Interview

Nicht alles ist Gold: Sportvermarkter Stephan Peplies über den Marketing-Wert von Olympiamedaillen

Im AZ-Interview erklärt Sportvermarkter Stephan Peplies, warum mehr Frauen als Männer vermarktet werden, wie Sportler den perfekten Werbepartner gefunden wird und was den Vermarktungswert einer Medaille bestimmt.
Matthias Kerber
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Stephan Peplies vermarktet unter anderem Olympiastar Eric Frenzel.
Stephan Peplies vermarktet unter anderem Olympiastar Eric Frenzel. © IMAGO / Sven Simon

München - AZ-Interview mit Stephan Peplies. Er vermarktet den deutschen Olympiastar Eric Frenzel und ist seit über 30 Jahren in diesem Bereich aktiv. 

Stephan Peplies: Olympiasieger gehen ihren eigenen Weg

AZ: Herr Peplies, bilden Sie einen Satz, der die Olympischen Spiele in China mit einem Olympiasieg und dessen Vermarktung verbindet!
STEPHAN PEPLIES: Gut, ich schlage vor: "Der edle Mensch sucht in sich selbst, der gewöhnliche schaut auf andere." 
 
Das müssen Sie erklären.
Das ist ein Satz des chinesischen Philosophen Konfuzius, der auf erfolgreiche Sportler und erfolgreiche Vermarkter zugleich zutrifft. Olympiasieger verlassen in der Regel ausgetretene Pfade und gehen eigene Wege in Training und Wettkampf, Sportler, die dagegen immer in die Fußstapfen der anderen treten, können diese auch nicht überholen. Erfolgreiche Vermarktung muss ebenso agieren. Man muss kreativ sein, neue Wege gehen, dann schafft man nutzbringende Kooperationen zwischen Wirtschaft und Sportler.

Stephan Peplies vermarktet Olympiasieger Eric Frenzel.
Stephan Peplies vermarktet Olympiasieger Eric Frenzel. © ho

Peplies: Jeder Sportler wird individuell vermarktet

Warum vermarkten Sie Sportler?
Durch eine eigene Leistungssportvergangenheit bestand immer die Affinität zum Sport. In meiner juristischen Ausbildung bestand zudem das größte Interesse an den Themata der Vertragsgestaltung und der im Studium nicht gelehrten Verhandlungsführung. Zudem war ich immer an Wirtschaft und am Marketing von Unternehmen interessiert, also dem Zusammenspiel von Produkt, Preis, Vertrieb und Kommunikation. In der Sportökonomie habe ich alles vorgefunden: Vertragsgestaltung, Marketing, Verhandlungsführung, Sport

Gibt es den idealen Sportler, den man vermarkten kann?
Wir philosophieren also weiter, gut (lacht). Ich würde ungern über einen idealen Sportler sinnieren; jeder Mensch ist zwar einzigartig, aber nie vollkommen, das ist ja das Schöne am Menschsein. Ich möchte dahingehend antworten, dass es in der Vermarktungsarbeit bestimmte Parameter gibt, bei deren Vorliegen man von guten Vermarktungsbedingungen ausgehen kann. Werbung bzw. Kommunikation muss Unternehmen einen Nutzen bringen. Habe ich Werbeflächen am Sportler zur Vermarktung, so werde ich in Sportarten erfolgreich sein, die eine hohe TV-Präsenz haben, da die Wirtschaft nach Sichtbarkeit der Wortmarke oder des Logos honoriert. Eine Werbefläche im Biathlon hat mehr TV-Sichtbarkeit korrespondierend mit Sendezeit und Einschaltquote als eine Fläche beim Tontaubenschießen, ergo wird sie einen höheren Vermarktungserlös generieren. In der Klassischen Werbung, also TV-Spots, Hörfunk- und Printkampagnen, muss aus Sicht des Sportlers ein Bekanntheitsgrad seiner Person in der zu bewerbenden Zielgruppe gegeben sein, damit er sich überhaupt als Testimonial eignet. Wir sagen auf Grund unserer Erfahrungen 60 bis 80 Prozent. Ist dies nicht gegeben, werbe ich mit einem No-Name-Darsteller fast genauso gut, nur billiger. Der Dreh- und Angelpunkt für jeden Sportler hinsichtlich seiner Vermarktbarkeit ist die TV-Präsenz seiner Sportart und dann sein Erfolg. Das sind die Eintrittskarten in den Vermarktungsraum; wie weit er darin kommt, hängt dann von anderen Parametern ab: Erscheinung, Intellektualität, Auftreten, Authentizität, werteorientierte Lebensführung, Nahbarkeit   

"Skispringen schlägt Snowboard"

Wer ist eigentlich leichter zu vermarkten: eine Olympiasiegerin oder ein Olympiasieger?
Es ist in der Tat so, dass wir in dreißig Jahren Vermarktungstätigkeiten 75% Frauen betreut haben und nur zu einem Viertel Männer. Das ist reiner Zufall gewesen, aber ich habe schon zur Kenntnis genommen, dass die Konsumforschung herausgefunden hat, dass die Konsumenten Frauen in der Werbung mehr glauben als Männern (lacht).

