"Papa umfallt": Geiger und die Oberstdorfer Lego-Konkurrenz

Karl Geiger ist seit Jahren Deutschlands große Skisprung-Hoffnung. Über die Zeit hat er an Profil gewonnen. Sein jüngster Fan spielt lieber und kommentiert Stürze eher salopp.
von  Patrick Reichardt und Thomas Eßer, dpa
Der deutsche Skispringer Karl Geiger lächelt bei einer Medienrunde der deutschen Skispringer vor der 71. Vierschanzentournee.
Der deutsche Skispringer Karl Geiger lächelt bei einer Medienrunde der deutschen Skispringer vor der 71. Vierschanzentournee. © Angelika Warmuth/dpa

Karl Geiger hat in seinen beiden Wohnzimmern äußerst harte Konkurrenz. Auf seiner Skisprung-Schanze am Schattenberg, wo am Donnerstag (16.30 Uhr/ZDF und Eurosport) die 71. Vierschanzentournee beginnt, sind es Weltklasse-Athleten wie der Pole Dawid Kubacki oder der Norweger Halvor Egner Granerud. Im echten Wohnzimmer der Geigers in dem beschaulichen Ort im Allgäu muss der 29 Jahre alte Topsportler als springende Fernsehunterhaltung um die Aufmerksamkeit seiner zweijährigen Tochter Luisa kämpfen.

"Meine Frau schaut zu und Luisa eher so beiläufig. Man muss sie darauf hinweisen, dass jetzt dann der Papa springt. Sie spielt meist Lego und lässt nur ab und an einen trockenen Kommentar vom Stapel", erzählte Geiger vor den Weihnachtstagen, die die deutsche Tournee-Hoffnung mit Frau Franziska und der Tochter ganz gelöst in der Heimat unweit der Schanze verbringen konnte.

Als Geiger jüngst stürzte, habe die kleine Luisa ganz salopp festgestellt: ""Hoppala, Papa umfallt". Danach hat sie sich gleich wieder ihrem Legospiel gewidmet." Geiger fand die spontane und gelassene Reaktion "ganz herzerfrischend". Luisa wird auch beim Tournee-Auftakt nicht im Stadion sein, wie Geiger am Vortag berichtete.

"Am Anfang war noch jeder Springer Papa. Mittlerweile schaut sie genauer hin, aber man muss sie schon darauf hinweisen", sagte Geiger über die Fernsehmomente seiner Tochter. Anders als im Vorjahr, als der Allgäuer mit dem Gelben Trikot und einer großen Portion Druck die kurze Anreise ("Ins Teamhotel habe ich 15 Minuten") antrat, nimmt Geiger diesmal eine neue Rolle ein: die des Herausforderers.

Bundestrainer Stefan Horngacher und seine Athleten sind trotz der mauen Vorleistungen zuversichtlich. Im malerischen Teamhotel im Ortsteil Tiefenbach, der selbst Ende Dezember komplett grün und fernab von Winter-Wunderland ist, wird viel gelacht und gescherzt. Dem 53 Jahre alten Cheftrainer gefällt die Ausgangsposition, aus der Geiger in das Spektakel in den Alpen startet. Horngacher erklärte seinen Ex-Schützling Dawid Kubacki aus Polen zwar unumwunden zum Topfavoriten. Er sagte aber auch: "Derjenige, der mit dem Gelben Trikot kommt, hat definitiv den größten Rucksack zu tragen."

Den ist Geiger diesmal los. Er befinde sich "vielleicht in einer komfortableren Situation", schilderte er. Man müsse nicht. "Man darf, man will." Doch die ständigen Niederlagen bei dem so prestigeträchtigen Event mit weiteren Stationen in Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen haben Spuren hinterlassen. "Die eigenen Erwartungen sind immer am höchsten. Für uns selbst ist es ein Riesenziel. Es ärgert ungemein, wenn es nicht funktioniert. Wir haben hier schon was vor", sagte Geiger. Der letzte deutsche Gesamtsieg ist 21 Jahre her und wurde damals von Sven Hannawald, der bald zwei Jahrzehnte als Sportler aufgehört hat, errungen.

Der nüchtern-sachliche Geiger steht im deutschen Team für das Verlässliche. Während sein Kumpel Markus Eisenbichler zwischen Weltklasse und Karriereende pendelt und Olympiasieger Andreas Wellinger nach vielen Verletzungen oft die Konstanz fehlt, ist Geiger eigentlich ein Garant für Erfolge. Cheftrainer Horngacher macht dafür auch die mentale Stärke des Team-Weltmeisters als Grund aus. "Er weiß genau, was er zu tun hat, aber es fehlt aktuell ein bisschen diese Selbstsicherheit, um das durchzuziehen. Er kommt aber immer näher ran, er ist sehr aufgeräumt", beschrieb Horngacher.

Geiger will den Rückstand auf das Quartett Kubacki, Granerud, Stefan Kraft (Österreich) und Anze Lanisek (Slowenien) sukzessive aufholen - nicht ruckartig. "Ich könnte jetzt auch All-in gehen und viel riskieren, aber ich denke nicht, dass das die richtige Taktik wäre, und ich plötzlich zum Überflieger werden würde", sagte er in einem Interview der "Augsburger Allgemeinen". Auch Horngacher hält es nicht für zwingend, für einen Tourneesieg in Oberstdorf direkt von der obersten Podeststufe zu grüßen: "Jetzt fangen wir an, und wenn wir Siebter werden, dann ist es auch okay - da hast du ja keine 100 Punkte Rückstand."

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