Nico Sternkrieger
Monte Carlo - Nichts und niemand konnte Nico Rosbergs Laune trüben. Vor allem nicht dieser finster dreinschauende Typ neben ihm, der mal sein Freund gewesen war und nun so aussah, als ob er sich sofort verkrümeln wollte. Als ob er in diesem Moment überall sein wollte. Überall, nur eben nicht in der Fürstenloge in Monte Carlo, mit diesem strahlenden Blonden neben sich, der mal sein Freund gewesen war, sein Kumpel. Rosberg hat gestern zum zweiten Mal hintereinander sein Heimrennen in Monaco gewonnen.
Hamilton, der die letzten vier Rennen gewonnen hatte, wurde Zweiter. Der nächste Doppelsieg für Mercedes in dieser Saison. Doch während Rosberg jubelte, schmollte sein Teamkollege. Gleich nach der Siegerehrung verspritzte er ein wenig Champagner und verschwand dann ganz schnell.
Der Haussegen hängt mächtig schief zwischen Rosberg und Hamilton, das war kaum zu übersehen. Die beiden Kumpels, die sich seit mehr als 20 Jahren kennen, die in Monte Carlo im selben Appartementhaus leben, die immer so froh gewesen waren, dass sie sich auch als Rivalen noch schätzen können, haben sich entzweit.
Wegen dieses WM-Kampfes. Und weil Rosberg Hamiltons Psychospielchen in Monaco eiskalt konterte – mit einem Foul. Man muss Mercedes ja dankbar sein. Dafür, dass sie den Mut hatten, zwei der besten Fahrer der Welt zu verpflichten – und ihnen dann auch noch die mit Abstand besten Autos hinzustellen. Die Taktik der Mercedes-Bosse und die Arbeit der Ingenieure beschert den Fans in der Formel 1 derzeit den spannendsten, engsten – und vielleicht auch bald härtesten und schmutzigsten – Zweikampf zweier Teamkollegen seit Jahren.
Ein Duell, bei dem es um die existentiellen Fragen des Rennfahrens geht: Wer ist der Schnellste, wer der Böseste, wer hat die größten „Balls“, wer behält trotzdem den kühlsten Kopf? Und: Wie viel Freundschaft verträgt die Formel 1?
Spätestens an diesem Wochenende am Samstag dürfte Hamilton beschlossen haben, Rosberg nicht mehr zu mögen. Hamilton tat am Sonntag alles, um Rosberg unter Druck zu setzen, ihn zu Fehlern zu zwingen. Aber Rosberg machte keine Fehler. Er zog sein Ding durch.
„Das ist ein ganz besonderer Tag. Lewis hat massiv Druck gemacht, ich bin aber cool geblieben“, sagte Rosberg. Er gewann die Schlacht in seiner Heimat, übernahm durch seinen zweiten Saisonsieg wieder die Führung in der Titelwertung. Dafür hat er einen Gegner und wahrscheinlich auch einen Feind mehr: Hamilton. „Es knistert nicht ein bisschen, es knistert heftig zwischen den beiden“, sagte auch Mercedes-Vorstandschef Dieter Zetsche.
Am Samstag war Rosberg auf Platz eins liegend kurz vor Ende des Qualifyings von der Ideallinie gerutscht. Er sagt: „Ein Fehler, sorry!“. Hamilton – und viele andere im Fahrerlager – glauben: Absicht. Wegen der darauf folgenden Gelben Flaggen hatte Hamilton seine Zeit nicht mehr verbessern können.
Bei der Pressekonferenz würdigten die zwei sich keines Blickes, Rosbergs Entschuldigung nahm Hamilton nicht an, sprach später stattdessen davon, dass ihm gefalle, wie sich Ayrton Senna einst gegen Alain Prost gewehrt hätte. Da war es: Senna gegen Prost, die Mutter aller Stallduelle, die Streithähne der Neunziger, die sich auch mal gegenseitig abschossen.
Bei Mercedes nahm man Hamiltons Äußerungen ernst. So sehr, dass sich Aufsichtsratschef Niki Lauda beide Fahrer zur Brust nahm. „Wenn es hier in der ersten Kurve kracht, dann kracht es richtig. Und zwar vom Management bis zu den Fahrern. Das werden wir nicht akzeptieren", sagte er.
Es krachte nicht. Nur diesmal nicht? „Ich komme aus keiner besonders tollen Gegend bei London und habe auf einer Couch im Appartement meines Vaters gewohnt. Nico ist in Monaco mit Jets, Hotels und Yachten aufgewachsen – der Hunger ist ein anderer“, hatte Hamilton unter der Woche gesagt. Das war nicht gut angekommen.
Nun gilt Rosberg plötzlich auch als harter Hund. Dafür ist aber der Krieg der Sterne im vollen Gange.