Neuner schießt Blech – und feiert eine Party mit den Eltern

Die Olympiasiegerin wird nur Zehnte über 15 km, aber das nimmt sie ganz gelassen. „Vielleicht kann ich dann endlich meine ersten Medaillen genießen.“ Doch Greis warnt: Konzentriere dich!
von  Abendzeitung
Magdalena Neuner
Magdalena Neuner © dpa

WHISTLER - Die Olympiasiegerin wird nur Zehnte über 15 km, aber das nimmt sie ganz gelassen. „Vielleicht kann ich dann endlich meine ersten Medaillen genießen.“ Doch Greis warnt: Konzentriere dich!

Ja, Magdalena Neuner lächelte wieder, als sie gestern beim Einzelrennen über 15 Kilometer die Zielgerade entlangfuhr. Aber es war ein gänzlich anderes Lächeln als jenes, das sie am Dienstag gezeigt hatte, als sie in souveräner Manier die Verfolgung gewonnen hatte. Es war nicht das Strahlen einer Siegerin, eher das entschuldigende Lächeln einer Athletin, die es, nun ja, verbockt hatte.

Zehnte ist Neuner geworden gestern, 1:49,3 Minuten fehlten ihr am Ende auf die Siegerin Tora Berger aus Norwegen. Nach Silber im Sprint und Gold in der Verfolgung holte sie im Einzel nur Blech – weil beim Schießen wieder mal die Gäule mit ihr durchgegangen waren. Drei Schießfehler fabrizierte sie in den ersten beiden Schießen. Da half es auch nichts mehr, dass sie in der Loipe wieder die Schnellste gewesen und in den letzten beiden Schießen fehlerlos geblieben war. Die Medaillen waren da längst schon weg. Und mit ihnen auch die Chance, noch ein Stück mehr zu ihrer eigenen Legendenbildung beizutragen. „Die Medaille hätten wir gerne gehabt. Lena hat am Anfang vielleicht zu viel gewollt. Der Fehler hätte nicht sein müssen. Lena ist beim Schießen immer schneller geworden“, grantelte so denn auch Bundestrainer Uwe Müßiggang.

Neuner widersprach ihrem Bundestrainer nicht. Und tat auch nicht viel, um sich zu verteidigen. „Mei“, sagte sie nur im breitesten Wallgauerisch, „ich habe zu lange gebraucht, um ins Rennen hineinzukommen“. Neuner sagte das ohne Grant, ohne der geringsten Spur der Enttäuschung in ihrer Stimme. Im Gegenteil: „Ich bin voll zufrieden. Natürlich wollte ich gewinnen, aber ich war anfangs unkonzentriert und habe mich echt zusammenreißen müssen“, analysierte sie sachlich. Und dann lächelte sie wieder und erzählte, dass sie viel unterwegs gewesen wäre am Vortag, in der Nacht nur wenig geschlafen hätte. „Ich war mit meinen Eltern unterwegs und war erst um ein Uhr nachts wieder zurück im Olympischen Dorf“, sagte sie. „Der eine freie Tag war zu wenig, schwuppdiwupp war es schon wieder heute.“

Und schwuppdiwupp war sie vorbei, die Chance, die erfolgreichste Athletin in Vancouver, das prägende Gesicht dieser Spiele zu werden.

Neuner hielt sich mit solchen Gedanken aber nicht länger auf. „Ich kann es verschmerzen. Vielleicht kann ich dann heute endlich einmal meine ersten Medaillen genießen und mich nochmal um meine Eltern kümmern“, sagte sie, ehe sie versicherte, im Massenstart am Sonntag wieder angreifen zu werden.

Es hat durchaus etwas sympathisches, mit welcher Gelassenheit Neuner in Vancouver auftritt, wie sie auch im Moment des Versagens die Nerven zu bewahren scheint, wie sie auch in der Niederlage das Gute entdecken kann. Und doch wird sie sich nach den Spielen, wenn es auch darum geht, die Erfolge mit Werbeverträgen zu Geld zu machen, wohl auch der Frage stellen müssen, ob sie nicht etwas zu leichtfertig die Chance auf eine weitere Goldmedaille verspielt hat und ob es klug war, die Gründe für ihre Unkonzentriertheit öffentlich zu nennen.

„Ich kann ihr nur raten, „sich nur auf sich zu konzentrieren und auf das, was ansteht. Das Wichtigste sind die Wettkämpfe. Und das andere ist einfach Beiwerk“, warnte Michael Greis erst am Mittwoch die junge Kollegin. Der hatte sich vor vier Jahren in Turin nach seiner ersten Goldmedaille in einen Rausch geschossen und gelaufen, seine anderen zwei Goldmedaillen kamen dann „in einem Rutsch, da konnte ich einfach durchziehen“, erzählte er. „Das kann die Lena sicherlich auch“, sagte er.

Gestern blieb Neuner diesen Beweis schuldig.fil

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