Neuner: Lust in der Türkei? Frust in Thüringen!
Statt im Meer zu baden, muss Biathlon-Star Magdalena Neuner auf Rollen laufen. Und das ist nicht ihr einziger Ärger.
OBERHOF Am liebsten, das hat Magdalena Neuner kürzlich gesagt, wäre sie in dieser Woche am Meer. Baden, plantschen, lustig sein. So wie in den vergangenen beiden Jahren eben auch, als sie nach jeweils drei WM-Titeln mit in den „Club der Besten“ durfte, der traditionellen Urlaubswoche im September, wo die erfolgreichsten deutschen Sportler des Jahres miteinander feiern und Gaudi haben.
Nun tun sie das in Dalaman in Kleinasien. Ohne Neuner. Denn statt in den Westen Anatoliens muss sie in den Osten Deutschlands. Zur Sommer-WM der Biathleten auf Rollskiern. Und da ist der Spaß überschaubar. „Ausgesucht“, grantelt sie, „habe ich mir das nicht.“ Thüringen statt Türkei. Die Olympia-Saison geht ja schon gut los.
Gefallen an der Rollski-WM in Oberhof, einer Erfindung des Weltverbands IBU, findet niemand. Auch Frauen-Trainer Uwe Müssiggang, ein sehr umgänglicher und gemäßigter Mann, grummelte: „Wenn man uns Deutsche vorne dranspannen kann, dann nimmt man uns gerne her. Für uns bleibt das aber eine einmalige Veranstaltung.“ Eine Komplett-Absage bei einer WM im eigenen Land, das hätte sich nicht gut gemacht.
Dafür kamen andere um die Veranstaltung herum. Kati Wilhelm etwa und Simone Hauswald weilen als WM-Medaillengewinner eben an der türkischen Ägäis, Kathrin Hitzer darf nach ihrer Fuß-OP daheim in Ruhpolding trainieren, Martina Beck und Andrea Henkel meldeten sich krank.
So muss Neuner als einzige deutsche Spitzenbiathletin durch die Wälder Ruhpoldings rollen und um Medaillen kämpfen, die keinen interessieren.
Und auch privat ist Neuner wieder alleine unterwegs, nach ihrer Trennung von Björn Weisheit, dem Techniker vom Skiverband, mit dem sie 19 Monate lang liiert war, der aber noch weiterhin ihre Ski präpariert und wachst.
Es ist ruhig geworden um Magdalena Neuner in diesem Sommer. Kein Gehetze mehr von einem PR-Termin zur nächsten Talkshow, vom Foto-Shooting zum Interview. „Der Rummel hat schon nachgelassen“, sagt Neuner, die im Februar in Korea erstmals ohne Titel bei einer WM blieb, gar ohne Einzelmedaille.
Immerhin kein schlechter Zeitpunkt, das nahm etwas den Druck vor Olympia in Vancouver und erleichterte Neuner den Sommer. „Ich habe es genossen, etwas mehr Ruhe zu haben“, sagt sie. „die letzten beiden Jahre war das schon sehr viel.“ So viel, dass sie auch krank wurde, gerade 2008, als sie sich von einem Infekt zum nächsten schleppte und meinte, das sei auch eine Folge der vielen Termine, rein stressbedingt.
Aber Stress hatte sie dann ja doch noch. Daheim in Wallgau, mit den vielen Urlaubern. Die klingelten nämlich auch in diesem Sommer ungefragt am Haus der Großmutter, wo Neuner im Dachgeschoss ein Apartment hat. „Da hat dann immer die Oma aufgemacht“, erzählt Neuner, „aber meine Oma kann halt nicht ,nein’ sagen, und darum hat sie mich dann immer geholt.“ Und mit einem Autogramm sei es dann auch nicht getan gewesen, die Fans hätten richtig lange reden wollen, sagt sie. „Ich denke, da habe ich schon ein paar Fans verloren“, sagt sie, „weil ich klipp und klar meine Meinung gesagt habe, dass ich meine Ruhe haben möchte.“ Denn Neuner kann schon „nein“ sagen. Anders als die Oma.
Aber woher die Fans überhaupt wussten, wo in Wallgau Neuner wohnt? „Mein Auto steht da vor der Tür, vom Skiverband, mit allen Sponsorenaufklebern, das ist nicht zu übersehen“, sagt sie. „Ich hätt’s auch gern in die Garage gestellt, aber leider ist das ein Stückl zu lang.“
Immerhin ist Neuner die lästigen Störer an der Haustür los.
Nach Oberhof geht es zum Gletschertraining, im November dann zur letzten Vorbereitung nach Skandinavien. Anfang Dezember beginnt der Weltcup in Östersund, zwei Monate danach steht schon Olympia an.
Und so dürfte Magdalena Neuner drei große Ziele haben für 2010. Gold in Vancouver. Das Comeback beim Club der Besten. Und vor allem ein kürzeres Auto.
Florian Kinast
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