Neuner stürmt zu Gold: "Das ist Wahnsinn!"
WHISTLER - Als sich ihr Kindheitstraum vom Olympiasieg erfüllt hatte, schlug Magdalena Neuner im Ziel ungläubig die Hände vors Gesicht. Mit gewohnt starker Laufleistung hatte die Wallgauerin zwei Schießfehler kompensiert war im Verfolgungsrennen über 10 Kilometer eindrucksvoll zu Gold gestürmt.
Bei der anschließenden Blumen-Zeremonie hüpfte sie wie ein kleiner Flummi auf das Podest und strahlte über das ganze Gesicht. Den Goldstrauß schenkte sie anschließend ihrer stolzen Mutter, die dieses Mal gefasster reagierte als beim Silber-Sprint vor drei Tagen. «Ich kann gar nichts mehr sagen. Das ist der Wahnsinn», jubelte Neuner nach ihrem Husarenritt durch die Loipen von Whistler. «Jetzt Freude ich mich am meisten auf die Zeremonie auf der Medals Plaza und darauf, die deutsche Hymne zu hören», sagte die sechsmalige Weltmeisterin.
Durch den Triumph sind die Deutschen jetzt erfolgreichste Nation bei Winterspielen: Neuner eroberte die 120. olympische Goldmedaille seit 1924. Mit einer fulminanten Lauf-Leistung und Nerven wie Drahtseile am Schießstand jagte die 23-Jährige im Whistler Olympic Park in 30:16,0 Minuten zu ihrer ersten Goldmedaille. Drei Tage nach dem Gewinn von Silber im Sprint bestätigte sie in der Verfolgung ihre Ausnahmeform und ließ der Slowakin Anastasiya Kuzmina keine Chance. Die als erstes ins Rennen gegangene Sprint-Olympiasiegerin hatte im Ziel 12,3 Sekunden Rückstand und gewann Silber. Rang drei belegte die Französin Marie Laure Brunet.
«Lena war heute unschlagbar», sagte Sprint-Siegerin Kuzmina. Eine halbe Stunde nach dem Rennen legte Schweden Protest ein, weil drei Skijägerinnen aus dem skandinavischen Team offenbar aus technischen Gründen zu spät gestartet sein sollen.
«Das ist fantastisch. Diese Nervenstärke, dieser Wille. Das ist das Holz, aus dem Olympiasieger geschnitzt sind. Das war eine grandiose Leistung. Hut ab!», sagte DOSB-Präsident Thomas Bach. «Meine Hochachtung. Das war Gold mit Ansage, das hat sie prima gemacht. Besser geht es nicht. Wir haben uns riesig Freude», sagte Frauen-Bundestrainer Uwe Müssiggang. «Lena wusste genau, was sie wollte. Sie hatte ein brutales Selbstvertrauen. Für uns Erfahrene ist das schon sehr erstaunlich», lobte die dreifache Olympiasiegerin Kati Wilhelm, die von Rang 30 noch auf Platz zwölf stürmte. Andrea Henkel wurde Zehnte, Simone Hauswald belegte Rang 16.
Neuners Medaillenhunger ist nach Gold in der Verfolgung und Silber im Sprint noch lange nicht gestillt. Auch im Einzelrennen über 15 Kilometer greift die Gesamtweltcup-Siegerin von 2008 nach Edelmetall. «Natürlich laufe ich. Die Langdistanz taugt mir ja sowieso ganz gut», sagte Neuner. Neben ihr gehen im dritten Olympia-Rennen Wilhelm (Zella-Mehlis), Henkel (Großbreitenbach) und Martina Beck (Mittenwald) an den Start. Für Beck ist es der erste Einsatz bei den Winterspielen in Vancouver. Sie ersetzt Hauswald (Gosheim).
Nachdem Neuner im Liegendschießen zweimal fehlerfrei geblieben war, leistete sie sich im Stehend-Anschlag jeweils zwei Patzer. Da auch Kuzmina zwei Fahrkarten schoss, war der Weg zu Gold für Neuner frei. «Beim letzten Stehend-Schießen habe ich mir gesagt, jetzt geht es um alles. Den letzten habe ich dann noch vorbei gezittert, doch als ich aus der Strafrunde raus bin, wusste ich, das schaffst du, auch wenn du auf der letzten Runde sterben musst», sagte Neuner.
Schon vor dem Rennen hatte die bayerische Frohnatur so locker gewirkt, als stünde ein Hobby-Rennen und nicht ein olympischer Wettkampf auf dem Programm. «Ich mache mir keinen Druck. Das habe ich vor dem Sprint nicht gemacht und das mache ich dieses Mal auch nicht», sagte Neuner. Mit diesem Selbstvertrauen ging sie auch in die Loipe und überholte die Slowakin bereits auf der ersten Runde. Danach lieferten sich beide einen offenen Schlagabtausch, den Neuner mit einer bärenstarken Leistung völlig verdient für sich entschied.
Mit 6,2 Sekunden Vorsprung ging sie auf die letzte Runde, die sie bereits mit einem Lächeln im Gesicht absolvierte. Müssiggang lehnt bis zum Schluss zwar noch alle Glückwünsche ab, doch auch der deutsche Medaillen-Schmied hatte nach dem letzten Schießen allen Grund zum Jubeln, zumal Kuzmina auf der Schlussrunde weiter verlor.
dpa