NOlympia 2018? „Es geht um Garmisch!“

Frust statt Skirennen: Warum die Menschen im Oberland so sauer auf die Planer der Winterspiele 2018 sind
von  Abendzeitung
Auf der Baustelle: Garmischs Bürgermeister Thomas Schmid, Rosi Mittermeier und OB Christian Ude.
Auf der Baustelle: Garmischs Bürgermeister Thomas Schmid, Rosi Mittermeier und OB Christian Ude. © az

Frust statt Skirennen: Warum die Menschen im Oberland so sauer auf die Planer der Winterspiele 2018 sind

Den kleinen Zettel, Format DIN A5, der Mittwoch früh im Briefkasten lag, Ignaz Streitel hat ihn sofort unterschrieben. Ein Aufruf in Garmisch-Partenkirchen, eine Aktion der Olympia-Opposition gegen die Winterspielpläne, jetzt liegt das Papier auf dem Küchentisch, zwischen der Mitgliederzeitung der CSU und dem Kirchenanzeiger. Es ist heiß, das Mineralwasser ist aus, Streitel schimpft über die Hitze. 83 ist er, das schlaucht, aber beim eigentlichen Thema schimpft er noch viel mehr. Beim Streit um die Bewerbung für 2018. „Des is a Saustall, der geht auf koa Kuahhaut mehr“, sagt er.

30 Jahre saß er im Gemeinderat, 34 Jahre im Vorstand der Garmischer Weidegenossenschaft, und jetzt sagt er: „Olympia is a Nummer zu groß für uns. Und von mir kriagn die gar nix.“ Kein Fitzelchen seiner Wiese, 3000 Quadratmeter groß, hinten beim Riessersee, wo Parkplätze hätten gebaut werden sollen oder Tribünen, aber so genau weiß er das auch nicht, weil ihm, wie er meint, keiner etwas gesagt hat.

Mit der Unterschriftenliste des Aktionsbündnisses „Nolympia 2018“ geht der Widerstand der Garmischer, Wiesen und Felder für die Winterspiele abzutreten, in eine neue Dimension. Verhandlungen laufen, die Fronten aber sind verfahren. Wie Streitel will kaum einer reden, und wenn dann nur, wenn man verspicht, dass man nicht seinen Namen in die Zeitung schreibt. „Mir hamm nix gegen Olympia“, sagt einer, „aber die hätten einfach von Anfang an mit uns reden müssen. Hamms aber ned gmacht, dafür ois über unsere Köpf' hinweg.“ Planungen von Funktionären, Politikern, die bei ihren kühnen Visionen der Meinung waren: Wird schon keiner was gegen Olympia haben. Warum dann die Menschen fragen, denen man zweieinhalb Jahre ihr Land wegnimmt.

Kürzlich bekamen die Eigentümer Abtretungsverträge zugeschickt, die sie bitte unterschrieben postwendend zürücksenden sollten. Darin sollen sie sich verpflichten, das Areal von April 2016 bis Juli 2018 den Olympia-Planern zur Verfügung zu stellen, damit da alles auf- und abgebaut werden kann. Pro Quadratmeter gibt es im Jahr zwischen 50 Cent und 1,50 Euro Entschädigung. Ein Eigentümer sagt, dass aber im Vertrag noch gar nicht drin stand, was dann wirklich darauf gebaut wird. „Und wie die Wiesen hinterher wieder ausschaun, woaß doch aa koana“, sagt Streitel. Mögliche Entschädigungszahlungen durch die Bewerber-GmbH trösten ihn auch nicht: „Die hamm doch jetz' scho koa Gäid mehr.“ Der Frust ist groß in und um Garmisch, Versprechungen zu einem Autotunnel und einem zweiten Bahngleis kamen an wie blutarme Bekundungen, um das Volk ruhigzustellen.

Thomas Schmid sieht das freilich anders. Er ist der Bürgermeister, 2007 trat er aus der CSU aus, schloss sich dem Christlich-Sozialen Bündnis CSB an. „Wir haben ein paar, die nicht mitmachen“, sagt er, „wir haben aber auch schon viele Flächen, die wir haben wollten, bekommen.“ Und das Gebiet hinter dem Eisstadion, wo das Olympische Dorf entstehen soll, habe man auch schon zu zwei Drittel. „Wir haben weiter eine Mehrheit in der Bevölkerung“, sagt er, „die meisten erkennen, dass Olympia mehr Chancen als Risiken bringt.“

Aber das wurde eben nicht allen vermittelt, weshalb es am Mittwoch wieder Kritik an Schmids Führungsstil gab, diesmal aus dem Münchner Rathaus von Amtskollege Christian Ude. „Da gibt es seitens der Kommune Nachholbedarf in der Kommunikation mit den Landwirten“, so Ude zur AZ, „es ist Sache der Kommune, die Ergebnisse der Planungen genau vorzustellen, so wie wir das in München gemacht haben." So wie Ignaz Streitel jetzt im Unklaren ist. Aber mittlerweile ist es ihm auch wurscht, „Olympia“, sagt er, „hod eh koa Chance mehr.“ Die Unterschriftenliste wird er weiterreichen, auch wenn „Nolympia“-Oberaktivist der Landtagsabgeordnete Ludwig Hartmann ist, ein Grüner. Ein Grüner wird Streitel in diesem Leben nicht mehr, CSU, was sonst, „in meinem Alter“, sagt er, „geh' i nimmer woanders hin. Aber es geht ned um a Partei. Es geht um Garmisch.“

Florian Kinast

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