Olympia: Bayern schlägt Österreich
WHISTLER - Acht Goldene für den Freistaat, nur vier für die Alpenrepublik – und Maria Rieschs Rückkehr gerät am Münchner Flughafen zum Triumphzug – inklusive Blaskapelle: „Ich bin total überwältigt!“
Sie ist wieder zurück! Am Sonntag um 13.25 Uhr, mit gut 20 Minuten Verspätung, landete Maria Riesch auf dem Münchner Flughafen. Eine gute Stunde später hatte die Doppel-Olympiasiegerin alle Formalitäten hinter sich – und Terminal 2 verwandelte sich in eine Partenkirchner Party-Zone: 200 Leute, Kuhglocken-Geläut, Flaggen überall, La Ola – und eine Blaskapelle! Denn Rieschs Fanclub war mit 35 Mann inklusive „Musi“ angereist. Vorstand Wolfi Hostmann dirigierte und begrüßte Riesch – und natürlich auch deren kleine Schwester Susanne: „Wir sind so stolz! Schade, dass es mit dem Sister Act diesmal nicht geklappt hat, aber das kommt noch!“
Maria Riesch war gerührt. „Das übertrifft alles, was ich mir ausgemalt habe“, sagte sie zur AZ. „Ich bin total überwältigt. Wer hätte gedacht, dass ich als anderer Mensch aus Vancouver zurückkomme?“ Nun sei sie aber einfach froh, „endlich heim zu kommen“. Heim nach Bayern, heim ins Land der Olympiasieger.
Denn wo stünde Deutschland ohne seine Athleten aus dem Freistaat? In Vancouver und Whistler gab’s den weiß-blauen Goldrausch! Die Topstars der Spiele sind Riesch und Magdalena Neuner. Die beiden Doppel-Olympiasiegerinnen stammen aus dem Werdenfelser Land, aus Partenkirchen und Wallgau. Einzel-Gold holten zudem Viktoria Rebensburg aus Kreuth und Felix Loch vom Königssee. Hinzu kommt mit bayerischer Hilfe zustande gekommenes Team-gold in Langlauf (Evi Sachenbacher aus Reit im Winkl) und Eisschnelllauf (Anni Friesinger aus Inzell).
Kaum zu glauben, aber wahr: Der Freistaat läge im Medaillenspiegel, ginge es nur um erste Plätze, mit achtmal Gold auf dem vierten Rang. Weit vor der erschreckend schwachen Wintersportnation Österreich – mit vier Goldenen und unglaublich viel Blech. Zettel, Pranger, Herbst, Raich, Walchhofer – die Liste der Enttäuschten ist quasi endlos.
Und Bayern läge auch ganz weit vor Rest-Deutschland: Gold gab’s nämlich nur noch für die im brandenburgischen Neuruppin geborene Rodlerin Tatjana Hüfner und Boblegende André Lange aus Ilmenau in Thüringen. Womit wenigstens die traditionellen Hochburgen des früheren DDR-Wintersports Oberwiesenthal, für den dortigen SC startet Hüfner, und Oberhof – Langes Heimatverein – gepunktet hätten.
Natürlich gibt es noch keine separatistischen Forderungen, den Freistaat künftig als eigene Nation bei Olympia antreten zu lassen. Noch verlangt keiner, dass „Bavaria“ bei der Eröffnungsfeier nach dem englischen Alphabet zwischen Azerbaidjan und Belarus einmarschiert. Auch erklingt bei den Siegerehrungen nicht „Gott mit Dir, du Land der Bayern". Unbestritten aber ist: Bayern war bei den Spielen eine Großmacht.
Doch wie kommt’s? 2006 in Turin stellte der Freistaat bei elf olympischen Goldmedaillen mit Biathlet Michael Greis und Anni Friesinger lediglich zwei Olympiasieger. Allein an der gesunden Luft zwischen Boden- und Königssee, den schönen Bergen und der kräftigen Milch kann’s nicht liegen.
Doch es gibt ihn tatsächlich, den weiß-blauen Königsweg im Wintersport. „Der Erfolg hat System", sagt DSV-Präsident Alfons Hörmann. 2002 war der Allgäuer noch Präsident des Bayerischen Skiverbandes, als er das Konzept der „Eliteschulen des Wintersports“ auf den Weg brachte.
Drei dieser Eliteschulen gibt es in Bayern: neben dem Münchner Isar-Sport-Gymnasium in der Kohlstraße noch das Ski-Internat Oberstdorf und die Christophorus-Schule Berchtesgaden. Außerdem gibt es 40 Partnerschulen entlang des Alpen-Nordrands. Ein Leben zwischen Algebra und Abfahrtshocke, Biologie und Biathlon, Englisch und Eiskanal. Rebensburg, Riesch, Sachenbacher, Loch – sie alle besuchten die Christophorus-Schule. Insgesamt sind 79 der 153 deutschen Olympia-Starter Eliteschüler.
Bayern besser als Österreich? Das lässt man sich ja noch eingehen. Aber auch besser als der Osten der Republik, die frühere Goldschmiede aus sozialistischen Zeiten? Gibt es nicht auch in Oberwiesenthal und Oberhof Eliteschulen? Doch, aber: „Das Erbe der DDR ist längst aufgebraucht“, sagt Hörmann, „davon können wir nicht mehr leben, auch wegen demographischen Entwicklung. Immer mehr Menschen ziehen weg, da kommt kaum was nach.“
Und so wird Bayern auch langfristig die starke Wintersport-Macht Deutschlands bleiben. Glaubt Hörmann: „Als Bayer freue ich mich darüber, als DSV-Präsident sehe ich das mit Sorge. Die Gewichte werden sich in den nächsten Jahren deutlich Richtung Süden verschieben." Und so wird es wohl auch in Sotschi einen Goldrausch in weiß und blau geben. ppa, fk, jos