"Nicht aufgeben, immer an sich selbst glauben“

Morgen vor 25 Jahren gewann Steffi Graf zum ersten Mal auf dem heiligen Rasen im Wimbledon die All England Championships.
London - Auf die Frage, wie viel Tennis sie in diesen Tagen spielt, sagt Steffi Graf in diesen Tagen meist nur ein Wort: „Wenig.“ Das war vor einem Vierteljahrhundert ganz anders. Da spielte sie viel Tennis. Gewann fast immer. Und siegte morgen vor 25 Jahren, am 2. Juli 1988, auch zum ersten Mal auf dem berühmtesten Centre Court der Welt, im Herzen von Wimbledon: „Wahnsinn, wie lange das schon zurückliegt. Es ist ein Moment aus einer Zeit, die lange zurückliegt. Aber immer noch ein wunderschöner Moment zum Erinnern“, sagt die Frau, die damals die Herrschaft der Unantastbaren brach, der neunmaligen Wimbledon-Königin Martina Navratilova – und dann selbst die Geschichte des Frauentennis diktierte.
„Eine Ära endete, als Graf gewann“, schrieb bereits einen Tag nach dem Coup der der Teenagerin hellsichtig die „New York Times.“ Tennis spielt heute im Leben der erfolgreichsten Athletin der modernen Epoche keine Hauptrolle mehr, nicht mal mehr eine Nebenrolle. Tennis schaut die zweifache Mutter in Las Vegas, der Heimatstadt ihres Mannes Andre Agassi und dem Lebensmittelpunkt der Familie, meist nur noch im Fernsehen – mit dem Blick der Fachfrau aber noch allemal, mit der geschärften Beobachtungsgabe, die einst auch schon im frühen Profialter half, Stärken und Schwächen der Gegnerinnen zu analysieren. „Meine Kinder und geschäftliche Verpflichtungen halten mich so auf Trab, dass ich Tennis nur noch aus gewisser Distanz verfolge“, sagt die inzwischen 44-jährige Graf, die nur sehr sporadisch zu Wohltätigkeitsmatches antritt.
Auf ihrer Facebook-Seite gibt sie allerdings mit einer gewissen Regelmäßigkeit hellsichtige Kommentare zur Lage des Welttennis ab, zum unheimlichen Sturm und Drang der gegenwärtig beherrschenden Nummer eins, Serena Williams. Zu den neuesten Kalamitäten der Tennis-Titanen Roger Federer und Rafael Nadal. Oder auch mal zum deutschen Tennis-Fräuleinwunder.
Vier Jahre ist es her, dass Graf zum letzten Mal in offizieller Mission die heiligen Wimbledon-Hallen betrat – zur Eröffnung des neuen Centre Court-Daches trat sie gemeinsam mit Göttergatte Agassi, Tim Henman und Kim Clijsters bei einem Schaukampf auf. Es sei irgendwie „auch eine emotionale Zeitreise“ gewesen, sagt Graf jetzt, „das brachte viele Erinnerungen zurück, an die ganzen Jahre hier im Club, aber natürlich auch an diesen ersten Wimbledon-Sieg.“
In diesem Sieg am 2. Juli 1988 steckten schon die Botschaft und der Code für die großen Graf-Jahre im Tennis – die Furchtlosigkeit vor großen Namen. Das Selbstbewußtsein, das eigene Spiel konsequent durchzusetzen. Und die Qualität, Widrigkeiten mit allergrößter Willenskraft und Leidenschaft zu trotzen. „Meine Devise war immer: Nicht aufgeben, immer an sich selbst zu glauben“, sagt Graf.
So gewann sie dann auch nach einem scheinbar aussichtslosen 5:7, 0:2-Rückstand noch gegen Navratilova und stemmte erstmals die Venus Rosewater-Trophäe in die Höhe. „Die Siegerehrung danach war eigentlich viel aufregender und schlimmer als das Spiel, sagt Graf, „ich habe dauernd gedacht. Hoffentlich machst du alles richtig und blamierst dich nicht.“
Damals, 1988, eilte sie auch noch zum Golden Slam, zum Gewinn aller vier Major-Turniere und dem Sieg beim olympischen Turnier in Seoul – alles mit gerade mal 19 Jahren, unvorstellbar für das Tennis im Hier und Jetzt. „Sie war schon früh in ihrer Karriere so ausgereift wie Spieler, die heute zehn Jahre und mehr dafür brauchen“, sagt die ehemalige Nummer 1 der Welt, Chris Evert.
Auch wenn sie nun schon seit 1999 im Ruhestand ist, seit jenem Jahr, in dem sie zum letzten Mal im Wimbledon-Endspiel stand und es gegen Lindsay Davenport verlor, löst der Schauplatz im Süden Londons immer noch ein „Gefühl der Vertrautheit“ aus: „Wimbledon ist einem so ans Herz gewachsen, dass man das Turnier immer mit Freude verfolgt – wenn man Zeit dafür hat.“
Einst war sie die Herrscherin über das Grand Slam-Reich an der Church Road, die Spielerin, die Stammgast bei den Siegerfeierlichkeiten war. Doch es gibt auch noch die Erinnerungen an das allererste Wimbledon, 1984 gegen Jo Durie. „Da verlor ich in der ersten Runde 7:9 im dritten Satz gegen die Britin Jo Durie“, sagt Graf, „ausgerechnet an dem Tag, an dem mir meine Mutter zum ersten Mal einen Rock zum Spiel besorgt hatte. Da flossen dann die Tränen so richtig.“