„Nordische Kombination – das ist dritte Liga“

Nach dem Horrorsturz im Sommer in Oberstdorf startet Ronny Ackermann nun in Kuusamo in die Olympia-Saison. In der AZ spricht der viermalige Weltmeister der Nordischen Kombination über seine Karriereplanung – und die Probleme seines Sports
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Auf dem Sprung in die Olympia-Saison: Ronny Ackermann
dpa Auf dem Sprung in die Olympia-Saison: Ronny Ackermann

Nach dem Horrorsturz im Sommer in Oberstdorf startet Ronny Ackermann nun in Kuusamo in die Olympia-Saison. In der AZ spricht der viermalige Weltmeister der Nordischen Kombination über seine Karriereplanung – und die Probleme seines Sports

Von Florian Kinast

AZ: War ja ein aufregender Sommer, Herr Ackermann. Was empfanden Sie denn als größtes Glück? Die Hochzeit, die Geburt von Sohn Hugo, oder die Tatsache, dass Sie nicht im Rollstuhl sitzen?

RONNY ACKERMANN: Das Private natürlich. Bei dem Sturz Mitte August an der Schanze in Oberstdorf, klar, da hatte ich schon auch Glück, da haben Sie schon Recht. Das war halt ein Material-Fehler, das kann man nicht weiter beeinflussen. Das habe ich genommen, wie es ist.

Haben Sie denn noch eine Erinnerung an den Sturz?

Ja. In der Luft ist mir die Bindung aufgegangen, dann habe ich einen Salto geschlagen und mit dem Rücken auf den Hang gekracht. Wäre das im Wettkampf gewesen, wären die Haltungsnoten sicher nicht so toll gewesen.

Wie war das Gefühl, als Sie in der Luft merkten, dass der Ski davon fliegt?

Ich habe die Augen zugemacht.

Die Augen zugemacht?

Ja. Das mache ich in solchen Fällen immer.

Sie hatten keine Angst?

Nö.

Ihr Trainer Hermann Weinbuch berichtete später völlig aufgelöst, sein erster Gedanke sei gewesen, dass Sie jetzt gelähmt sind. Wenn nicht schlimmer.

Ach, ich habe das einfach passieren lassen. Ich hatte ja eh keinen Einfluss drauf. Mag schon sein, dass ich solche Dinge eher pragmatisch und nüchtern sehe.

Eine Woche später kam dann Ihr Sohn zur Welt.

Nicht ganz. Sechs Tage.

Lagen Sie da selbst noch im Krankenhaus oder konnten Sie bei der Geburt dabei sein?

Ich war dabei. Ich sah zwar noch ziemlich entstellt aus, aber so Neugeborene können ja zum Glück noch nicht viel sehen. Darum ist er auch nicht erschrocken.

An Rücktritt haben Sie nicht gedacht? Dass der Sturz vielleicht ein Zeichen war, sich jetzt mehr um die Familie zu kümmern?

Nein. Natürlich schwirren dann viele Gedanken rum. Ob da jetzt eine psychische Blockade im Kopf ist.

Ihr Kollege Marco Baacke hatte nach seinem fürchterlichen Sturz die Blockade nie mehr überwunden, dann beendete er die Karriere.

Ich weiß. Daran dachte ich auch. Aber die ersten Sprünge liefen so gut, dass da nie ein Thema war für mich.

Nahmen Sie psychologische Hilfe?

Nö. das ist nix für mich. Da geht jeder anders mit um. Aber mich hat es schon so oft hingesemmelt in meiner Karriere, da habe ich vermutlich schon Routine drin.

Geht auch schon recht lange, Ihre Karriere.

Ja, und in der Zeit hat die Nordische Kombination Fortschritte gemacht wie kaum eine andere Sportart. Das Wettkampfformat ist viel spannender geworden, viel zuschauerfreundlicher. Sicher, viele tun sich einfach schwer mit dem Begriff. Nordische Kombination, das verrät noch nicht auf Anhieb, dass es da um Skispringen und Langlauf geht.

Unvergessen, wie Sie vor zehn Jahren bei einem Weltcup in Reit im Winkl mal von einem Touristen gefragt wurden, wo Sie denn ihr Gewehr hätten.

Stimmt. Mit Biathleten verwechselt uns zum Glück keiner mehr. Aber ab und zu fragen die Leute dafür: „Sagen Sie, wie hoch springen Sie eigentlich.“ Das ist schon lustig. Aber die haben halt mit Wintersport überhaupt nicht viel am Hut.

Hatten Sie denn nie überlegt, das Langlaufen mal ganz zu lassen und sich aufs Skispringen zu spezialisieren? Gerade in den Boom-Zeiten mit Schmitt und Hannawald hätten Sie da reich werden können.

Ich habe ja schon als Schüler mal nur Sepzialspringen gemacht. Aber ehrlich gesagt, das hat mich nicht erfüllt. Mir war das zu langweilig. Die Kombination dagegen ist so vielfältig, das ist das, wo ich mich richtig aufgehoben fühle. Klar, von der Vermarktung her ist Skispringen erste Liga und Nordische Kombination dritte Liga.

Dafür mussten Sie sich nie verstellen, eine Rolle als strahlender Held verkörpern, der Sie gar nicht sein wollten.

Ich war halt schon immer so, dass ich versucht habe, mich so zu zeigen, wie ich fühle und denke. Ich glaube, das ist mir gut gelungen. Und wie es weitergeht, das wird man sehen. Erst mal Vancouver.

Ein Abschied mit Olympia-Gold, das wäre doch was.

Ich bin keiner, der das großartig plant. Wenn nichts dazwischen kommt, will ich schon noch ein paar Jahre dranhängen. Klar, die andere Seite ist, dass ich viel unterwegs bin, weg von meiner Familie. Im Moment sind es immer so drei, vier Wochen nach der Saison, wo ich daheim bin. Mich mehr um meine Frau und mein Kind zu kümmern, das ist schon auch ein Ziel.

Und wenn Ihr Sohn einmal sagt: „Wenn ich groß bin, werde ich Kombinierer.“ Würde Sie das Freude, oder raten Sie ihm dann eher ab?

Keine Ahnung. Der Wintersport ist schon ein hartes Geschäft, wo du verdammt viel investieren musst. Vielleicht wird er ja auch Künstler. Ein bisschen Zeit hat er ja noch.

Interview: Florian Kinast

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