Neureuther und der Medaillentraum - Kein Druck

Whistler (dpa) - Wenn es im Slalom so läuft wie im Riesenslalom, kann Felix Neureuther eigentlich nur mit einer Olympia-Medaille nach Hause fahren. Beim ersten Auftritt in Whistler bejubelte der Skirennfahrer aus Partenkirchen in seiner Problemdisziplin mit Platz acht seine beste Karriere-Leistung.
«Es fehlen nur 6/10 auf eine Medaille. Wenn mir das vorher jemand gesagt hätte, hätte ich sofort gesagt, das passt, das kauf ich», sagte ein hochzufriedener Neureuther nach dem Sieg des Schweizers Carlo Janka in Whistler. Alles andere als zufrieden verließen die österreichischen Herren, wie gewohnt in Whistler, die Strecke. Rot- weiß-rot ging wieder leer aus - auf den Plätzen vier bis sechs.
Mit stolz geschwellter Brust schlenderte dagegen der 25-jährige Neureuther durch den Zielraum. Es war ein ganz anderer Felix Neureuther als der, der sich nach dem Riesentorlauf in Kranjska Gora Ende Januar mit sich selbst hadernd über ein «bisschen» fehlende «Eier» beklagt hatte oder der im Dezember nach den Enttäuschungen von Alta Badia am liebsten alles hingeworfen hätte. Mit der Lockerheit und dem Spaß, zu der ihm Mutter Rosi Mittermaier vor Olympia geraten hatte, ging der Bub zu Werke; und begeisterte auch die Mama auf der Tribüne. Das Erinnerungsfoto wurde schon bei der Zieleinfahrt von Felix geknipst. Aber auch ohne die Bilder wird Neureuther die zwei Läufe von Whistler so schnell nicht vergessen.
«Es kann schon sein, dass ihm das mental hilft. Es ist schon cool, wenn du zu Olympia kommst und gleich mal ein gutes Ergebnis fährst», sagte Alpin-Direktor Wolfgang Maier. Natürlich ist eine gute Riesenslalom-Platzierung noch lange kein Gradmesser für einen guten Rang bei den Alles-oder-Nichts-Torläufern. Aber mental weiterbringen kann es allemal. «Ich hab mir gesagt: Olympia ist dein Ding», verriet der WM-Vierte Neureuther. «Ich hab mir in den Kopf gesetzt, wie es Samstag sein wird. Das war ein sehr guter Testlauf.»
Im Riesenslalom sah Neureuther zuvor nur selten das Ziel. Sein bester Platz im Weltcup war ein 13. Rang, nur fünfmal war er in den Top 30, nie unter den besten Zehn. Bis zum ersten Auftritt bei diesen Olympischen Spielen. Im Slalom sieht die Bilanz schon erfreulicher aus. Dort gelang kurz vor Olympia der Sieg beim Klassiker Kitzbühel, dazu stehen sechs weitere Podestplätze zu Buche. «Wenn ich meine Leistung abrufen kann, weiß ich, dass ich ganz weit vorne landen kann», sagte der Partenkirchener, der bewusst nicht davon redet, dass er gerne die erste Medaille eines deutschen Alpin-Herren seit Doppel-Gold von Markus Wasmeier 1994 holen würde. Bloß keinen Druck machen.
Neureuther präsentierte sich nach dem Riesentorlauf als der Sunnyboy, als den man ihn so gerne sieht. Dagegen schlich ein anderer Skirennfahrer mit geradezu mürrischer Miene herum. Dieser 23-Jährige aus der Schweiz war aber gerade Olympiasieger geworden. «Ich zeige nicht viele Emotionen, und auch in diesem Moment bin ich relaxed. Das ist ein großer Tag für mich, aber ich bin erst heute Olympiasieger geworden. Das ist zu früh, um es zu realisieren», sagte der unfassbar «coole» Ausnahme-Könner, der bereits in drei verschiedenen Disziplinen Weltcup-Rennen gewann. Schon in jungen Jahren ist er Olympiasieger, Weltmeister - und war nach dem großen Coup vor allem müde. «Die Batterien sind wirklich leer», sagte Janka. Für den Endspurt im Kampf um den Gesamtweltcup gegen Benjamin Raich (Österreich) will er sich nun erholen.