Olympia-Kolumne von Martina Ertl: Die unterbewusste Bremse bei Lena Dürr
Ein Fußballspiel dauert 90 Minuten und in den letzten zwei Minuten kann ein Spiel gedreht werden. Ein Frauen-Slalom hat zwei Läufe und im zweiten Durchgang werden die Karten nochmals neu gemischt. Skifahrerweisheiten, die einfach sind.
Lena Dürr führte nach dem ersten Lauf nach einer fantastischen Leistung. Die Dominatorin im Slalom auf die gesamte Saison hin, die Slowakin Petra Vlhova, schien nach dem ersten Lauf im Kampf um die Medaillen als Siebte schon abgeschlagen. Sara Hector, schon mit Gold aus dem Riesenslalom dekoriert, lag in Lauerstellung auf Platz 3. Ein Blick aus meinem Fenster in Lenggries versprach Kaiserwetter: Blauer Himmel und die Sonne schickte schon die erste Strahlen. Für wen würde sie heute besonders aufgehen?
Vlhova hatte nur eine Chance: Vollgas fahren!
Vlhova hatte es vielleicht am einfachsten. Es gab für sie nur eine Chance: Vollgas zu fahren, um die Hand an die Medaillen zu bekommen. So sah die Fahrt dann auch aus. Der Kurs war von ihrem Trainer so gesteckt, wie sie es immer mag - ein kleiner, legitimer Vorteil. Sie legte in diesen Lauf alles rein, sonst wäre alles verloren gewesen und die Zwischenrechnung ging schon mal auf, als die "1" im Zielraum leuchtete.
Dann kamen die vier Erstplazierten des ersten Laufs und man kann im Nachhinein feststellen, dass keine von ihnen einen guten zweiten Lauf runterbrachte. Bis auf Hector fuhren die Protagonistinnen zu verhalten. Um den Vorsprung vielleicht verwalten zu wollen? Doch diese Zurückgenommenheit rächt sich im Slalom immer brutal.
Im Unterbewusstsein steht man manchmal mehr auf der Bremse als Gas zu geben - und das ist tödlich. Allein Hector wollte nicht mitmachen. Sie wusste, dass es nur über Attacke geht - und schied aus. Vlhova kletterte einen Platz nach dem anderen, bis nur noch Dürr am Start stand. Ein guter Lauf ohne letzte Konsequenz. Traurig zog sie den goldenen Rennhelm vom Kopf. Schade.
- Themen:
- Sport