„Nie, nie, nie aufgeben“
Serena Williams zeigt mit ihrem kraftvollen Sieg im Finale der Australien Open, dass sie zurecht auf Position eins der Tenniswelt steht. Experten trauen ihr sogar einen echten Grand Slam zu
MELBOURNE Auch in der Geisterstunde, kurz vor ein Uhr nachts, konnte Serena Williams nicht genug bekommen. Als die alte und neue Australian Open-Siegerin im Gartenpavillon fürs Siegerinnenfoto posierte, drückte sie den „Daphne Akhurst"-Pokal verliebt an sich, drückte Küsse auf die Silberware und stemmte ihn dann auch noch einmal kraftvoll in die Höhe. „Es ist vielleicht mein größter Grand Slam-Sieg, ein unvergesslicher Moment“, sagte die Amerikanerin, die sich mit 6:4, 3:6, 6:2 gegen Belgiens Comebackerin Justine Henin durchgesetzt hatte.
Nummer 12 in der Grand Slam-Titelkollektion sei für Serena „ohne Zweifel eine absolute Besonderheit", bemerkte Schwester Venus, „das war ein Duell zweier großer Champions. Ein Sieg, den auch sie nicht alle Tage erlebt.“ Diesmal wehrte die 28-jährige Diva sogar einen fulminanten Zwischenspurt von Henin ab, die Ende des mittleren Satzes 13 von 14 gespielten Ballwechseln und auch den zweiten Akt des Dreiteilers gewann. „So eine Offensive hätte 99,9 Prozent aller Spielerinnen zusammenbrechen lassen", sagte Tennislegende Billie Jean King, „aber Serena ist eben eine Besonderheit.“ Auch sie habe das Gefühl gehabt, „dass mir die Füße weggezogen werden", sagte Williams, „aber ich weiß, dass ich in diesen Finals immer noch eine Chance habe. Weil ich nie, nie, nie, aufgebe."
Ein Dutzend Grand Slam-Siege hievten die Amerikanerin nun in eine neue Erfolgsliga – und stempelten sie zur stärksten Spielerin ihrer Zeit. So wie in den 70 er und 80er Jahren Chris Evert und Martina Navratilova, wie knapp anderthalb Jahrzehnte Steffi Graf, hat Williams den Blick stets fest auf die vier großen Tennistermine gerichtet, auf Melbourne, Paris, London und New York. Keine einzige Spielerin der modernen Ära hat eine bessere Siegquote bei Grand-Slam-Finals als die bullige Athletin, die zwölf von fünfzehn Endspielen gewann. In Melbourne trat sie mit dicken Bandagen am linken Knie und am rechten Oberschenkel an, im Einzel wie im Doppel, doch das hinderte sie nicht daran, als unbeugsamste aller 128 Spielerinnen in Erscheinung zu treten - eine Frau, die noch gegen jede andere ihren Willen auf dem Centre Court durchsetzen konnte. Auch gegen Endspielgegnerin Henin, selbst ein Muster an Zähigkeit und Ausdauerkraft.
„Ich wollte zeigen, dass ich zurecht da oben stehe“, sagte sie später, „niemand kann nun von einem Zufall sprechen. Oder sagen, dass jemand anders die heimliche Nummer eins ist." Mit ihrer langjährigen Mentorin Billie Jean King hat Williams gleichgezogen an Grand Slam-Titeln. Einen echten Grand Slam, den Sieg bei allen vier Majors in einem Kalenderjahr - traut ihr Margaret Court-Smith zu, die Australierin, die jenes Kunststück vor genau 40 Jahren als bisher letzte Spielerin fertiggebracht hatte. „Sie hat das Potenzial und vor allem die Nervenkraft für eine solche Mission", sagte Court-Smith, die bei der Siegerehrung die Trophäe an Williams überreicht hatte. Es sah fast so aus, als würde sie ein Erbstück an die Championesse weiterreichen.
Und die scheint ihre Trophäe mit ins Bett genommen zu haben. Sonntagfrüh um halb Sieben meldete sich Willaims nochmal zu Wort – bei Twitter. „Ich bin so aufgeregt“, schrieb sie auf @serenajwilliams. „Ich kann nicht schlafen.“
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