Nowitzki: "Ich bin null eitel"
Treffen mit einem deutschen Superstar. Dirk Nowitzki, 32 Jahre alt, 2 Meter und 13 groß, Basketball-Profi bei den Dallas Mavericks in der Glamourliga NBA. Jahresverdienst: 20 Millionen Dollar. „Dirkules“, „Flying Deutschman“, „German Wunderkind“ sind nur einige der vielen Liebesbekundungen seiner Fans. Zu Beginn der NBA-Playoffs (erster Gegner der Mavericks ist Portland) traf die AZ Nowitzki zum großen Gespräch im American Airlines Center in Dallas.
AZ: Herr Nowitzki, die anstehenden Playoffs sind Ihr zwölfter Versuch den langersehnten NBA-Titel zu gewinnen. Was macht Sie so sicher, dass es diesmal klappt?
DIRK NOWITZKI: Weil wir einfach an der Reihe sind. Wir haben es oft probiert, sind oft ganz knapp davor gescheitert. Beharrlichkeit zahlt sich im Hochleistungssport auf Dauer aus. Man muss etwas wirklich wollen. Und wir wollen es, ich will es mehr denn je. Mein Gefühl sagt mir, dass in diesem Jahr einiges möglich ist. Portland ist nicht zu unterschätzen, aber ein Erstrundenaus wie im letzten Jahr wird uns nicht nochmal passieren. Das garantiere ich. Ich will mich nicht in die Namen der Spieler einreihen, die großes persönliches Potenzial nie mit einem Titelgewinn krönen konnten.
Sie werden aber auch nicht jünger. Läuft Ihnen nicht allmählich die Zeit davon?
Ich fühle mich mit 32 immer noch frisch genug, um das zu Ende zu bringen: Ich möchte mir meine Träume erfüllen. Ich hatte Respekt vor den 30ern, weil ich dachte, jetzt bin ich wirklich uralt. Im Endeffekt war es dann nur ein Tag wie jeder andere. 30 hört sich so viel älter an als 29, gerade für einen Profisportler. Damit gehörst du – statistisch – unweigerlich zur alten Garde in der Liga. Wenn ich in der Früh aufstehe, zwickt’s schon mal hier und mal da. Man braucht kein Hellseher zu sein, irgendwann ist es vorbei. Aber ich habe keine Angst davor.
Was genau möchten Sie noch zu Ende bringen?
Der eine Traum war die Teilnahme an Olympischen Spielen (2008 in Peking; d. Red.), das habe ich erreicht. Das war bisher das schönste, emotionalste Erlebnis in meinem Leben. Wir haben dort nichts gewonnen, aber wegen Olympia habe ich mit dem Sport überhaupt angefangen. Es war gigantisch. Mein zweiter Traum ist jetzt noch die Meisterschaft mit Dallas in der NBA. Das letzte, was mir persönlich noch fehlt. Dafür spiele ich verletzt, ich spiele krank, ich will das Ding endlich holen.
Stimmt es, dass Sie eine bestimmte Diät einhalten, die sie noch fitter, besser macht?
Für mich ist es am besten auf rotes Fleisch zu verzichten. Es ist von der Verdauung her sehr schwer, da muss mein Körper lange arbeiten und wird müde. Weißes Fleisch, Truthahn etwa, und weißer Fisch sind wesentlich bekömmlicher. Ich habe kontinuierlich drei Kilo abgenommen, wiege jetzt 110 Kilo, fühle mich entschlackter, leichter. Wenn man sich die Spieler anschaut, die bis ins hohe Alter ein hohes Level abgeliefert haben, dann waren das die, die ihr Gewicht gehalten haben. Alle, die behäbig und schwer wurden, bei denen ist es schnell vorbei. Irgendwann tragen deine Knie dein Gewicht nicht mehr und dann kommen die Verletzungen. Shaq O’Neal ist dafür ein gutes Beispiel.
