Ottke: "Arthur muss zum Psychologen"
AZ: Herr Ottke, Ex-Weltmeister Arthur Abraham ist am Samstag bei seinem Super-Six-Kampf gegen Andre Ward erneut vorgeführt worden. Macht es für Abraham überhaupt noch Sinn, seine Box-Karriere fortzusetzen, nachdem er drei Mal in vier Kämpfen nicht nur besiegt wurde, sondern regelrecht auseinandergenommen wurde?
SVEN OTTKE: Ich in seiner Situation würde sagen: Jetzt erst recht! Aber er muss jetzt wirklich in sich gehen und sich selbst hinterfragen: Habe ich überhaupt noch den Kopf für den Sport, bin ich bereit, alle die Qualen auf mich zu nehmen, die es eben braucht, um als Boxer wieder erfolgreich zu sein? Arthur fehlte immer die Disziplin im Training, findet er die jetzt? Für mich muss er jetzt zum Psychologen und dort richtig die Hosen runterlassen. Da muss alles auf den Tisch. Sein Kopf wird entscheiden, ob es überhaupt noch Sinn macht.
Abraham ist aus dem Mittelgewicht ins Supermittelgewicht gewechselt, um an den Turnier der besten sechs Boxer teilzunehmen. War das zu viel für ihn?
Man kann sich sicher fragen, ob das Turnier wirklich im Interesse des Boxers war. Er hat ja im Mittelgewicht auch nicht nur die Besten geboxt, dann geht er eine Klasse hoch und boxt wirklich das Allerbeste, was es da gibt. Okay, den Taylor als ersten Gegner, der hatte da nichts zu suchen, der war schon vorher durch, den ballert er weg. Aber dann kamen die Besten – und die waren zu viel. Das Turnier ist toll, da haben alle – besonders die Manager – gut dran verdient, aber ob es wirklich in Arthurs bestem Interesse war, muss man schon mal als Frage ans Management stellen. Arthur hat nun drei klägliche Vorstellungen abgeliefert. Normalerweise wäre er spätestens nach der zweiten Demontage aber so was von tot gewesen, aber da es eben das Turnier war, hat er jedes Mal so 1,5 Millionen Euro verdient. Er muss jetzt wissen, ob es ihm reicht, Geld zu verdienen oder ob er ein guter Boxer sein will.
Es gibt nicht wenige, die Arthur vorwerfen, er haben seinen Hunger verloren, sein Lebensstil wäre nicht der eines Topsportlers.
Nun, er stammt ja aus ärmlichen Verhältnissen und hat dann in relativ kurzer Zeit sehr viel Geld verdient. In seinem Fall vielleicht zu viel. Mit dem Geld, da kommen sie alle, die Schmarotzer, die Schulterklopfer. Da muss man wissen, dass die alle nur etwas von einem wollen. Entweder wollen sie mit dir Geld machen, oder sie wollen in deinem Windschatten irgendwas anderes. Wenn man da in seinem Charakter gegen all diese Kerle, die dir soweit in den Hintern kriechen, dass sie oben wieder rauskommen, nicht immun ist, dann hast man ein Problem. Diese ganzen Typen gab es bei mir, die gibt es auch bei Abraham.
Abrahams Trainer Uli Wegner, der auch Sie jahrelang betreute, ging mit Arthur schon bei dessen letztem Kampf hart ins Gericht, warf ihm Sätze wie „Du boxt wie ein Feigling” an den Kopf. Warum tut sich ein Topcoach wie Wegner das noch an?
Die müssen sich hinsetzen und das besprechen. Für einen Trainer gibt es nichts Schlimmeres als einen Boxer, den du nicht mehr erreichst. Wenn du auf den einredest und der sich nur denkt: „Red’ du nur.” Dann macht es keinen Sinn mehr. Uli ist nicht mehr der Jüngste, er hat genug Geld verdient, er macht das nur, weil er die Jungs und den Sport im Herzen trägt. Da fragt man sich schon, warum er sich das mit Arthur noch antut. Er wird jetzt sicher ganz genau schauen, ob Abraham satt ist und eigentlich nicht mehr richtig will. Wenn er es aber in sich findet, dass er wirklich weitermachen will, dann ist Uli der Beste, einen Besseren findet er nicht.
Sehen Sie für Abraham eine Zukunft im Supermittelgewicht?
Ich denke, es wäre besser, er würde wieder ins Mittelgewicht gehen.
Da hatte er immer Probleme, Gewicht zu machen...
Ja, weil ihm immer die Disziplin fehlte. Deswegen sage ich ja: Arthur muss das im Kopf für sich hinkriegen, dann geht das andere von selbst.