Olympia 2018 auf der Kippe

MÜNCHEN - Münchens Bewerbung um die Winterspiele ist akut gefährdet. Da war die Streichung von Oberammergau, auch Garmisch macht Ärger. Und nun droht Boss Bogner mit Rücktritt.
Knapp ein Jahr noch, dann soll Südafrika die nächste Party erleben. Wie jetzt die Spanier wollen dann die Münchner mit ihrem Bewerbungschef Willy Bogner jubeln. Am 6. Juli 2011 kürt das IOC in Durban den Ausrichter der Winterspiele 2018. Drei Kandidaten treten an: Außenseiter Annecy und die beiden Topkandidaten München und Pyeongchang. Allerdings steht die bayerische Bewerbung vor großen Problemen – die Posse um den Standort Oberammergau, die Kritik aus der Staatskanzlei, der Widerstand in Garmisch. Und jetzt scheint sich auch schon Bewerbungschef Bogner mit dem Scheitern zu beschäftigen, von einer Rücktrittsdrohung ist sogar die Rede. Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen:
Wirft Willy Bogner hin?
Der Designer und Filmemacher droht laut „Süddeutscher Zeitung“ mit seinem Rücktritt als Vorsitzender der Bewerbungsgesellschaft. Hintergrund soll sein, dass für die Bewerbung das Geld fehle. Vor einer Sitzung am Donnerstag in der Staatskanzlei habe Bogner die Gesellschafter deshalb unter Druck gesetzt. In einem Schreiben verlange Bogner ein höheres Budget und die Lösung der aktuellen Finanzprobleme. „Die Lösung der beiden Problemfelder ist für mich und mein weiteres Engagement als Geschäftsführer entscheidend“, zitiert die SZ aus dem Schreiben.
Am Abend dementierte Bogner per Pressemittelung halbherzig: „Ich habe nicht mit meinem Rücktritt gedroht und werde dies auch in der Zukunft nicht tun", ließ er schreiben – leugnete aber die Existenz eines Brandbriefs nicht: „Bogner hatte sich in einem vertraulichen Brief an die Gesellschafter und den Aufsichtsrat gewandt. Darin hat der Münchner deutlich gemacht, dass sein Engagement natürlich im Zusammenhang mit den Rahmenbedingungen der Gesellschaft steht“, heißt es in der Pressemitteilung. .
Warum wurde Oberammergau gestrichen?
Von Anfang an gab es massive Kritik am Biathlon- und Langlauf-Standort. Die Romanshöhe liegt meist in der prallen Sonne, die künstliche Beschneiung wäre massiv gewesen. Dazu kamen schlechte Verkehrsanbindung und Bürgerproteste, allen voran von Grundstückseigentümern, die sich gegen eine Verpachtung wehrten. Also fand die 2018-GmbH als nächsten Ersatz nun das staatliche Gut Schwaiganger bei Ohlstadt, das ebenfalls noch zum Austragungsort Garmisch zählt.
Warum gibt es in Garmisch Probleme?
Weil sich auch hier viele Eigentümer weigern, ihre Grundstücke für Wettkampfstrecken, Tribünen und Parkplätze herzugeben. Dabei geht es nicht nur um die 16 Tage der Winterspiele im Februar 2018. Die Eigentümer müssen die Flächen von April 2016 bis Juli 2018 abtreten. „Die meisten haben einfach Angst vor Einschnitten“, sagt der Grünen-Landtagsabgeordnete Ludwig Hartmann, Sprecher vom Aktionsbündnis „NOlympia 2018“, „keiner kann sagen, wie die Grundstücke danach aussehen, ob sie das Land wieder so nutzen können wie zuvor.“ Ohne Zustimmung der Eigentümer geht nichts, wie Staatskanzlei-Chef Siegfried Schneider in der „SZ“ sagte: „Ohne Garmisch kein Olympia.“ Seit Anfang dieser Wochen haben die Olympia-Gegner im gesamten Landkreis Unterschriftslisten ausgelegt. So – und mittels einer Online-Umfrage – soll die vermeintlich negative Stimmung statistisch belegt werden.
Gibt es noch andere Gründe für den Widerstand?
Ja. „Mag sein, dass es einigen wenigen auch ums Geld geht“, sagt Hartmann, „dass einige pokern wollen.“ Wer in Garmisch mit Menschen redet, hört aber oft, dass es bei einigen Eigentümern auch an der Personalie Thomas Schmid liegt. Der Bürgermeister war bis 2007 in der CSU, nach Querelen trat er aus, wurde als Spitzenkandidat der Wählervereinigung Christlich-Soziales Bündnis wiedergewählt. Möglich, dass ihm einige wegen des Scharmützels von damals die Olympia-Vision vermiesen wollen.
Was werfen die Gegner den Bewerbern vor?
Vor allem mangelnde Kommunikation. Hartmann sagt: „Viele Bürger fühlen sich in den Planungen einfach übergangen. Das war eine arrogante Herangehensweise von ganz oben.“ Klare Kritik gab es auch von Siegfried Schneider: „Die Gemeinde und die Bewerbungsgesellschaft haben zu spät mit den Grundstückseigentümern gesprochen. Das war ein Fehler.“
Was fordern die Widersacher?
Mehr Transparenz und eine Neuordnung der Wettkampfstätten. „Wir sind nicht gegen Wintersport“, sagt Hartmann, „aber gegen die Planungen wie sie jetzt sind.“ Aus dem „Plus 2“-Konzept (Eis und Hallenbewerbe in München, Schnee-Entscheidungen in Garmisch, Eiskanal am Königssee) fordert NOlympia „Plus 4“ – mit Ruhpolding (Biathlon, Langlauf) und Inzell (Eisschnelllauf). Wegen der bestehenden Infrastruktur. 2012 ist in Ruhpolding WM, dafür pumpen Bund und Land 16 Millionen Euro in die Modernisierung. Ähnlich im Eisschnelllauf-Mekka Inzell, Austragungsort der WM 2011. Es entsteht eine olympiataugliche Halle für 36 Millionen Euro.
Was sagen die Bewerber?
Sie lehnen eine Konzept-Änderung ab. Grund: Als das IOC kürzlich die drei Bewerber zu Kandidaten kürte, erhielt Annecy einen Rüffel, weil die Wettkampforte zu verstreut waren. „Nur mit diesem Konzept haben wir eine Chance“, sagt 2018-Planungschef Jürgen Bühl. Je größer die Streuung, desto geringer die Erfolgsaussichten. Auch bei den Verhandlungen mit den Grundstückseignern hofft Bühl auf eine baldige Einigung. „Es laufen intensive Gespräche, wir sind zuversichtlich, dass wir zu einem guten Abschluss kommen.“
Was sagt das IOC?
Der Wechsel zu Schwaiganger sei kein Prolem, so IOC-Sprecher Andrew Mitchell zur AZ. „Wenn es Änderungen gibt, dann werden sie in den Unterlagen des Kandidaten beschrieben, die bis 11. Januar 2011 einzureichen sind.“ Tatsächlich wird in Lausanne die Unruhe in München registriert. Anfang 2011 schickt das IOC seine Evaluierungskommission, dabei geht es um die finale Bewertung des Kandidaten und auch die Stimmung vor Ort.
Noch mehr Unruhe sollten sich die Olympia-Planer somit nicht leisten. Sonst wird es am 6. Juli 2011 wirklich nur noch ein Zweikampf – zwischen Pyeongchang und Annecy.
Florian Kinast