Wenn Sie in Ihren hochgerüsteten Körper reinhören, spüren Sie, ob noch eine Meisterschaft drin ist?
(lacht) Ich bilde es mir zumindest ein. Ich habe mir das schon öfters vorgestellt, wie ich dann feiern würde, wenn ich den Ring an den Finger kriege. Das wäre ein einmaliges Erlebnis. Ich dachte nie, dass ich im Sport so emotional werden kann. Aber als wir es damals zu Olympia geschafft hatten, da ist es eine halbe Stunde nur so aus mir herausgeflossen. Ich habe nur noch geheult, ein unglaublicher Moment für mich. Ich konnte mich überhaupt nicht mehr bremsen. Wenn ich mein Ziel hier mit den Mavericks in diesem Jahr erreichen werde, wird in Dallas die größte Party steigen, die die Stadt je gesehen hat. Dieses Gefühl einmal erleben zu dürfen, ist meine Motivation, im Sommer jeden Tag wie ein Bekloppter in Rattelsdorf in der Trainingshalle herumzuirren.
Ihr Ehrgeiz soll fast masochistische Züge tragen.
Ganz so schlimm ist’s nicht. Auch wenn’s platt klingt: Von nix kommt nichts. Als ich angefangen habe, da war ich der Erste in der Halle und der Letzte raus. Jetzt mit 32 muss ich das nicht mehr. Vielleicht sind es meine polnischen Wurzeln, dass ich unbedingt was aus mir machen will. Jeder hier in der NBA hat großes Talent, aber die, die am meisten draus machen, sind die, die sich die Extrastunden reinhängen. Ein, zwei Mal die Woche mache ich mit einem Personaltrainer Yoga, um die Muskeln zu dehnen. Je älter ich werde, desto mehr muss ich tun.
Reden wir über die neue deutsche Welle an Sport-Superstars wie die Golf-Nummer 1 Martin Kaymer oder Formel 1-Weltmeister Sebastian Vettel. Was können Sie als erfahrener Weltstar Ihnen raten, wie Sie mit Druck und Heldenstatus klarkommen sollen?
Ich habe mich nie verstellt. Aber auch das ist manchmal sehr schwer, wenn die ganze Welt etwas von einem will. Als es in meinem Privatleben vor zwei Jahren so richtig schiefgegangen ist, das weiß ja inzwischen jeder, da hat mich die Familie aufgefangen und aufgebaut. Mir war immer wichtig, dass die Familie, also die Menschen, denen ich am meisten vertraue, in meiner Karriere die Fäden ziehen. Den Tipp kann ich Sebastian oder Martin nur geben.
Sie sprechen es an. Ihr Saubermann-Image hat 2009 Flecken bekommen durch den Skandal um Ihre Ex-Freundin, Cristal Taylor, eine mehrfach von der Polizei gesuchte Betrügerin. Wie schmerzhaft war die Erfahrung?
Es war eine grausame Erfahrung, aber die Familie war wieder einmal die absolute Bank. Ich habe einen Fehler gemacht und es hat eine Weile gedauert, bis ich mich da wieder rausgezogen hatte. Als das ganze passiert ist, war ich total down und habe auch gedacht, das wirst du jetzt den Rest deines Lebens mit dir herumschleppen. Dann war ich mit den Eltern im Urlaub und schon da ging es mir schnell besser. Man sagt ja so schön, die Zeit heilt Wunden. Das ist im Sport so und das gilt fürs Private auch. Ich war überrascht, wie schnell ich die Geschichte verarbeiten konnte.
Popsängerin Duffy hat kürzlich gesagt: „Der Ruhm hat mich einsam gemacht!“ Sind diese Parallelwelten, das private Leben und das Leben des prominenten Basketballstars im Scheinwerferlicht und Glamour, dem die Mädchen schöne Augen machen, schwer zu vereinbaren?