In welchen Spannbreiten bewegen sich Vermarktungserfolge: Kann man in etwa beziffern, was ein Olympiasieg wert ist?
Natürlich können wir nach drei Jahrzehnten internationaler Vermarktungsaktivitäten aus Erfahrungen Honorarkorridore benennen: Werbeflächen im Wintersport z.B. werden je nach TV-Präsenz und Sportart/Sportler zwischen 50.000 und 300.000 Euro gehandelt. Die Präsenz in einem Fernsehspot wird je nach Bekanntheitsgrad des Sportlers national zwischen 200.000 und 700.000 Euro, wobei wir auch schon mal Ausreißer nach oben hatten, und international zwischen 500.000 und 5 Mio. Euro honoriert Die Frage nach dem Vermarkungswert einer Goldmedaille orientiert sich an dem Geschilderten. Werden Sie in einer Sportart Olympiasieger, die vor und nach den Spielen keine TV-Präsenz hat, wird dieses Gold vermarktungstechnisch höchstwahrscheinlich verpuffen. Sind Sie dagegen als Sportler in einer TV-präsenten und publikumsbeliebten Sportart tätig, werden dann Olympiasieger, dann wird dies vermarktungstechnisch als Katalysator wirken. Ergo: Skispringen schlägt Snowboard!  

Peplies: Marketing ist viel Strategie 

Wie war da die Entwicklung in den vergangenen Jahren? Konzentrieren sich die Firmen nur noch auf wenige, hochkarätige Sportler?
Unternehmen setzen Werbegelder immer bewusster ein. Die Zeiten, in denen Maecenas im alten Rom uneigennützig Dichter und Sänger unterstützte, sind vorbei. Sponsoring ist in der Regel ein durchgerechnetes Austauschgeschäft. Deshalb müssen Sportrechtevermarkter das Marketing und die Marketingkommunikation von Unternehmen antizipieren und Projekte regelrecht für das jeweilige Unternehmen entwickeln. Können Sie mit einem Sportler ein Projekt andienen, mit dem die zu bewerbende Zielgruppe gut angesprochen werden kann, wird man Ihnen zuhören. Das ist der Grund, warum Vermarktung auch in Expertenhände gelegt werden sollte. 

In welchen Regionen bewegen sich in etwa die Einnahmen von Weltklassesportlern pro Vertragsjahr. Was bringt beispielsweise ein TV-Spot?
Zu Honorarwerten habe ich oben schon einiges ausgeführt. Interessant ist da noch der Hinweis, dass den Athleten je nach Sportart eine unterschiedliche Zahl an TV-präsenten Werbeflächen zur Verfügung steht. In den vergangenen Jahren durften Biathleten bis zu sechs Werbeflächen vermarkten, Ski-Alpin-Fahrer eine, Nordische Kombinierer und Skispringer zwei, Tennisspieler drei und Leichtathleten bei Großveranstaltungen gar keine. Entsprechend fallen die Verdienstmöglichkeiten hinsichtlich der Vermarktung von Werbeflächen aus.

Kommunikationsbudgets bei Einsparungen besonders betroffen

Wie sehr hat Corona da die Bedingungen verändert?
Sicherlich gibt es coronabedingt Branchen, die wirtschaftliche Sorgen haben und die Gelder anders allokieren als vorher. Die Kommunikationsbudgets sind bei Einsparungen immer besonders betroffen. Aber es gibt auch Branchen, die von der Pandemie nicht betroffen sind.  

