Olympia-Sieger Fabian Hambüchen: So sieht meine Zukunft aus

Turn-Olympiasieger Fabian Hambüchen spricht in der AZ übers Aufhören und verpasste Gelegenheiten. "Rausch mit 16? Nie gejuckt!"
Thomas Becker |
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Fabian Hambüchen startete für den KTV Straubenhardt.
dpa Fabian Hambüchen startete für den KTV Straubenhardt.

Turn-Olympiasieger Fabian Hambüchen spricht im AZ-Interview übers Aufhören und verpasste Gelegenheiten. "Rausch mit 16? Nie gejuckt!"

München - Der 30-jährige Bergisch-Gladbacher beendete vor kurzem seine Turnkarriere. In Rio gewann er 2016 Olympia-Gold am Reck. Im AZ-Interview spricht er nun über seine Karriere nach der Sportler-Laufbahn.

AZ: Herr Hambüchen, letzten Samstag haben Sie bei der deutschen Mannschaftsmeisterschaft Ihren letzten Wettkampf geturnt. Was geht einem da durch den Kopf?
FABIAN HAMBÜCHEN: Das war höchst emotional. Ich war schon sehr nah am Wasser gebaut, was ich sonst nicht bin. Viele Leute hatten mir nette Texte geschrieben, mein Mannschaftskollege Jakob hat Worte gefunden, bei denen mir glatt eine Träne über die Wange lief. Damit hätte ich nicht gerechnet. Der Wettkampftag fing morgens um sechs richtig blöd an: Ich war bei meinen Eltern in Wetzlar und hatte mein Wettkampftrikot daheim in Koblenz vergessen – ist mir noch nie passiert.

Sie waren gedanklich schon in Rente...
Während ich noch mal trainiert habe, ist meine Mutter hingefahren und hat das Trikot geholt – da hat die Hambüchen-AG mal wieder funktioniert. Der Wettkampf war dann der Wahnsinn, völlig krank: So viele Kameras und Journalisten!

Und der Moment, als die letzte Übung vorbei war?
Das war am Boden, da hat es mich nicht ganz so gepackt wie vorher am Reck, weil ich mit diesem Gerät halt alles verbinde. Nach meiner Reckübung war ich sehr gerührt. Meine Mutter hat auf der Tribüne einen Heulkrampf bekommen, mein Manager hatte auch Tränen in den Augen, und ich stand da und dachte: Puh! Krasser Moment. Ich kriege jetzt noch Gänsehaut, wenn ich daran denke.

Hambüchen: "Habe an der Uni einen Fußballkurs"

Müssen Turner abtrainieren?
Schwierig. Ich kann keinen Salto mit 50 Prozent machen – da lande ich auf dem Kopf. Ich werde Fitnesstraining machen, habe an der Uni einen Fußballkurs und werde sicher auch in Zukunft Sport machen.

Aber nicht mehr am Reck?
Das Koordinative werde ich nie verlieren, das sind abgespeicherte Bewegungsmuster. Was schnell weg geht, sind die körperlichen Voraussetzungen: Kraft, Schnelligkeit, Kraftausdauer. Das lernst du nur über das Turnen, kannst du mit nichts kompensieren. Wenn ich zwei, drei Wochen aussetze, kann ich vielleicht noch ein paar Sachen hinbekommen, weil ich das Feeling habe. Danach wird’s gefährlich. Ich bin gespannt, wie das wird. Einmal die Woche will ich schon noch an die Geräte gehen.

Was tut alles weh, wenn Sie morgens aufstehen?
Das Thema hatte ich gerade mit meinem Bruder Christian. Seine Freundin sagte neulich zu mir: „Du gehst ja wie ein alter Mann!“ Darauf ich: „Ja, so fühle ich mich auch.“ Dann kam Christian um die Ecke getänzelt. Bei dem ist es mit den Schmerzen am Morgen jetzt wieder gut – aber der hat auch sieben Jahre vor mir mit dem Turnen aufgehört.

An der Sporthochschule Köln studieren Sie "Sport und Leistung". Ist ein Ende absehbar?
Wenn alles gut geht: im Spätsommer 2018. Dann bin ich Bachelor in Sport Science, dem sportwissenschaftlichen Studiengang. Vorher hatte ich Sportmanagement und Kommunikation studiert, aber da war mir der BWL-Pfad zu trocken.

Hambüchen: "Ich hab’ fürs Turnen gelebt"

Kürzlich sind Sie 30 geworden. Haben Sie das Gefühl in den letzten 25 Turn-Jahren etwas verpasst zu haben? Gibt’s Nachholbedarf?
Nicht wirklich. Ich habe den Sport ja gemacht, weil’s mir Spaß gemacht hat. Deshalb habe ich es nie so empfunden, dass ich auf etwas verzichten muss, weder in der Jugend noch heutzutage. Der erste Rausch mit 16? Hat mich nie gejuckt. Ich hab’ fürs Turnen gelebt. Ein Event gibt es aber, das ich gern erlebt hätte: meinen Abi-Ball. Da musste ich ins Trainingslager nach Japan. Aber im Herbst bin ich dann Weltmeister geworden – alles richtig gemacht. Heute denke ich mir: Wenn ich irgendwann mal Kinder habe, gehe ich halt auf deren Abi-Ball. Dann hab’ ich’s doch mal erlebt.

Das vorletzte Kapitel Ihres Buches heißt "Beängstigende Leere", das letzte "Absprung geschafft!" – wohin springen Sie denn?
Als Turner ist man kein Fußballer, der nach der Karriere so ausgesorgt hat, dass er gar nicht mehr arbeiten müsste. Ich habe mir was angespart, baue mit meinem Bruder ein Doppelhaus in Wetzlar, bin bis Olympia 2020 abgesichert was Sponsoren und meinen Job bei Eurosport angeht. Die Zeit nehme ich mir, vielleicht lande ich ja im Medienbereich. Andererseits geht mein Vater Anfang 2020 in Rente – ich könnte mir vorstellen, in seine Fußstapfen zu treten. Vorträge halte ich eh schon parallel – mal sehen, was kommt. Die große Herausforderung ist, jetzt das zu finden, was mich so inspiriert wie der Sport, wo mein Herz drin aufgeht.

Wo steht eigentlich Ihr Rio-Reck?
In Wetzlar in der Turnhalle, mit den olympischen Ringen dran und meiner Unterschrift. Und einem Original-Magnesiakübel aus Rio. Eine tolle Erinnerung, für die Kids eine Wahnsinnsmotivation.

Lesen Sie hier: WM-

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