Neuners Warten auf den Volltreffer
Auch beim letzten Rennen in Ruhpolding verballert die Biathlon-Weltmeisterin den Sieg am Schießstand. Kritik von Schwedens Erfolgscoach Pichler: „Weiß nicht, ob das noch was wird bei ihr.“
RUHPOLDING Ja, Magdalena Neuner lachte wieder. Am Samstag auf dem Podium, nachdem sie nach dem Einbruch in der Staffel am Freitag den Tränen nahe war. Sie stand neben Siegerin Helena Jonsson und der Zweitplatzierten Simone Hauswald, aber sie wusste, sie hätte auch ganz oben stehen können. Wenn sie nicht wieder so miserabel geschossen hätte.
So verballert Neuner auch ihr Olympia-Gold.
Beim ersten Staffel-Einsatz dieser Saison hatte Neuner sogar zwei Strafrunden laufen müssen, weil selbst drei Nachlader beim Stehendschießen nicht gereicht hatten, um alle fünf Scheiben zu treffen. Das DSV-Quartett wurde so nur Vierte. Auch am Samstag im Massenstart gingen fünf von 20 Versuchen daneben, drei davon im Stehendschießen. Nur zwei der 30 gestarteten Biathletinnen schossen noch schlechter. Drei so genannte Fahrkarten und drei Strafrunden weniger, und Neuner hätte souverän gewonnen.
„Ich war am Freitag völlig von der Rolle“, sagte die 22-Jährige, „ich habe aber versucht, mich nicht verrückt machen zu lassen, und das ist mir ganz gut gelungen.“ Was fast danach klang, als habe sie ihre Schwächen am Schießstand bereits akzeptiert, würde sie sich ganz auf ihre Stärke beim Laufen konzentrieren. „Läuferisch ist die Lena ein überragendes Talent“, sagt Wolfgang Pichler, der schwedische Erfolgstrainer aus Ruhpolding zur AZ, „aber beim Schießen nur ein mittelmäßiges. Ich weiß nicht, ob das noch was wird bei ihr, aber man darf die Hoffnung nie aufgeben.“
Dabei hat Neuner schon viel versucht. 2008 ließ sie sich in der Bundeswehr-Kaserne Sonthofen mehrmals Nachhilfe geben, von Rudi Krenn, Hauptfeldwebel und Weltmeister bei den Sportschützen. Ein richtiger Volltreffer war das aber auch nicht. „Es ist bei der Lena einfach reine Kopfsache“, sagt Pichler.
2009 verzichtete sie auf Krenns Schützenhilfe, stattdessen arbeitet sie nun nicht nur mit dem Musiktherapeuten Ulrich Conrady (AZ berichtete), sondern auch mit einem eigenen Mentaltrainer zusammen. Doch auch das brachte bisher wenig beim Dienst an der Waffe.
Wie labil Neuner bei diesem Thema inzwischen ist, zeigte sich, als sie dieser Tage über die vielen lästigen Nachfragen zu ihrer Schuss-Schwäche klagte. „Wenn man dauernd hört, dass man schlecht schießt“, sagte sie, „dann verunsichert das irgendwann.“ Kopfsache, Nervensache. Auch eine Sache des Rummels um ihre Person, nachdem sie schon mit 21 sechsmalige Weltmeisterin und Werbe-Millionärin war?
„Das Problem ist, dass sie schon so jung so viel gewonnen hat“, sagt Pichler, „das ist eine ganz neue Dimension, damit musst in so einem Alter auch erst einmal fertig werden. Wie sie das geschafft hat, da muss man sie eh bewundern dafür.“
So muss sie nun weiterarbeiten für den großen Erfolg, bei ihren ersten Olympischen Spielen in vier Wochen. „Ich hoffe, dann fallen die Scheiben besser um“, sagte Neuner, deren Einsatz in der Staffel nun mehr als fraglich ist, die aber freilich die QualifikationsNorm für Vancouver längst erfüllt hat.
Das Ticket für Olympia hat sie. Die Fahrkarten kann sie sich dort sparen.
Florian Kinast
- Themen:
- Magdalena Neuner