Da ist was dran. Man sagt ja auch: Geld allein macht nicht glücklich. Manchmal würde ich mir wünschen, dass ich meine Fehler nur für mich machen kann und nicht vor aller Augen. Der ganze Glamour hat mich nie interessiert, der Sport stand immer im Vordergrund. Es nervt irgendwann, überall erkannt zu werden. Da würde ich mir schon wünschen, die Zeit zurückdrehen und in Ruhe zum Abendessen oder ins Kino gehen zu können, ohne dass mich immer und überall einer erkennt. Gerade bei meiner Größe ist Anonymität unmöglich. Viele meiner Teamkollegen, die nicht so groß sind, ziehen sich eine Sonnenbrille und eine Mütze über und tauchen in der Masse unter. Bei meiner Größe macht es keinen Sinn sich zu verkleiden.
Sind Narben geblieben aus dem Skandal?
Ich bin fast wieder der Alte. Ich bin ein offener, witziger Typ, der die Gesellschaft von Menschen mag. Das war mir wichtig, dass ich mich durch ein einzelnes Erlebnis nicht total von allen abkapsle. Klar, ab und zu kommt mir die ganze Geschichte nochmal durch den Kopf. Dass man alles auf einmal in kürzester Zeit vergisst und wie brainwashed am nächsten Morgen aufwacht, so banal war es ja nicht. Ich hatte auch vorher keinen riesigen Freundeskreis, mein Inner Circle ist nur noch wichtiger geworden. Das Wichtigste für mich war zu wissen: ich kann wieder vertrauen.
Würden Sie sagen, die große Liebe zu finden, ist, im Vergleich zu einem großen Titel im Sport, noch schwieriger?
Mein Fokus liegt im Moment auf der Meisterschaft mit Dallas. Wenn ich nebenbei eine Familie gründen könnte, wäre das toll. Aber dafür bleibt nach meiner Karriere auch noch genug Zeit. Ich muss nicht in irgendwas rein rennen, nur weil ich mich selbst unter Druck setze, dass ich unbedingt Kinder haben muss. Aber klar ist: Familie ist das andere große Ziel in meinem Leben. Ich bin sehr kinderlieb, auch als Onkel bin ich talentiert. Fragen Sie meine Schwester. Im Moment sind ihre beiden Kinder noch sehr klein, aber wenn die älter werden, so vier, fünf, wenn sie die ersten Dinge verstehen, dann bin ich ihr idealer Spielpartner.
Der Sport und die Frauen ist auch ein eigenes Thema. Ihr Basketball-Kollege Tony Parker hat sich von seiner Frau, Hollywood-Star Eva Longoria scheiden lassen, die Ehe Ihres Kumpels Steve Nash ist kaputt, über Tiger Woods’ Eskapaden ist alles gesagt. Haben Sportler kein Talent für Familie und die Ehe?
Stimmt, wir haben dafür wirklich kein natürliches Talent. Es ist sicher von allem ein bisschen: Wir sind nie zuhause, viel unterwegs und wenn man berühmt ist, gibt es auch viele Versuchungen am Wegesrand, denen man widerstehen können muss. Dafür brauchst du eine gefestigte Persönlichkeit. Und dann steckt auch noch jeder seine Nase in dein Privatleben, das ist kein Spaß. Die Familien-Frage ist sicher die schwierigste Begleiterscheinung, wenn du jung Karriere machen willst. Aber andererseits sind wir Profisportler mit 35 fertig und haben ausgesorgt, da müssen alle anderen bis 65 noch kräftig stricken. Wir bekommen also noch genügend Zeit fürs Private, wenn die Karriere vorbei ist. Kein Grund zum Jammern.
Letztes Jahr haben Sie bestätigt, dass es eine neue Frau in Ihrem Leben gibt: Die Schwedin Jessica Olsson, Managerin der Kunstgalerie von Popstar George Michael.
