Ottke: "Felix Sturm ist durch!"

Am Samstag boxt Sturm gegen Darren Barker um den Titel. Im AZ-Interview fällt Ex-Profi Ottke ein vernichtendes Urteil – und erklärt, wieso er sich um den Sport Sorgen macht
von  Matthias Kerber
Boxer Felix Sturm.
Boxer Felix Sturm. © dpa

AZ: Herr Ottke, am Samstag darf Felix Sturm gegen Weltmeister Darren Barker um den Titel boxen. Sollte er siegen, wäre er zum vierten Mal Champion, was vor ihm noch kein Deutscher geschafft hat, wie er gerne betont...

SVEN OTTKE: Puh, da fehlen mir echt die Worte, wenn ich so etwas höre. Ich frage mich wirklich, womit er es verdient hat, wieder um die WM zu kämpfen. Sein letzter guter, sein letzter überzeugender Kampf, der ist schon sehr lange her. Und das, obwohl er ja viele handverlesene Gegner hatte. Für mich ist Felix schon lange durch, der ist nicht nur über den Berg, der ist schon wieder unten. Ich habe mir viele seiner Kämpfe nicht mehr live angeschaut, weil es mich nicht mehr berührt hat.

Sie denken, er verliert? Dann dürfte es das mit seiner Karriere gewesen sein.

Wenn alles normal läuft, wird er verlieren.

Er hat gestanden, dass er in den Phasen, in denen er sich nicht auf einen Kampf vorbereitet, mit Schokoriegeln vollstopft. Was sagen Sie dazu?

Das zeigt nur, wie viel Respekt ich der Sportart entgegenbringen, wenn man sich so gehen lässt. Disziplin ist ein ganz wichtiger Bestandteil unserer Sportart. Schauen Sie sich die Klitschkos an, egal wann und wo man die trifft, die sind immer so fit als wollten sie morgen in den Ring steigen.

Dabei gelten Sie sicher nicht als Fan der Klitschkos.

Sie dominieren das Schwergewicht nach Belieben, keine Frage. Sie sind die besten ihrer Ära. Aber was ist das für eine Ära? Das Schwergewicht ist doch schon lange mausetot. Ich hatte mir ein bisschen was von dem Kampf von Wladimir gegen Alexander Powetkin erhofft, aber es war ja dann doch nur wieder eine Farce. Vitali wird sich ja jetzt wohl ganz auf die Politik konzentrieren, und Wladimir wird halt noch einige kämpfen machen – und dann ist auch diese Luftblase vorbei. Gut, die Blase ist nie geplatzt, aber außerhalb es Spartengebiets Deutschland kennt die doch keiner. In Amerika weiß doch gar keiner mehr, wer gerade der Weltmeister im Schwergewicht ist.

Sie waren aber nur auch in Deutschland aktiv...

Stimmt, ist ja auch meine Heimat gewesen.

Ist der Boxsport in Deutschland am Ende?

Nun, der Kampf, den Juan Pablo Hernandez abgeliefert hat, war technisch vom Feinsten. Der ist ausgezeichnet. Ich Freude mich auch auf den dritten Kampf zwischen Robert Stieglitz und Arthur Abraham. Das hat schon seine eigene Spannung, seine eigene Dramaturgie.

Abraham, Ihr früherer Sparringspartner, ist aber in den letzten Kämpfen auch immer schlechter geworden.

Im zweiten Stieglitz-Kampf war er überhaupt nicht da, der Kopf war irgendwo, aber sicher nicht beim Boxen. Es war bei ihm sicher so, dass er mit teilweise mittelmäßigen Leistungen richtig gutes Geld verdient hat, da hat er sich wohl gesagt: Warum soll ich eigentlich mehr machen, als sein muss, wenn es doch auch so reicht. So hat er dann auch geboxt – gegen Stieglitz kann und muss er jetzt beweisen, was noch in ihm steckt, ob noch was in ihm steckt.

Vollkommen abgestürzt ist das Frauenboxen.

Ich war nie ein Freund davon. So sehr ich Regina Halmich als Mensch liebe, mit Boxen hatte das doch alles nichts zu tun. Da standen Frauen im Ring, die von der ersten bis zur letzten Seite aufeinander eingeprügelt haben, ohne jeden Dampf in den Fäusten. Den haben sie einfach nicht. Das war für mich kein Boxen. Wer das ganz gut macht, ist die Cecilia Braekhus. Die kann boxen, sieht gut aus, ist eine tolle Person, da stimmt das Gesamtpaket. Das ist im Frauenboxen eine Rarität.

Abraham und Hernandez werden von Ihrem alten Trainer Ulli Wegner trainiert. Wenn man ihn da mit seinen 71 Jahren, mit hochrotem Kopf in der Ecke sieht, macht man sich langsam wirklich Sorgen um seinen Gesundheit.

Es hört sich vielleicht blöd an, aber ich wünsche ihm, dass er eines Tages – der hoffentlich noch ganz weit weg ist – am Ring stirbt. Uli lebt Boxen. Das ist sein Leben. Deswegen wünsche ich ihm, dass er eines Tages am Ring stirbt, denn ich weiß, dass er sich keinen schöneren Tod vorstellen kann.

Ende des Jahres wird ein Großer des deutschen Boxsports – Graciano Rocchigiani 50. Ihre Gedanken?

Das macht mir Angst, ich bin ja auch schon 46, da ist die 50 nicht mehr weit. Und zu Grazze: Auf den lasse ich nichts kommen. Das ist ein grundehrlicher, grundguter Kerl. Er hat keinen Funken Hinterlist oder Falschheit, er sagt immer knallhart die Wahrheit. Und die sagt er dir ins Gesicht. Solche Menschen mag ich. Er hat sicher viele Fehler gemacht. Er wurde halt oft in Kneipen blöd angemacht von Leuten, die ihn provozieren wollten. Er hat sich dann auch provozierten lassen und zugelangt. Das ist falsch, aber ich mag ihn, respektiere ihn. Er ist ja in seinem Leben immer beschissen worden. Den ersten Kampf gegen Henry Maske, den hat er nie und nimmer, nicht in tausend Jahren und auch nicht, wenn Ostern, Weihnachten und Geburtstag zusammenfallen, verloren.

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