Olympia: London sucht den Superstar
Sprinter Usain Bolt, Schwimmstar Michael Phelps oder sogar die Deutsche Britta Steffen? Die AZ hat die Top-Athleten der Olympischen Sommerspiele unter die Lupe genommen
LONDON An den U-Bahnstationen der englischen Hauptstadt geht es zu wie auf dem Fischmarkt. In London werden an den Abgängen der „Tube” natürlich weder Räucheraal noch Heringe verkauft. Es sind die Zeitungsverkäufer, die lautstark Sonderausgaben anpreisen. So, als gäbe es kein Morgen. Dabei beschäftigt die britischen Blätter vor allem eine Frage: Wer wer wird der Superstar der Spiele 2012?
Mittlerweile dürfte jeder Einwohner des Vereinigten Königreiches die Namen auswendig kennen. Aus internationaler Sicht ist es eindeutig Sprintstar Usain Bolt, der sich mit Yokan Blake über 100 und 200 Meter sicher packende Duelle liefern wird. Und dann ist da natürlich Rekord-Olympionike Michael Phelps, der mit Ryan Lochte den schärfsten Konkurrent im eigenen Team hat. Die Gesichter der potenziellen Gold-Kandidaten schmücken in London hunderte Werbeplakate für Duschgel, Uhren, Beautyprodukte, Autos und Schmuck an Häuserwänden, Zeitungskiosken oder U-Bahnhöfen. Es ist ein harter Kampf um Medaillen, die Gunst der Fans, denn London sucht seinen Superstar.
Wer aber hat tatsächlich die besten Chancen, der Top-Star der Spiele zu werden. Einen kleinen Hinweis liefert der Schwarzmarkt für Olympia-Tickets. Dort kosten die Karten für den Tag des 100-Meter-Finals der Männer mittlerweile einige tausend Pfund. Vorteil Bolt und Blake also.
Bolt: Er ist der Showman schlechthin. Er ist locker, er ist cool, er ist charismatisch und witzig. Seine legendären Bogenschützen-Pose mit der er einen imaginären Blitz (im englischen Bolt) abfeuert, ist sicher eine der Posen, die es in die Annalen der Sportgeschichte geschafft haben. So wie die Becker-Faust oder der Vettel-Finger. Bei Olympia 2008 in Peking pulverisierte er in 9,69 Sekunden den Weltrekord über die 100 Meter. Zu dieser Goldenen gesellten sich noch das begehrte Edelmetall über die 200 Meter und in der Staffel. „Versagen wäre vielleicht ein zu hartes Wort, aber ich wäre von mir selber sehr enttäuscht, wenn ich in London hier nicht gewinnen würde”, sagte der 25-jährige Jamaikaner.
Doch eine Show wird erst richtig gut, wenn auch ein bisschen Drama dabei ist. Bolt, der bei der WM 2009 den Weltrekord auf 9,59 Sekunden verbesserte hatte, lieferte das Drama bei der WM 2011, In Daegu war er der haushohe Favorit – die Buchmacher wollten gar keine Wetten gegen ihn über die 100 Meter annehmen. Es wäre ein großer Zahltag geworden. Bolt – ein notorisch schlechter Starter, der aber in der Endbeschleunigung so schnell ist, dass er kein guten Start braucht – wurde nach einem Fehlstart disqualifiziert. Geplatzte Titelträume, Tränen, Tragödie. „Das hat mich stärker gemacht”, sagt Bolt, „Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass ich nie ein guter Starter war und auch nie werde. Ich konzentriere mich aufs Laufen.” Sein härtester Gegner dürfte Landsmann Blake sein, der Bolt in dieser Saison bereits zwei Mal besiegen konnte.
Phelps: Drei Olympiasiege, das sorgt bei der US-Schwimm-Legende Michael Phelps nur für ein müdes Lächeln. Der 27-Jährige ist mit 14 Olympiasiegen (insgesamt 16 Medaillen) der erfolgreichste Olympionike aller Zeiten. Und einer, der seinen Fokus wiedergefunden hat. Formschwankungen und sein ausschweifendes Partyleben scheint der Mann, der wegen seiner Dynamik „The Baltimore Bullet” (Die Kugel aus Baltimore) genannt wird, überwunden zu haben. Auf alle Fälle gibt er sich siegessicher: „Ich bin bereit und in Form.” London wird sein Abschied von der olympischen Bühne. Den will ihm sein Freund und Rivale Lochte vermasseln. „London ist meine Zeit”, sagt der. Beide treten über 200 und 400 Meter Lagen gegeneinander an, schwimmen die US-Staffel zusammen, Phelps schwimmt noch Schmetterling und Lochte Freistil.
Steffen: Britta Steffen hat gute Chancen. Der Druck, der auf der Weltrekord-Halterin über 50 und 100 Meter Freistil liegt, ist enorm. Doch sie ist olympiaerfahren. In Peking holte sie zwei Mal Gold, ihre Bilanz insgesamt: 23 Medaillen bei Olympia, Welt- und Europameisterschaften. Doch sie stapelt tief: Wenn ich eine Medaille hole, bin ich zufrieden.”
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