Ottke: „Sturm weiß, dass seine Zeit vorbei ist“

Am Samstag kommt es zum Duell des Ex-Champions gegen Robert Stieglitz. „Ein Kampf um die Goldene Ananas“, sagt Boxikone Sven Ottke und rechnet gewaltig ab.  
von  Matthias Kerber

Am Samstag kommt es zum Duell des Ex-Champions gegen Robert Stieglitz. „Ein Kampf um die Goldene Ananas“, sagt Boxikone Sven Ottke und rechnet gewaltig ab.

AZ: Herr Ottke, am Samstag kommt es zum Duell zweier Fighter, die zuletzt Ihre boxerische Linie und damit auch die Kämpfe verloren haben: Felix Sturm und Robert Stieglitz. Was halten Sie von dem Kampf?

SVEN OTTKE: Mein Gott, es ist ein Fight um die Goldene Ananas. Der sportliche Wert ist überschaubar. Der ausrichtende Verband WBO hat ja klar gemacht, dass nur, wenn Stieglitz gewinnt, dieser Herausforderer für Weltmeister Arthur Abraham wird. Sollte der theoretisch mögliche Fall eintreten, dass Sturm siegt, ist er kein Herausforderer. Das ist auch richtig so, ich wüsste nicht, womit es gerechtfertigt wäre, wieder um einem WM-Gürtel kämpfen zu dürfen. So ist es ein netter Kampf, den man machen kann, mit dem man gut Geld verdient, aber auch nicht mehr.

Der „theoretisch mögliche Fall, dass Sturm gewinnt“? Klingt nicht so, als würden Sie dem Ex-Champion viel zutrauen.

Ich bleibe bei meiner Meinung: Sturm ist sehr weit über seinen Zenit. Und das nicht erst seit gestern, sondern schon seit Jahren. Man muss ein gutes Gedächtnis haben, um sich an seinen letzten überzeugenden Kampf gegen einen guten Gegner zu erinnern.

Naja, immerhin könnte Sturm zum bereits fünften Mal Weltmeister werden.

Ich verstehe gar nicht, dass man damit so groß Werbung betreibt. Wenn ich zum fünften Mal Champion werden kann, heißt das auch, dass ich vorher vier Mal den Titel verloren habe. Wenn man sich die Gegner so anschaut, die gegen ihn um den WM-Titel boxen durften: Das ist doch Pille-Palle. Wo findet man solch Figuren eigentlich? Wie schafft man es, dass die als titelwürdig eingestuft werden? Da wurden die Zuschauer gut beschissen und verarscht. Ich denke, Sturm wird noch schauen, dass er ein paar Zahltage mitnimmt, das ist ja auch alles andere als verwerflich. Aber ich denke Sturm weiß selbst, dass seine Zeit eigentlich vorbei ist.

Fällt Ihr Urteil über Stieglitz ähnlich vernichtend aus?

Ich denke, dass er hungriger ist. Er ist kein Schlechter. Ich gehe davon aus, dass er gewinnt, aber vielleicht liege ich falsch mit meiner Vorhersage. Wäre ja auch nicht das erste Mal.

Wer sind in Ihren Augen die besten Boxer in Deutschland?

Das ist schwer. Juan Pablo Hernandez ist, wenn er seinen Kopf beinander hat, ein wirklich feiner, guter Boxer. Wladimir Klitschko ist auf seine Art gut. Jürgen Brähmer ist ein großer Techniker, aber seine Zeit ist auch bald vorbei. Was bei Marco Huck passiert, der sich jetzt selbstständig machen wird, weiß keiner. Der will unbedingt ins Schwergewicht, da wird er von Klitschko so weichgeklopft werden, dass er das sein Leben lang bereuen wird. Die Idee, seinen Bruder zum Promoter, Vermarkter, Matchmaker und sonst was zu machen, ist nicht die klügste. Das Management der Klitschkos wird sich totlachen, wenn der Bruder sich mit ihnen zu Verhandlungen an den Tisch setzt. Der kann gar nicht so schnell schauen, wie die ihn darüber gezogen haben werden.

Bei ihrer Aufzählung der besten Boxer fehlt ein Felix Sturm.

Da gehört er auch nicht hin. Er war mal ein Guter, keine Frage. Aber das ist vorbei. Aber Sie fragten, wer jetzt zu den Besten gehört. Und das war meine Antwort.

Sturm hat gestanden, dass er früher zwischen den Kämpfen Fressattacken hatte, sich Schokoriegel reingestopft und so fast 20 Kilo zugelegt hat.

Ich versteh’s nicht. Ich habe einmal in meinem Leben 86 Kilo gewogen. Das war nach Weihnachten und Neujahr. Ich bin auf die Waage – und vor Schock fast runtergefallen. Ich habe mich beinahe geschämt. Aber das waren zehn Kilo zu viel, nicht 20. Das Boxerleben erfordert Disziplin, das hat nicht jeder drauf. Auch Arthur nicht.

Sie meinen Arthur Abraham?

Ja, Fleiß und Disziplin sind in seinem Wortschatz eher Fremdworte. Wäre er im Mittelgewicht geblieben, hätte er nur den Boxsport im Kopf gehabt, hätte Arthur bis heute keinen Kampf verloren, denn der ist wirklich ein Guter. Aber man weiß bei ihm nie so genau, was er im Leben gerade so treibt und an welcher Stelle Boxen kommt. Wenn er seinen Kopf im Griff hat, ist er immer noch eine Macht.

 

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