Olympia 2018: Wulff und der Bauernaufstand

Nach dem Ultimatum der Kläger unterstützt der Bundespräsident die Bewerbung. Sechs Widerspenstige haben wichtige Grundstücke.
von  Abendzeitung

MÜNCHEN/GARMISCH - Nach dem Ultimatum der Kläger unterstützt der Bundespräsident die Bewerbung. Sechs Widerspenstige haben wichtige Grundstücke.

Den Gudiberg haben sie am Mittwoch eingeweiht, hier sollen 2018 die Slalom- Rennen stattfinden. Bürgermeister Thomas Schmid war da, ein hoher Beamter aus der Staatskanzlei auch – so, als gäbe es keine Probleme, als laufe alles nach Plan mit der Olympia-Bewerbung München 2018 und den Grundbesitzern in Garmisch. Jetzt hat sich sogar der Bundespräsident eingeschaltet.

Mindestens sechs der 59 Kläger, die der Olympia-Berwerbungsgesellschaft ihre Grundstücke nicht geben wollen, haben nach AZ-Informationen Flächen, die für die Planung der Olympia-Sportstätten unbedingt benötigt werden. Die 59 haben Staatskanzleichef Siegfried Schneider über Anwalt Ludwig O. Seitz (Labbé und Partner) ein Ultimatum gestellt, bis 22. Dezember die Bewerbung zurückzuziehen.

„Wir lassen uns von einem Anwalt kein Ultimatum stellen“, sagt Ministerpräsident Horst Seehofer, in dessen Machtzentrale das Anwaltsschreiben einging. Der Planungsprozess werde ganz normal weitergehen. Am 11. Januar soll das Bid Book, die Bewerbungsunterlage für die Spiele, beim IOC abgegeben werden.

Noch vorher, so die Kläger, wollen sie dem IOC schreiben, dass ihre Grundstücke „nicht zur Verfügung stehen“. Die Ablehnung sei „bedingungslos“, so Anwalt Seitz. Zu den unerlässlichen Grundstücken gehören auch die von Theo und Agnes Geyer. Sie wohnen am Zielhang des Hausbergs. „Seit 500 Jahren ist der Hof hier, und jetzt wollen’s uns die Halfpipe vor meinen Stall bauen“, sagt die 66-jährige Bäuerin. „Mir san eingsperrt“, sagt Theo, ihr Mann. Und auch der Sohn Karl will nichts mit Olympia zu tun haben: „Wir leben in einem Eventreservat.“ Auch er wohnt am Hausberg und sagt: „So geht’s ned weider.“

Unter den 59 Mandanten von Anwalt Seitz sind Bauern und andere Grundbesitzer, nicht allen geht es um die Jahrhunderte alte Heimat. Manchen, so heißt es in der Marktgemeinde, geht es auch nur ums Geld.

Die Olympiagesellschaft hält das Drohpotenzial der Kläger für begrenzt: Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes, zeigt sich entspannt: „Das IOC ist da viel gelassener, als man in der Region gelegentlich vermutet.“ Es sei ganz normal, dass Bürger gegen die Spiele seien. Entscheidend sei, dass es eine deutlich überwiegende Zustimmung gebe. Laut letzten Umfragen haben sowohl in München als auch in Garmisch die Befürworter der Olympiabewerbung eine Mehrheit.

Seit Mittwoch gibt es einen weiteren prominenten Olympiakämpfer: „Es ist für ein Land eine große Ehre und Chance, Gäste aus aller Welt zu Olympischen Spielen empfangen zu dürfen“, sagte Bundespräsident Christian Wulff. Am Tag nach dem Paukenschlag der Kläger bekommt der Zuspruch des Staatsoberhaupts besonderes Gewicht.

„Es wäre schön, wenn wir die Grundstücke der Kläger hätten“, sagt Florian Nöbauer, Sprecher der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen. Es gebe aber immer einen „Plan B“. „Wir haben für alle Eventualitäten Alternativen“, sagt Berhard Schwank, Geschäftsführer der Bewerbergesellschaft.

Auch für die Halfpipe am Hausberg soll es schon eine Neuplanung geben. Nicht mehr vor dem Stall von Agnes Geyer.

mm/bö

„EIGENTUM VERPFLICHTET“: Wie geht das mit der Enteignung?

Wenn es hart auf hart kommt, werden die Grundstückseigentümer von Garmisch enteignet?

Schon im Grundgesetz Artikel 14 heißt es: „Eigentum verpflichtet.“ Und in Satz 2: „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.“

Es gelten strenge Auflagen, die in Gesetzen geregelt sind. Laut „Bayerischem Gesetz über die entschädigungspflichtige Enteignung“ (BayEG) kann enteignet werden, um „Einrichtungen zu schaffen oder zu ändern, die der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege oder der Körperertüchtigung dienen“. Dazu könnte man die Olympischen Spiele durchaus zählen. Allerdings haben sowohl Staatsminister Schneider als auch Ministerpräsident Horst Seehofer Enteignungen ausgeschlossen – bislang.

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