Neureuther: „Auf zu den Menschen!“

Die Ski-Legende Neureuther erklärt, warum Ski-Rennen wie am Olympiaberg (am 2. Januar in München) die Zukunft darstellen
AZ: Herr Neureuther, am Sonntag findet am Münchner Olympiaberg wieder ein Parallelslalom statt. Sie sind ja so etwas wie der geistige Vater des Rennens.
CHRISTIAN NEUREUTHER: Richtig, ich hatte damals als Veranstalter die Idee, am Olympiaberg zu fahren und habe das 1986 und ’87 schließlich auf eigenes Risiko durchgezogen. Die Wasserleitungen im Berg für die Schneekanonen gehören immer noch mir – ich sollte Lizenzgebühren verlangen! (lacht)
Was ist Ihnen von damals in Erinnerung geblieben?
Dass wir im ersten Jahr ziemlich überfordert waren. Wir haben keinen Eintritt verlangt und dann kamen 35000 Leute. Die Flutlichtmasten waren nicht ausreichend gesichert, ich hatte Angst, dass die einstürzen könnten. Und dann sind die Leute auch noch auf das Eis im See gegangen – passiert ist gottseidank nichts. Im Jahr darauf waren wir aber vorbereitet.
Sie haben noch einmal in Berlin auf dem Teufelsberg ein Rennen ausgerichtet, dann war bis zur Veranstaltung im vergangenen November in Moskau Pause mit Stadtrennen. Warum?
Das Interesse war immer da und sogar sehr deutlich. Aber es gab im internationalen Skiverband (FIS, d. Red.) Schwierigkeiten und Widerstände: Einige Mitglieder hatten offenbar Angst vor einer Entfremdung des Skisports, der eigentlich in der Natur stattfindet.
Was hat dann den Ausschlag gegeben, dass die Rennen in Moskau nach 23 Jahren Pause stattfinden konnten?
Mann muss hier vor allem FIS-Renndirektor Günter Hujara Dank sagen. Sein Engagement für die Stadtrennen war letztendlich ausschlaggebend.
Und dann wurde Moskau ein ziemlich beeindruckendes Event.
Absolut! Die 60 Meter hohe Rampe, 30000 Zuschauer – ich war mit meinem Sohn Felix (Skirennläufer, d. Red.) dort, es war ein absoluter Kick. Ich glaube, die FIS hat die Zeichen der Zeit verstanden.
Die wären?
Andere Wintersportarten bauen ihre Rampen ja auch mitten in den Städten auf und ziehen eine Riesenshow ab. Nur so kommen wir an die jungen Leute ran. Der Skisport muss näher zu den Menschen kommen. Ein 16-Jähriger soll freiwillig sagen: „Ich will SkiRennfahrer werden!“
Was sind die Unterschiede zu gewöhnlichen Rennen in sportlicher Hinsicht?
Der Parallelslalom ist jedenfalls auf keinen Fall zu unterschätzen. Man muss verdammt schnell und gut fahren können. Den Unterschied macht sicherlich der Gegner, den man immer im Augenwinkel hat und der oft schon im Startbereich versucht, einen zu verunsichern.
Wie hat sich Felix bisher auf Sonntag vorbereitet?
Er hat einige Rennen mit Gegner simuliert. Man muss das absolut ernst nehmen, schließlich geht es am Sonntag um Weltcuppunkte. Wenn man sich das mal bei den Frauen anschaut, da sind das 100 Punkte – genauso viel wie für einen Sieg in Kitzbühel. Das ist ein echtes Pfund im Zweikampf zwischen Maria Riesch und Lindsay Vonn!
Darf man das Rennen am Olympiaberg als Vorboten für weitere Veranstaltungen in Großstädten verstehen?
Es sind schon verschiedene andere Städte interessiert. In Wien könnte bald wieder ein Rennen stattfinden.
Und dann – regelmäßige Veranstaltungen?
Ziel sollte jedenfalls sein, die Stadtrennen zu einem festen Bestandteil des Rennkalenders zu machen. Eine kleine Serie wäre ideal, so zwei, drei Rennen pro Saison. Der Zeitraum zwischen Weihnachten und Neujahr bietet sich hierfür geradezu an, da ist bisher noch nicht so viel los.
Interview: Julian Galinski