Jessica ist das Beste, was mir das Jahr über passiert ist. Nach den Vorfällen hätte ich nicht gedacht, dass ich mich so schnell auf was Neues einlasse kann. Jessica ist eine tolle Frau, smart und intelligent. Jetzt schau’n wir einfach mal, wie sich das mit uns über die Zeit entwickelt. Es fühlt sich jedenfalls toll an, warten wir ab, was daraus wird.
Haben Sie George Michael auch kennengelernt?
Ich habe ihn schon vorher, unabhängig von Jessica, kennengelernt. Ein enger Freund von George Michael, der hier in Dallas lebt, ist ein großer Mavericks-Fan. George Michael war zu Besuch in der Stadt und er hat uns zu sich nach Hause eingeladen. Ein wirklich netter Typ, aber von Basketball hat er keine Ahnung.
Auch er hat seit Jahren große private Probleme: Sex, Drogen, Alkohol…
Ja, Wahnsinn. Er war wiederholt im Gefängnis (u.a. Autofahren unter Drogeneinfluss; d. Red.), das ist schade. Ich hoffe, dass er daraus gelernt hat. Er hat schon eine Menge mitgemacht. Das ist sehr schade, denn auch wenn ich sonst eher härtere Sachen wie Green Day, Linkin Park oder die Foo Fighters höre, ich mag seine Musik sehr.
Viele verlieren den Boden unter den Füßen, wenn Sie Millionen verdienen. Sie nicht?
Es ist schön zu wissen, dass ich nie wieder in meinem Leben arbeiten und ich mir auch nie wieder Gedanken darüber machen muss. Aber ansonsten hat mir Geld noch nie viel bedeutet. Das haben mir meine Eltern mitgegeben. Wir hatten einen Malereifachbetrieb, kleiner mittelständischer Betrieb, bodenständige Leute. Ich hatte nie die Vorstellung, dass ich jetzt eine eigene Yacht haben muss oder ein Privatflugzeug. Den einzigen Luxus, den ich mir gönne, sind ein Mercedes und ein schönes Haus.
Für extravaganten Lifestyle und teure Designerklamotten sind Sie eh nicht bekannt.
Wenn ich meine Teamkollegen sehe, muss ich sagen: ich bin null eitel. Weil ich immer im selben Schlabberjeans-Look herumlaufe und Shorts trage, die fünf, sechs Jahre alt sind. Um ehrlich zu sein: Ich hasse shoppen. Auch als Jugendlicher bin ich nie in die Stadt gegangen, um Klamotten zu kaufen. Das hat mich viel zu sehr genervt. Neulich habe ich ein paar neue Schuhe gebraucht, wir hatten einen Tag frei, aber auch das war nix. Ich bin in der Mall herumgelaufen wie ein Irrer und habe nichts gefunden. Es lag nicht mal an der Größe, es hat mir einfach nichts gefallen. Das ist frustrierend.
Sie machen Werbung für eine Direktbank. Haben Sie an den Börsen in den letzten Jahren viel Geld verloren?
Das hat jeder, egal wie du es angelegt hast. Wie viel es genau war, hat mich nie interessiert. Meine Strategie ist langfristig und konservativ. Wenn ich es lange genug liegen lasse und über die Jahre einfach nicht anfasse, ganz egal wie sehr es jetzt im Minus steht, irgendwann wird es wieder hochkommen.
Als sogenanntes Wunderkind wurden Sie von jung auf in ein Leistungsschema gepresst. Hatten Sie als Mensch je die Chance da mitzu wachsen?
Als ich mit 19 in die USA kam, war ich noch ein halbes Kind. In den letzten 13 Jahren habe ich viele Erfahrungen in kürzester Zeit gemacht, die andere im ganzen Leben nicht machen. Ich bin in der ganzen Welt herumgekommen, habe unterschiedlichste Menschen kennengelernt. In der gleichen Zeit sind viele meiner Freunde nie aus Würzburg herausgekommen. Der Basketball ist ein schnelles Leben, ein Reifeprozess auf der Überholspur.