Neuner: "Manchmal nehme ich mir Laura als Vorbild"

Magdalena Neuner im AZ-Interview: Hier spricht der Ex-Biathlon-Star über die Olympischen Spiele, Dahlmeiers Medaillen-Chancen und ihr Leben als Mutter: "Mein Fitnessprogramm sind meine Kinder."
von  Simon Stuhlfelner
"Laura ist in der Lage, die gleichen Leistungen abzurufen wie in Hochfilzen vergangenes Jahr, als sie fünf WM-Goldmedaillen gewonnen hat", sagt Neuner (kleines Bild) über Dahlmeier.
"Laura ist in der Lage, die gleichen Leistungen abzurufen wie in Hochfilzen vergangenes Jahr, als sie fünf WM-Goldmedaillen gewonnen hat", sagt Neuner (kleines Bild) über Dahlmeier. © Rauchensteiner/Augenklick/dpa/AZ

München - Die AZ hat mit Magdalena Neuner gesprochen: Die 30-Jährige ist mit zwölf Titeln Rekordweltmeisterin im Biathlon, 2010 holte sie in Vancouver zweimal Olympia-Gold und einmal Silber. Im März 2012 beendete sie ihre Karriere.

AZ: Frau Neuner, wie groß ist Ihre Vorfreude auf die Olympischen Spiele in Pyeongchang ansteht, geht das vor (Neuner hat mit Ehemann Josef Holzer Tochter Verena, 3, und Sohn Josef, 1, d.Red.). Die Biathlon-Wettkämpfe will ich aber sehen und fiebere dann auch richtig mit.

Hätte Sie es nicht gereizt, live vor Ort dabei zu sein, zum Beispiel als Fernseh-Expertin für die ARD?
Natürlich habe ich diese Anfrage bekommen. Pyeongchang hat mich aber nicht wahnsinnig gereizt, weil ich den Ort kenne und weiß, was dort drumherum los ist. Und meine Kinder sind mir zu klein, als dass ich einfach mal zwei Wochen nicht da bin.

Sie sind ja nicht nur TV-Expertin, sondern nehmen auch Sponsorentermine wahr. Wie ist das Verhältnis von der Geschäftsfrau Magdalena Neuner zur Mutter?
In erster Linie bin ich Mama, wobei sich das auch vermischt. Es gibt daheim, wenn ich mit meinen Kindern am Tisch sitze, immer wieder Situationen, in denen ich telefonieren oder eine E-Mail schreiben muss. Ich habe das Glück, dass ich selbstständig bin und mir das frei einteilen kann und dabei die Kinder meistens um mich herum habe.

Und wenn Sie unterwegs sind?
Dann ist mein Mann zur Stelle, der ist auch selbstständig und macht das super. Ich finde es wichtig, dass sich die Väter in die Erziehung einbringen.

Die Spiele hätten in München stattfinden können, Sie waren Mitglied im Kuratorium der Bewerbung. Schmerzt es, dass die Spiele in Retorten-Standorten wie Pyeongchang ausgetragen werden und die Bevölkerung in den traditionellen Wintersport-Orten die Spiele oft gar nicht mehr haben will?
Teils, teils. Für 2018 bin ich voll hinter der Bewerbung gestanden. Es gab ja dann eine zweite Bewerbung für 2022, da war ich wesentlich vorsichtiger, weil ich festgestellt habe, dass es aus der Bevölkerung viele sehr berechtigte Einwände gegen die Spiele gegeben hat, zum Beispiel, dass viele Leute ihren Privatgrund abtreten hätten müssen. Ich habe mich gefragt: Ist unsere Gegend dann noch so schön wie vorher, oder stehen dort Stadien, die gar nicht mehr genutzt werden?

Zum Sportlichen: Laura Dahlmeier gehört zu den Topfavoriten. Was trauen Sie ihr zu?
Durch ihre zwei Infekte hatte sie leichte Startschwierigkeiten in die Saison. Aber ich bin sehr, sehr zuversichtlich. Ich weiß, dass die Laura viel drauf hat. Sie ist in der Lage, die gleichen Leistungen abzurufen wie in Hochfilzen vergangenes Jahr, als sie fünf WM-Goldmedaillen gewonnen hat.

Wo sehen Sie ihre Stärken?
Sie ist eine gute Schützin, vor allem, wenn’s drauf ankommt. In Situationen, in denen andere das Nervenflattern bekommen, kann sie sich sehr gut konzentrieren.

