufwärts!

Leichtathletik-Präsident Clemens Prokop hofft auf viele Sternstunden deutscher Athleten. So wie Ihre in Atlanta.

Ich muss sagen, mein zweiter Vorname lautet Atlanta. Also, Frank Atlanta Busemann. Ich bin total dankbar, glücklich und verwundert, dass so eine Sternstunde so nachhallen kann. Ich wünsche mir bei der WM viele Sternstunden. So wie Sebastian Bayer, der 8,71 Meter gesprungen ist oder Ariane Friedrich. Aber über sich hinauswachsen können nur junge Athleten. Wenn ein 30-Jähriger sich plötzlich riesig verbessert, muss man die Frage stellen: Wie geht das?

Wie viele Fragen stellen Sie sich bei modernen Leichtathleten – wie Usain Bolt etwa?

Unabhängig von Bolt, diese Fragen stelle ich mir seit ich aus dem Sport draußen bin. Wenn man aktiv ist, muss man davon ausgehen, dass die Gegner sauber sind. So naiv und blöd musst du sein, sonst hast du 1000 Ausreden parat. Aber wir sind zu oft beschissen worden, als dass man alles glauben kann. Wir können nicht sagen: Die Leichtathletik ist sauber. Das ist sie nicht.

Kriegt man sie je sauber?

Es gibt Ansätze, die Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie zeigt Wirkung. Ich bin dafür, dass von den Preis- und Antrittsgeldern zehn Prozent in einen Solidartopf zur Dopingbekämpfung eingezahlt werden. Da kämen Millionen zusammen. Dann könnten wir Siegern in Zukunft vielleicht wieder ungesehen glauben – und der Generalverdacht wäre irgendwann weg.

Wie sehr ärgert den Ex-Top-Athleten Frank Busemann dieser Generalverdacht?

Es ärgert mich maßlos und macht mich sehr traurig. Ich hatte in meiner Karriere selber 99 Urin- und sieben Blutkontrollen. Da dachte ich immer, das ist der Beweis, dass ich sauber bin. Dann habe ich gelesen, dass die Doperin Marion Jones 160 Kontrollen hatte und immer negativ war. Ich kann also von keinem Außenstehenden verlangen, dass er mir glaubt. Ich kann nur sagen, in meiner Welt funktionieren Weltklasseleistungen auch ohne Doping. Ich bin sehr wütend, wenn Athleten den Fans durch Doping etwas vorgaukeln, was sie gar nicht sind. Wenn da einer erwischt wird, dann schmeiße ich bei mir immer eine Fete.

Sie sind gerade Vater geworden, dürfte Ihr Sohn Leistungssport betreiben?

Als er auf die Welt kam, war ich – das war die Zeit von Jones – so enttäuscht vom Sport, dass ich sagte: Ich will nicht, dass er je Sport macht. Dann sagte meine Frau: Überleg mal, warum du angefangen hast: Es geht nicht um Gold, um Ruhm oder Geld. Es geht um körperliche Entwicklungen, um Grenzerlebnisse, die man im Sport auf besondere Art erfährt. Da musste ich als Ex-Topsportler meiner wenig sportlichen Frau Recht geben. Wenn unser Sohn für sich die Welt des Sports entdeckt, soll er das machen, von mir aus auch Leichtathletik. Bis er mal in die Weltklasse käme, kann er viele Kilometer mit Freude gelaufen sein. Und wenn er mit zwölf Jahren die Werte des Lebens kennt, wird er mit 19 auch nicht dopen.

Da ist dann der Vater, der Erzieher Busemann gefragt.

Absolut! Wenn er mit 19 das Dopen anfängt, werde ich einem 19-Jährigen erstmals in seinem Leben den Hintern versohlen.

Interview: Matthias Kerber

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