Wie finden Sie den optimalen Vermarktungspartner für einen Olympiasieger?
Wir beobachten national/international mit einem Research-Team jeden Tag 29 Branchen mit den darin agierenden Unternehmen, in der Pharmazie sind das allein 800 Produkte mit den dahinterstehenden Unternehmen. Durch Marktforschung und Marktbeobachtung messen wir Absatzstagnationen und Absatzeinbrüche bei Produkten einerseits, andererseits haben wir mit assoziierten Partnern Möglichkeiten die Effektivität von Werbung zu messen. Einen TV-Spot können wir nach rund 50 werbepsychologischen Parametern im Hinblick auf seinen Werbewirkungsgrad einschätzen. Wenn wir durch unser ständiges Monitoring Unternehmen identifizieren, bei denen wir Defizite im Absatz und in der Kommunikation verorten können, dann schauen wir uns das genau an und prüfen, ob Sportsponsoring ein probates Instrument für das Unternehmen sein könnte. Wir kennen die Zielgruppen dieser Unternehmen und können durch Unterstützung der Marktforschung, wie z.B. durch Unternehmen wie IRIS, auch einschätzen, was die Zielgruppe im TV schaut, wenn es um Sport geht. Aus diesem Bereich führen wir dann das Testimonial zu – in der Regel ein bei der Zielgruppe bekannter und beliebter Sportler, durch den die Effektivität der Kommunikation erhöht wird. Diese marktforschungsgestützte Vermarktung ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal von uns in der Branche. Andere Vermarktungsagenturen lassen Praktikanten wahllos Unternehmen anrufen- mit minimalem Erfolg.

"Produkt und Sportler müssen passen"

Wo sind die Grenzen der Vermarktung? Verzichten Sie auch schon mal auf einen Deal? Oder besser gesagt: Was geht gar nicht?
Produkt und Sportler müssen passen; Authentizität ist gefragt. Produkte, die ungesund sind, wie z.B. Alkohol in jedweder Form können nur schwer mit dem Sport verbunden werden. Persönliche Affinitäten spielen eine große Rolle.  Die Biathletin Janina Hettich beschäftigt sich seit Jahren mit optimalem Schlaf und wirbt daher authentisch für eine Energy-T-Matratze von Frankenstolz, die gerade für Sportler optimal ist. Die Nordische Kombiniererin Jenny Nowak macht gerne Gartenarbeit und wirbt für das Gartentechnikunternehmen mogatec aus dem Erzgebirge.

Was macht einen Olympiasieger Eric Frenzel interessant für die Partner?
Eric Frenzel ist seit einem Jahrzehnt in einer TV-präsenten Sportart sehr erfolgreich, über weite Strecken dominant gewesen, allein fünf Gesamtweltcupsiege und drei Olympiasiege stehen zu Buche, er ist gegenwärtig der erfolgreichste deutsche Skisportler aller Zeiten und der bekannteste aktive deutsche Wintersportler; damit ist er selbstredend im Vermarktungsraum. Dazu kommen nun die vielen Sekundärtugenden, über die seit Jahren ja auch berichtet wird. Seine Professionalität, seine Bodenständigkeit, seine Intellektualität, seine Zuverlässigkeit, seine Kultiviertheit im Umgang mit Gegnern, Fans und Medien haben ihn zu einem wahren Publikumsliebling und so auch z.B. zum Fahnenträger der deutschen Olympiamannschaft in Pyeongchang werden lassen. Das sind persönliche Merkmale, die ihn zu einem glaubwürdigen und angesehenen Werbeträger werden lassen, wenn er für ein Produkt einsteht.

Wie ermitteln Sie eigentlich eine Verhandlungsbasis für Werbeflächen?
Das ist grundsätzlich sehr analytisch- wohlgemerkt wir reden über die Verhandlungsbasis. Nehmen wir beispielsweise einmal die sog. Riemen- oder Gewehrhinterschaftwerbeflächen bei einer Top-15 Biathletin im Weltcup. Auf Grund von Marktforschung kennen wir die durchschnittliche Sichtbarkeit von diesen Werbeflächen pro Saison und die TV-Einschaltquoten. Marktforscher können uns daraufhin den sog. Werbeäquivalenzwert berechnen. Der Wert von Riemen -und Hinterschaftflächen liegt demnach regelmäßig zwischen 50.000 und 100.000 € pro Saison pro einzelne Fläche. Diesen Wert realisieren wir auch bei unseren Athletinnen und Athleten. Setzt bei sehr erfolgreichen Sportlerinnen und Sportlern eine kräftige Nachfrage am Markt ein, entstehen natürlich noch andere Dynamiken.

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Könnten Sie also einer Biathlon-Olympiasiegerin eine Millionengage garantieren?
Wir haben unsere Erfahrungen, unsere Kenntnisse, unseren Fleiß und unsere Kreativität. Damit sind die durch uns in der Vergangenheit vertretenen Olympiasieger adäquat ausgestattet worden. Das muss als Statement reichen. Wer unbescheiden in seinen Versprechungen ist, wird sie kaum erfüllen können.

Das klingt wieder nach einem Zitat.
Stimmt, auch hier sind wir bei Konfuzius (lacht).

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