Novak Djokovic: Der verschmähte Küsschengeber

Wenn Djokovic, der wegen seiner Impfverweigerung zuletzt kaum gespielt hat, in Monte Carlo auf die Tour zurückkehrt, geht für ihn auch der ewige Sisyphos-Kampf um die Gunst des Publikums weiter.
von  Thomas Becker
Novak Djokovic kehrt in Monte Carlo auf die Tour zurück und buhlt um die Gunst des Publikums.
Novak Djokovic kehrt in Monte Carlo auf die Tour zurück und buhlt um die Gunst des Publikums. © imago images/Schreyer

Er ist wieder da. Wenn Novak Djokovic nun in Roquebrune-Cap-Martin auf der Anlage des Monte Carlo Country Club gegen den Spanier Davidovich Fokina wieder die Arbeit aufnimmt, endet eine reichlich kuriose Zeit für den Weltranglistenersten.

Für Djokovic läuft es alles andere als rund

Nur drei Matches hat er in diesem doch schon fortgeschrittenen Jahr auf der Tour bestritten - beim Turnier Ende Februar in Dubai. Nach Siegen gegen den Russen Karen Khachanov und den Italiener Lorenzo Musetti war dort im Viertelfinale Schluss, gegen den Tschechen Jiri Vesely, die Nummer 69 der Tenniswelt. Wenig später gab der Ex-Boris-Becker-Schützling die Trennung vom langjährigen Coach Marian Vajda bekannt, und wieder poppte die ewige Djokovic-Frage auf: Was ist los mit dem?

Den Titel bei den Australian Open hat Djokovic nicht verteidigen können, weil er nicht gegen Corona geimpft ist und keine Einreiseerlaubnis bekommen hatte. Auch beim Masters-Turnier in Indian Wells und beim Turnier in Miami war er nicht dabei, da die USA Nichtgeimpften die Einreise verweigern. Einer Teilnahme an den Ende Mai beginnenden French Open steht nach einer Lockerung der Corona-Auflagen dagegen nichts mehr im Weg.

Die Einschränkung, dass nur Geimpfte an Wettkämpfen teilnehmen können, wurde aufgehoben. "Nach derzeitigem Stand spricht nichts dagegen, dass Djokovic an den French Open teilnimmt", sagte Turnierdirektorin Amélie Mauresmo. Ob es eine Rückkehr Richtung Normalität wird? Wohl eher nicht.

Serbischer Tennisprofi polarisiert wie kein Zweiter

Kein anderer Tennisspieler hat länger auf Platz eins der Weltrangliste gestanden, nur Rafael Nadal hat mehr Grand Slams gewonnen. Die meisten anderen Statistiken führt der 34-Jährige an. In der ersten umfangreichen Biografie schildert Daniel Müksch nun in "Novak Djokovic - ein Leben lang im Krieg" (Verlag Die Werkstatt) den Aufstieg eines Mannes, der - nicht erst seit seiner Weigerung, sich gegen Corona impfen zu lassen - polarisiert wie kein Zweiter.

Ausgehend von den Kindertagen im vom Bürgerkrieg erschütterten Jugoslawien bis zu den Triumphen auf den Center Courts. Djokovic ist elf, als am 24. März 1999 Nato-Bomber die ersten Angriffe auf Belgrad fliegen und Nole sich mit den zwei jüngeren Brüdern in Opa Vlados Luftschutzkeller flüchtet. Drei Monate lang drängten sich hier rund 20 Familien.

Ein Kampf gegen Nadals und Federers Establishement

Als er doch mal vor die Tür geht, sieht er, wie ein F-117-Bomber zwei Bomben abwirft - bis heute erschrickt er bei lauten Geräuschen. Wie er in den Jahren danach diese Zeit beschreibt, trägt sicher dazu bei, dass er in Serbien wie ein Volksheld verehrt wird. Außerhalb der Heimat fliegen ihm die Herzen der Fans nur selten zu. Oft ist er ausgebuht worden. Auch von diesem Kampf gegen das von Nadal und Federer verkörperte Country-Club-Establishment handelt dieses Buch.

Das Leben des Djokers ist eine Geschichte für sich. Seine Tennis-Anfänge macht er in den Bergen von Kopaonik unter der gestrengen Monica-Seles-Trainerin Jelena Gencic. Es folgt die prägende Teenager-Zeit bei Niki Pilic in Oberschleißheim, dann sein erster Manager (dem heutigen DTB-Vizepräsident Dirk Hordorff). Er holt die ersten Siege, gewinnt die ersten Turniere, von denen so viele folgen sollten. Dennoch: Ein Liebling der Massen ist Djokovic trotzdem nie geworden - so sehr er sich auch darum bemüht hat.

Djokovics Saisonstart in Monte Carlo: Eine Heruasforderung

Seit Jahr und Tag wirft er nach jedem Sieg Kusshände ins Publikum, in alle Himmelsrichtungen, damit er auch ja jeden erwischt. Gern gab er früher den Clown, imitierte Nadals Fummeleien, Beckers Zungenspiele oder McEnroes Aufschlag-Gewackel - da waren ihm die Lacher gewiss. Aber spätestens wenn es gegen die Unantastbaren Federer oder Nadal geht, sind die Sympathien wieder so verteilt wie immer - gegen Djokovic.

Ob und wann Federer je wieder auf den Platz zurückkehrt, ist offen. In Monte Carlo fehlen auch Nadal und Medwedew, der dem Serben kurzzeitig die Nummer eins stibitzt hatte, verletzungsbedingt. Ansonsten sind beim Auftakt in die Sandplatzsaison die ersten 14 der Weltrangliste am Start. Ein fordernder Saisonstart für den an eins gesetzten Djokovic, der mit Ausnahme des Dubai-Intermezzos zuletzt im November ein ATP-Match bestritten hat: Finalniederlage gegen Sascha Zverev.

Dass der Perfektionist Djokovic austrainiert und maximal motiviert ins Rennen gehen wird, davon kann man getrost ausgehen. Die Anlage in Roquebrune-Cap-Martin kennt er aus dem Effeff: Der Serbe wohnt wie so viele Kollegen auch der günstigen Steuern wegen im Fürstentum und hat hier seit mehr als 15 Jahren seine Trainingsbasis. Im Viertelfinale könnte er es mit dem jungen Shooting-Star Carlos Alacaraz zu tun bekommen - man ahnt schon, wen die Fans anfeuern werden.

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