Nico Rosberg: Im 111. Versuch
Nico Rosberg bricht in Shanghai den Bann, holt sich seinen ersten Grand-Prix-Sieg – und erlöst Mercedes: Über 56 Jahre nach dem legendären Fangio gewinnt wieder ein Silberpfeil-Pilot.
SHANGHAI - Es ist ein Rennen für die Sport-Geschichtsbücher: Nico Rosberg hat gestern beim Grand Prix von China mit seinem Sieg im Silberpfeil einen uralten Bann gebrochen: Mehr als 56 Jahre oder genau 20671 Tage nach dem letzten Erfolg eines Mercedes-Werksteams holte der gebürtige Wiesbadener einen Sieg für die Marke mit dem Stern. Auch für Rosberg selbst war der Triumph eine Erlösung: seinen ersten Sieg feierte er im 111. Versuch.
„Im Silberpfeil zu gewinnen, ist Wahnsinn”, sagte der 26-Jährige, „das war absolut gigantisch, sensationell. Ich bin unglaublich happy.” Klar, dass Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug seinen Piloten lobte: „Ein Bilderbuchsieg, ein perfektes Rennen nach einem Superstart.”
So sehr Rosberg den Zieleinlauf auch genoss, so sehr hatte er während der 96 Minuten und 26 Sekunden im Auto gelitten. „Ich dachte, das Rennen geht nie zu Ende”, meinte der Sohn des früheren Weltmeisters Keke Rosberg, der seit Sonntag der siebte deutsche Formel-1-Sieger ist: „Ich habe mich gefühlt, als würde ich die 24 Stunden von Le Mans fahren.” Entsprechend laut fiel nach der Zieldurchfahrt das erleichterte „Yeah” aus.
Auf dem Siegerpodest kannte der 26-Jährige schließlich keine Gnade mit Haug. Der wollte vor dem erwarteten Champagnerbad in Deckung gehen, allein es nutzte nichts. „Das war schon okay”, sagte Haug schmunzelnd. Mehr Probleme hatte der 59-Jährige auf dem Weg zum Podium. „Ich habe den Eingang nicht gefunden”, sagte der Schwabe, dessen ehemaliger Schützling Lewis Hamilton ihm den Weg wies: „So oft war ich schließlich noch nicht dort.” Den hässlichen Siegerpokal nahm er anschließend überall hin mit: „Den gebe ich nicht mehr her.”
Als das Mercedes-Werksteam am 11. September 1955 in Monza durch den legendären Argentinier Juan Manuel Fangio den zuvor letzten Sieg geholt hatte, war Haug gerade mal drei Jahre alt. Rosberg hatte 110 vergebliche Anläufe zu einem Rennsieg genommen, länger hatten nur vier der nun 103 Formel-1-Sieger in der Geschichte der Königsklasse auf ihren Premierensieg warten müssen.
Entsprechend glücklich absolvierte Rosberg seinen zweistündigen Gratulationsmarathon. „Ich habe es schon realisiert”, sagte er später: „Wenn man etwas das erste Mal erlebt, weiß man nicht, was einen erwartet. Nun habe ich es erlebt. Und es war schön.” Die obligatorische Feier fiel wegen der umgehend anstehenden Reise nach Bahrain „gedämpft” aus: „Aber ich hoffe, dass es noch Partymöglichkeiten geben wird.” Und in Zukunft auch „noch einige Siege”. Vielleicht glückt ihm ja, was Vater Keke 1982 geschafft hat: damals wurde Rosberg sr. Weltmeister.
Ein noch besseres Mercedes-Ergebnis verhinderte ein Boxenpatzer der Crew von Michael Schumacher. Ein Mechaniker hatte eine Schraube am rechten Vorderrad nicht richtig festgezogen, der Rekordchampion fuhr zu früh los. Danach musste er seinen Wagen abstellen. Doch sogar die deshalb verhängte 5000-Euro-Geldstrafe konnte die Stimmung nicht drücken. Haug jedenfalls meinte: „Ich bin stolz. Jetzt haben wir gezeigt, dass wir was können.”