Kann sie den öffentlichen Druck meistern? Jeder erwartet nach den fünf WM-Titeln von ihr große Erfolge bei Olympia.
Das kann sie gut meistern. Sie erwartet das von sich selbst. Laura ist keine, die zu Olympia fährt, um nur dabei zu sein und das zu genießen, sondern sie sagt klipp und klar: "Ich möchte Medaillen gewinnen." Ich habe da ähnlich getickt wie sie. Ich hatte diesen Anspruch an mich selbst und habe den öffentlichen Druck als Motivation gesehen. Manchmal funktioniert man unter Druck sowieso am besten.

"Das harte Training zweimal am Tag – das geht mir nicht mehr ab"

Gibt es andere Parallelen, die Sie zwischen Ihnen sehen?
Wir mussten beide erst lernen, mit dem Rummel um unsere Person umzugehen. Ich habe bei der WM 2007 drei Goldmedaillen gewonnen. Plötzlich wollte jeder was von mir, ich hatte ständig Interviews und Termine. Ich habe am Anfang schwer damit umgehen können. Ich glaube, der Laura geht es ähnlich. Sie würde sich ganz gerne zurückziehen, ihr Ding machen und sich auf den Sport konzentrieren. Aber Sie muss lernen, dass Interviews und Sponsorentermine zum Sport dazugehören.

Und was unterscheidet Sie?
Manchmal nehme ich sie mir ein bisschen als Vorbild, wie sie ihr Ding macht. Sie achtet sehr darauf, was sie selber braucht und trainiert auch mal individuell statt mit dem Team. Laura ist da sehr intuitiv und hat ein tolles Körpergefühl.

Ihre frühere Teamkollegin Miriam Gössner ist im Oktober Mutter geworden. Haben Sie sich schon ausgetauscht?
Wir haben schon Bilder hin- und hergeschickt. Ich habe das Gefühl, dass die Miri richtig angekommen ist in ihrer Mutterrolle. Man sieht auf den Bildern, wie sie strahlt und hat das Gefühl, dass sie als Mama gereift ist. Ich weiß, was das aus einem macht, wenn man spürt, dass man seine Bestimmung im Leben gefunden hat. Sie ist richtig glücklich mit der Situation und auch mit dem Felix – das passt einfach.

Und wann treffen Sie sich mal?
Wir haben schon lange ausgemacht, mal mit dem Kinderwagen spazierenzugehen, aber wir haben’s noch nicht geschafft. Erstmal lassen wir den Winter rumgehen.

Miriam Gössner macht ja schon wieder sehr viel Sport. Wie oft halten Sie sich fit?
Im Moment ein bisschen zu wenig. Ich war einmal in diesem Winter beim Langlaufen, gehe einmal die Woche ins Fitnessstudio. Ansonsten sind mein Fitnessprogramm meine beiden Kinder. Bei uns ist immer Action. Im Sommer zum Beispiel waren wir unglaublich viel beim Radlfahren: Ich mit dem Mountainbike, die Kinder im Anhänger hinten drin.

Was ist anstrengender: Das Leben als Leistungssportlerin oder das Leben als Mutter?
(lacht) Das kann man so nicht vergleichen. Ich würde mein Leben wieder so leben, wie es war, auch mit dem Leistungssport. Ich werde ja oft gefragt, ob ich nicht doch wieder anfangen wolle, und dann sage ich ganz klar: Nein! Wenn ich an das Leben voller Entbehrungen denke, an das harte Training zweimal am Tag, wie fertig man abends ist – das geht mir nicht mehr ab.

Ist es Ihnen nicht schwergefallen, als Sportstar mit unglaublichen Beliebtheitswerten zurück ins Privatleben zu wechseln, als ganz "normale" Hausfrau und Mutter?
Nein, für mich ist es schon immer Lebenselixier, in mein normales Umfeld zu kommen und zu Hause bei der Familie Abstand zu gewinnen von der Öffentlichkeit. Im Moment habe ich eine gute Balance gefunden zwischen dem Privatleben und der Familie auf der einen sowie dem öffentlichen Leben auf der anderen Seite. Ich brauche beides. Es tut mir unglaublich gut, wenn ich mal auf eine Veranstaltung gehen kann oder zu einem Sponsorentermin und wenn ich dort auch eine ganz andere Anerkennung bekomme. Wobei man als Mutter auch viel Anerkennung bekommt, aber eben auf andere Weise.

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