Nordische Ski-WM: Skisprung-Training in Lahti vom Winde verweht

"Here we go!" Die deutschen Skispringer um Andreas Wellinger starten die Jagd nach dem WM-Titel mit viel Selbstbewusstsein.Das erste Training am Mittwoch musste wegen zu starken Windes abgesagt werden.
Lahti - Die Schanzen-Wettbewerbe bei den nordischen Ski-Weltmeisterschaften in Lahti könnten zum Geduldsspiel werden. Bereits das erste Training der Skispringer am Mittwoch musste wegen zu starken Windes abgesagt werden. Die Vorhersagen für die kommenden Tage lassen weitere Verschiebungen befürchten.
Am Mittwoch ließen heftige Böen für Andreas Wellinger und Co. keinen der drei geplanten Durchgänge auf der Normalschanze zu. Die DSV-Adler von Bundestrainer Werner Schuster absolvierten stattdessen individuelle Einheiten in der Halle. Am Vormittag war bereits das Training der Frauen nach 24 Athletinnen abgebrochen worden, nachdem die Kombinierer um Olympiasieger Eric Frenzel ihre drei Durchgänge noch absolviert hatten.
Am Freitag soll die WM-Entscheidung bei den Frauen fallen, am Samstag kämpfen die Männer erstmals um Gold.
Die Schanze in Lahti gilt seit Jahren als äußerst windanfällig. Bestes Beispiel ist der WM-Triumph von Jens Weißflog im Jahr 1989: Der zweite Durchgang des Wettkampfes war wegen starken Windes zunächst um einen Tag verschoben worden, am folgenden Tag wurde der führende Weißflog wegen der weiter schwierigen Bedingungen zum Weltmeister erklärt.
Wellinger: "Here we go!"
Am Dienstagnachmittag flog LH 2464 Andreas Wellinger und Co. von München nach Helsinki, einen Tag später verhinderte der böige finnische Wind die ersten Flugversuche der DSV-Adler auf der WM-Schanze von Lahti - doch am Samstag wollen sie Richtung Titel abheben: Mit Vollgas nehmen Deutschlands Skispringer das Abenteuer Finnland in Angriff. "Here we go!", teilte Topmann Wellinger bündig mit - ab jetzt sollen Taten sprechen.
Zwei Jahre nach dem WM-Rausch von Falun mit dreimal Gold und einmal Silber sind die Aussichten erneut blendend - daran kann auch der Ausfall von Titelverteidiger Severin Freund (Kreuzbandriss) nichts ändern. "Ohne Sevi ist es eine neue, aber auch interessante Situation für das Team", sagt Bundestrainer Werner Schuster, der seine Jungs angesichts des abgesagten Schanzentrainings am Mittwoch zur Leibesertüchtigung in der Sporthalle versammelte: "Ich sehe uns in der Lage, in allen Wettbewerben mit um die Medaillen zu kämpfen.
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Dass der Österreicher Schuster mit einem Höchstmaß an Zuversicht in seine fünfte WM als deutscher Bundestrainer gehen kann, ist vor allem Wellingers Verdienst. Der Ruhpoldinger war 2014 als 18-Jähriger Mannschafts-Olympiasieger, suchte danach aber konsequent seine Rolle im Team und eine stabile Form.
Beides hat er mittlerweile gefunden: Bei den acht jüngsten Springen war er nie schlechter als Vierter, stand siebenmal auf dem Podest, gewann in Willingen. Wie anders soll das Ziel für die anstehenden Titelkämpfen also lauten als Medaille, womöglich schon im Auftaktwettkampf von der Normalschanze am Samstag (16.30 Uhr MEZ/ZDF und Eurosport)? "Wenn ich ordentlich springe, so wie es im Moment der Fall ist, dann besteht die Möglichkeit aber auf jeden Fall", sagt der Oberbayer.
"Skispringen in Lahti ist ziemlich schön!"
Der Wellinger in Lahti ist der typische Wellinger der vergangen Wochen: Fokussiert, zielstrebig, aber auch sichtlich gelöst und in sich ruhend. "Man kann an den Ergebnissen ablesen, wie viel Spaß mir mein Sport derzeit macht", sagt er. Spaß im Allgemeinen, Spaß im Speziellen am WM-Ort. "Skispringen in Lahti ist ziemlich schön! Typisch finnisch halt, heißt: eine doch etwas windigere Angelegenheit als anderswo. Trotzdem machen beide Sprunganlagen richtig viel Spaß", sagt er.
Dabei waren Wellinger und die Salpausselkä-Schanzen bislang keine dicken Freunde: Bei sieben Starts im Weltcup waren ein 13. Platz auf dem kleinen und ein 18. auf dem großen Bakken die besten Ergebnisse. Dennoch steht der Salpausselkä-Höhenzug an Lahtis Stadtrand für deutschen Salpausselkä-Höhenflug: Die DDR-Springer Matthias Buße (1978) und Jens Weißflog (1989) wurden hier ebenso Weltmeister wie Martin Schmitt (2001).
Und zwei von Wellingers derzeitigen Teamkollegen waren in Lahti stark wie (fast) nie: Richard Freitag gewann 2013, Karl Geiger wurde im Vorjahr Zweiter. "Wir haben hier in Lahti im Sommer zudem trainiert, sind mit der Anlage bestens vertraut", sagt Schuster. Und dann hatte sicher auch der verhinderte Lahti-Fachmann schlechthin noch ein paar Tipps parat: Nach einem Sieg und sechs Podestplätzen im Weltcup kennt kaum jemand diese eigentümliche, freistehende und damit so windanfällige Schanzenanlage so gut wie Severin Freund.