Olympia-Härtefälle stehen auf dem Prüfstand

Kienbaum (dpa) - Franka Dietzsch ist von Schmerzen geplagt, Rainer Schüttler muss auf Gnade hoffen: Bei der letzten Olympia-Nominierung in der «Medaillenschmiede» Kienbaum steht das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) vor einigen schwierigen Entscheidungen.
«Wir haben eine Reihe von Einzelfall-Entscheidungen zu treffen, doch wir sind sehr gut darauf vorbereitet. Die Kooperation mit der NADA und unserer Doping- und Stasi-Kommission verlief glänzend», kündigte DOSB-Generaldirektor Michael Vesper an, der in Peking erstmals als Chef de Mission das knapp 450 Athleten umfassende deutsche Team anführt.
Vesper will sich dafür stark machen, dass Tennis-As Rainer Schüttler nach seinem Sturm ins Wimbledon-Halbfinale doch noch das Flugzeug nach Peking erwischt. «Ich persönlich würde mich sehr freuen, wenn er in Peking dabei wäre. Die deutsche Norm hat er erfüllt, jetzt hängt alles von der internationalen Norm ab», sagte Vesper. Unstrittig ist hingegen die Nominierung von Nicolas Kiefer und Philipp Kohlschreiber.
Mehr als kritisch stellt sich die aktuelle Situation für die dreimalige Diskus-Weltmeisterin Franka Dietzsch dar. Auf nur noch zehn bis 20 Prozent betitelte ihr Trainer Dieter Kollark die Chancen der Neubrandenburgerin auf einen Start in Peking. «Es ist nicht nur der Fuß, der Probleme macht, sondern der gesamtkörperliche Zustand», unterstrich Kollark.
Seit mehr als sechs Wochen konnte die 40-Jährige wegen zu hohen Blutdrucks und anschließender Fußverletzung keinen Wettkampf bestreiten und die Norm (61,00 m) nicht erfüllen, wird aber am Dienstag auf der Nominierungsliste stehen. Laut Kollark hat DOSB- Präsident Thomas Bach dafür «Grünes Licht» gegeben. Der Coach geht aber davon aus, dass vom DOSB ein Leistungsnachweis gefordert wird.
Doch Dietzsch ist nicht der einzige Problemfall bei den Leichtathleten. Einige vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) auf die Nominierungsliste gesetzte Athleten wie Diskuswerfer Michael Möllenbeck, 10 000-m-Europameister Jan Fitschen oder 110-m-Hürden- Vizeeuropameister Thomas Blaschek hatten im Vorfeld die Normen verfehlt. Der Leipziger war mit 13,60 zum wiederholten Male an den Normzeit (13,49) vorbeigeschrammt. Neue Fragen warf auch Hammerwerfer Markus Esser auf, der am Samstag in Ried/Österreich mit 79,04 Meter verspätet die Norm (78,50) übertraf.
Ganz wichtig wird gerade für die Leichtathleten sein, wie konsequent der DOSB seine eigenen Kriterien anwendet. «Voraussetzung für eine mannschafts- bzw. disziplinbezogene und für eine namentliche Benennung ist grundsätzlich der Leistungsnachweis einer begründeten Endkampfchance», heißt es in den Nominierungs-Grundsätzen. Vorgeschlagen sind vom DLV alle vier Sprint-Staffeln, aber nur dem 4x100-m-Quartett der Männer wird eine reale Finalchance eingeräumt. «Unsere klaren Grundsätze und Kriterien haben bereits bei den Vorschlägen der Verbände ihre Wirkung entfaltet. Trotzdem werden wir einige Einzelfall-Entscheidungen haben», kündigte Vesper an.
Dass das Olympia-Team personell insgesamt wieder in etwa die Dimensionen von Sydney (428 Athleten) oder Athen (452) erreichen wird, ist vor allem den Team-Sportarten zu verdanken. Sollten die Basketballer die Qualifikation schaffen, wären erstmals seit 1996 in Atlanta wieder acht deutsche Mannschaften in den Spielsportarten bei Olympia vertreten. Vor vier Jahren in Athen waren es sechs, in Barcelona und Sydney gar nur fünf deutsche Teams.
Die Handballer sind sowohl mit den Männer-Weltmeistern als auch den bei der WM drittplatzierten Frauen aussichtsreich im Medaillen- Rennen, ebenso die Fußball-Weltmeisterinnen und beide Hockey-Teams. Erstmals seit 36 Jahren sind die Volleyballer dabei, auch die Wasserball-Männer freuen sich auf Peking. In Kienbaum wird auch das Basketball-Team nominiert und müsste von den DOSB-Verantwortlichen schweren Herzens wieder gestrichen werden, falls es in Athen einen Reinfall erlebt.